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Black Mirror 2

Sprechstunde im Geisterhaus

Dass Darren im Laufe des Spiels Polizisten, Krankenschwestern und Obdachlose unflätig anschnauzt, trifft allerdings nicht zwangsläufig die Stimmungslage des Spielers. Doch die Gesprächspartner sind nicht nachtragend und beantworten selbst nach groben Beleidigungen weiter alle Fragen. Apropos Beleidigungen: Wer auf ungeschnittene Spiele steht, greift diesmal ausnahmsweise zur deutschen Version. Die nicht wenigen „Scheiße“- und „Fuck“-Schimpfwörter werden laut Herausgeber dtp bei der englischen Fassung zensiert.

Auch die Handlung selbst besitzt ihre derben Momente. So zitieren die Entwickler bei einer Badezimmerszene eindeutig den Horror-Klassiker Profondo Rosso von Altmeister Dario Argento. Obwohl sich Black Mirror 2 wegen Morden und dem düsteren Geheimnis um das alte Schloss nicht zimperlich präsentiert, glänzt das Spiel gerade inmitten dieses bedrückenden Umfelds mit Wortwitz. Wenn etwa Darren seine Angebetete trifft und sie ihn fragt: „Dein feiner Chef, versucht er immer die Kunden zu begrabschen?“ und Darren entgegnet: „Nein. Nur die Frauen.“

Auch für Adventure-Spieler der älteren Generation hält Black Mirror 2 Scherze bereit. Wenn man auf einen 486er-Computer im Polizeirevier klickt, kommentiert Darren: „Der neue Pentium wurde schon angekündigt. Ich frage mich, wer das braucht? Solange meine alten Sierra-Adventures zu Hause laufen, brauche ich jedenfalls kein schnelleres System.“ Für Black Mirror 2 braucht ihr übrigens ebenfalls keinen Monster-Rechner: 1,4 GHz und 512 MB Arbeitsspeicher reichen.

Wetter- und Tag-Nacht-Wechsel lassen die Orte in einem anderen Licht erscheinen.

Das Herzstück jedes Adventures sind jedoch die Rätsel. Hier punktet Black Mirror 2 durch Logik. Die meisten Kopfnüsse lassen sich tatsächlich durch Analysieren der jeweiligen Situation lösen, ohne dabei ins Belanglose abzugleiten. Wer trotzdem dazu neigt, bei Knobeleien zu straucheln, darf sich im Tagebuch, das Darren automatisch führt, zusätzliche Tipps abholen. Alles optional wohlgemerkt.

Etwas störend fällt hierbei auf, dass sich die Tipps zum Teil auf bereits gelöste Probleme beziehen, während man schon längst am nächsten Teilstück doktert. Trotzdem ein guter Ansatz, der Frust vermeiden hilft. Bei den eingebauten Bilderrätseln wie „Bastle ein Phantombild“ oder „Öffne den Tresor“ dürft ihr nach einer Weile sogar den Notfall-Lösungshebel ziehen, um die Denksportaufgabe zu überspringen. Sehr benutzerfreundlich. Überhaupt verdient das Spiel für seinen Bedienkomfort eine 1 mit Sternchen. Selbst lange Wege lassen sich durch Doppelklicks oder über direkte Wahl des Ziels auf der Karte abkürzen.

Wer genau hinsieht, findet natürlich Fehler. Wieso kennt Darren den Namen des Trödelladenbesitzers bereits vor dem ersten Gespräch? Wieso weigert er sich in einer Szene, die heiße Glühbirne anzufassen und dreht eine andere wenig später, ohne mit der Wimper zu zucken, aus der Fassung? Wieso weiß er von dem britischen Akzent eines Mannes, wenn er das Gespräch, in dem er dieses Detail erfährt, noch gar nicht geführt hat? Hinzu kommen Schnitzer wie das Bild einer Burg, auf dem Darren ein Segelschiff bei Seegang erkennen will.

Eine der gruseligen Zwischensequenzen.

Trotzdem, das sind nur Kleinigkeiten. Unwichtig im stimmigen Gesamtkunstwerk. Was zählt ist, dass die meisten Rätsel und die Mono- und Dialoge passen. Selbst nach einem langen Arbeitstag für eine halbe Stunde in die Welt von Black Mirror 2 abzutauchen, lohnt sich. Und falls daraus dann doch die ganze Nacht wird, wisst ihr wenigstens, warum sich am nächsten Tag eurer Kaffee- oder Red-Bull-Konsum verdreifacht.

Wer Adventures und ein wenig Gruselstimmung mag, sollte Black Mirror 2 kaufen. Trotz aller Kritik. Das Spiel ist definitiv gut! Alleine die logischen Rätsel sind euer Geld wert. Ohne Zeitdruck knobeln, das geht sonst nur mit einem Kreuzworträtselheft auf dem stillen Örtchen. Und da ist die Stimmung längst nicht so atmosphärisch. Natürlich habe ich mir manchmal gewünscht, dass statt der obligatorischen zwei Sprachausgabe-Sätzen bloß einer kommt. Auch der unbefriedigende Schluss, der nach einer Fortsetzung schreit, ist nicht mein Fall.

Dennoch macht es euch das Spiel leicht, es gern zu haben. Die Charaktere bieten genug Ecken und Kanten, um sie zu lieben oder zu hassen. Die Lösungshilfen vermeiden Frust. Mit einem etwas rasanteren Verlauf der Geschichte und ein paar Detailverbesserungen hätte Black Mirror 2 definitiv eine noch höhere Wertung einheimsen können. Doch wenn so die Zukunft des klassischen Adventures aussieht, darf das Genre gerne auch noch die nächsten 30 Computerspieljahre überstehen. Meinen Segen hat das Spiel.

Black Mirror 2 ist für PC ab sofort erhältlich.

7 / 10

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Über den Autor

Joachim Hesse

Contributor

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