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Metal Gear Solid 3: Subsistence

Nennen Sie mich Snake!

Im November 2004 habe ich MGS3 verschlungen wie Snake eine saftige Anakonda: Gierig und in einem Stück. Meine kindliche Begeisterung über „den neuen Kojima“ hatte jede Kritikfähigkeit ohnehin schon im Vorfeld betäubt, so dass die pünktlich eintreffende US-Version leichtes Spiel mit mir hatte. Eine ganze Woche lang sabotierte mein Lieblings-Leisetreter aus der Glotze heraus mein Sozialverhalten und ließ mich im Gegenzug an einer harten emotionalen Achterbahnfahrt teilnehmen – ohne Gurt.

Eine Sache konnte aber selbst meine immense Fanboybrille nicht filtern: Die Top-Down-Kamera, die der Serie seit der PSone ihren Look verlieh, begann auf einmal, mir gehörig auf den Geist zu gehen. In der üppig bewachsenen Pampa musste man mit einem Mal ständig in die statische Ego-Sicht wechseln, um die Lage zu sondieren, die Höhe der Deckung einzuschätzen oder das Gefälle des Geländes zu beurteilen. Dann gab man allerdings ein leichtes Ziel ab. Ich halte die Visiersicht von MGS 2 & 3 noch immer für eine der ansehnlichsten First-Person-Perspektiven überhaupt und die coole, analoge Abzugsabfrage hatte mich schon beim zweiten Teil fasziniert. Allein die Tatsache, dass dieses Wechselspiel nötig war, spricht nicht gerade für die Standard-Ansicht. ‚Intuitiv’ geht einfach anders.

MGS3: Subsistence reicht nun die passende Zange für Snakes perspektivische Giftzähne nach. Allerdings schlägt das, zusätzlich mit opulenten Extras garnierte, Wiedergutmachungspaket mit reichlich Verspätung (ein halbes Jahr!) auf dem europäischen Markt auf.

Subsistence

Das CQC-Nahkampfsystem wurde für den Online-Modus etwas vereinfacht.

Die erste der drei DVDs enthält – wen wundert’s – das überarbeitete Hauptspiel. Inmitten des kalten Krieges werdet Ihr als amerikanischer Agent Snake über dem russischen Dschungel aus dem Flugzeug geschmissen, um einen sowjetischen Raketenwissenschaftler bei der Systemflucht unter die Arme zu greifen. Welche Rolle KPdSU-Generalsekretär Chruschtschow, eine Gruppe Super-Putschisten und Snakes geheimnisvolle Mentorin in dem ausgeklügelten Verwirrspiel einnehmen, sollten Unkundige unbedingt selbst herausfinden. Zwar hört sich auch das dritte MGS stellenweise etwas zu gerne selbst beim Erzählen zu, am Ende fügen sich aber alle Informationen zu einem aufwühlenden Gesamtbild zusammen. Kojima hat es seinem Hauptdarsteller gleich getan und begibt sich auf schwierigeres Terrain als je zuvor. Mit seiner Geschichte um Vertrauen, Verrat und *hust* Liebe fühlt er seinen Figuren auf den Nerv, ohne dem Spieler auf denselben zu gehen. Einziger Wermutstropfen: David Hayter hat bei der Synchronisation der Hauptfigur diesmal etwas zu tief in den Coolness-Topf gelangt – die machohafte Darstellung mag irgendwie nicht zum arg menschelnden Snake passen.

Subsistence gleicht der Ur-Version aufs Haar – bis Ihr den rechten Stick hereindrückt. Auf dieses Kommando hin wechselt das Spiel von der altbackenen Vogelperspektive in eine klassische Third-Person-Ansicht. Diese Kamera schwenkt Ihr wie bei Splinter Cell mittels des rechten Sticks völlig frei um Snake herum. Und siehe da: Man bekommt recht bald ein viel besseres Gefühl für seine Umgebung, ganz zu schweigen davon, dass die Optik mit Blick nach vorn deutlich besser gefällt, als wenn man ständig auf den Boden glotzt. Ganz umhin kommt man um die Ego-Sicht dann aber doch nicht. In einem Spiel, in welchem man nur ungern die Aufmerksamkeit seiner Häscher erregt, ist Präzision nun mal alles. Leider ist es aber nach wie vor geradezu unmöglich, seine Feinde ohne Zuhilfenahme von R1 – und dem damit verbundenen Perspektivenwechsel – mit nur einem Schuss zu erledigen. Für die kommende MGS-Episode sollte Kojima-San die Steuerung endlich ins neue Jahrtausend holen.

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Sinnloses Micro-Management

Eure Lieblings-Sequenzen schaut Ihr Euch im Demo-Theater an. Immer und immer wieder.

Ebenfalls nichts zu suchen in MGS4 haben hoffentlich Kojimas abstruse Survival-Experimente – und ich wette den Inhalt meiner linken Gesäßtasche, dass keines der folgenden Elemente in seiner MGS3-Form im nächsten Teil auftauchen wird: Der Camo-Index, die Nahrungsaufnahme und der Heilungs-Screen. Ursprünglich nette Ideen, streckten diese letzten Endes nur die Spielzeit, indem Sie mich dazu zwangen, im Menü lästiges Micromanagement durchzuführen. Sinnfreie Fleißaufgaben sind nicht unbedingt meine Vorstellung von Spaß. Umso komischer, dass sich daran damals – und da nehme ich mich nicht heraus – niemand so richtig gestört hat.

Doch genug gemeckert: Insgesamt gesehen ist Snakes Ausflug in Bond-Gefilde ein würdiger Serieneintrag, der mir aufgrund der ambitionierten und trotz aller abgehobenen Kapriolen sehr erwachsenen Geschichte sowie der großen Liebe zum Detail noch immer acht Punkte wert ist.

Persistence

Die zweite DVD ist eine Fundgrube für Jäger und Sammler. Jäger stellen sich Online bis zu sieben Freunden (oder Feinden, falls man gerade keine Freunde zur Hand hat) zum lagfreien Gefecht. Schauplatz hierfür bilden recht kompakte – aber nicht zu kleine – Arenen, die zum größten Teil an bekannte Spielabschnitte angelehnt sind. Durch die typischen MGS-Mechaniken heben sich die Mehrspieler-Gefechte deutlich von gängigen Online-Shootern ab: Versteckt Euch unter Kartons oder werft ein Heftchen mit unwiderstehlichen nackten Tatsachen in eine Horde Gegner. Neben den eher schwachen, weil chaotischen Deathmatch- und Team-Deathmeatch-Modi glänzt eine Capture the Flag-Variante für Einzelgänger ganz besonders: In diesen ‚Sneaking Missions’ müsst Ihr als Solid Snake einer Gruppe von Gegnern einen Mikrofilm abspenstig machen und in Eure Basis befördern – bei entsprechendem Engagement aller Beteiligten eine sehr spannende Angelegenheit.

In zwei weiteren Modi sollte jedes Team versuchen, einen grünen Plastikfrosch möglichst lange in der eigenen Basis zu halten oder eine Gummiente gegen anstürmende Gegner zu verteidigen. Alles in allem prinzipiell nichts neues, durch die speziellen Eigenheiten von MGS eine mehr als gelungene Ergänzung zu einem ohnehin schon sehr feinen Spiel.

Achtung jetzt kommt ein Karton!

Neben dem bereits bekannten ‚Snake vs. Monkey’-Modus, der mir nicht so richtig Spaß machen wollte, lädt nun zusätzlich eine Duell-Variante zur Highscorejagd ein. Auf Zeit oder unter speziellen Vorgaben tretet Ihr in beliebiger Reihenfolge gegen die ausgefallenen Bossgegner an. Wer also Ocelot bislang einfach nicht oft genug den Hintern versohlen konnte – der kann jetzt eben doch!

Wer sich nach absolvierter Endgegner-Gala für den Größten hält, den holen die bockschweren Umsetzungen der beiden ersten Metal Gears schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Ja, meine Damen und Herren aus den jüngeren Semestern: SO sieht sie aus, die „gute, alte Zeit“ in der ein Game Over tatsächlich noch das Ende des Spiels bedeutete. Der alte Sack in mir möchte ebenfalls noch auf zwei weitere Dinge hinweisen: Die vom japanischen Heimcomputer MSX portierten Klassiker bieten optisch naturgemäß nur etwa NES-Niveau. Rein spielerisch kann man aber besonders am zweiten Teil Solid Snake von 1990 schon sehen, in welche Richtung Kojima und Co. künftig gehen würden. Probiert’s aus – Ihr werdet überrascht sein, wie gut der Oldie auch heute noch funktioniert und erfahrt nebenbei sehr Wissenswertes zu den Geschehnissen zwischen Snake Eater und Metal Gear Solid 1.

Existence

Komplettiert wird das silbrige Trio durch einen über dreistündigen MGS3-Film. An dieser Stelle kann man definitiv Boll-Entwarnung geben, denn es handelt sich „nur“ um neu geschnittene Filmsequenzen des Spiels. Lücken in der Handlung wurden durch Spielszenen aufgefüllt, während Konami maßgebliche Funkdialoge geschickt aus dem Off über die Bildschirm-Action blendet. Zweifellos ein schönes Sammlerstück, die Bedienung lässt allerdings zu wünschen übrig. Außer ‚Play’ und ‚Stopp’ kennt die Disk kein weiteres Kommando. Wollt Ihr also eine Pause einlegen, müsst Ihr später über das Kapitel-Menü zur letzten Szene zurückkehren.

Subsistence macht es einem leicht, sich erneut auf Kojimas sympathische Geschichtsklittung einzulassen. Der Mix aus 007-Actionkracher und Superhelden-Epos begeistert Neulinge noch immer mit toller Grafik und witzigen Einfällen, während sich Besitzer des Ur-MGS3 angesichts der Vielzahl wirklich toller Extras sicher nicht zweimal bitten lassen. Klaro: Die ganze Survival-Schiene war sicher nicht Kojimas beste Idee, die überarbeitete Kamera und der überraschend gut ausbalancierte Online-Modus beweisen aber, dass der Star-Designer die Zeichen der Zeit erkannt hat. Ich bin mir sicher: Metal Gear Solid 4 wird ganz groß!

Knapp 45 Euro müsst Ihr für das MGS3-rundum-glücklich-Paket berappen.

8 / 10

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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