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Dungeon Explorer, Mystery Dungeon

Hack'n'Die

Im Laufe des Mystery Dungeon-Tests stieß ich auf eine Subkultur von Gamern, die sich mit Fug und Recht als „Hardcore“ bezeichnen darf. Oder wie würdet Ihr es nennen, wenn man Spiele in Ascii-Grafik spielt, sich mit Open-Source-Programmierung zur Verbesserung dieser Games auseinander setzt und diese Spiele sich schon dadurch auszeichnen, dass der Tod eines Charakters echt und ewiglich ist? Roguelike-Games nennt sich dieses Genre. Willkommen in der Hölle des Perma-Todes.

Mystery Dungeon: Shiren the Wanderer

Der direkte Vorfahre von SEGAs Mystery Dungeon ist sicher das gleichnamige SNES-Spiel von 1995, das nie seinen Weg zu uns fand. Die eigentlichen Wurzeln liegen aber viel weiter zurück: Bei Hack und Rogue.

Ganz so Hardcore müsst Ihr dann aber doch nicht sein, denn auch wenn Mystery Dungeon seit 1995 keine Entwicklung durchmachte – selbst der Stylus-Support ist optional und letztlich eher hinderlich -, einen guten Sprung von Rogue hatte es sich auch damals schon wegbewegt. Die Knuddeloptik steht charakteristisch für die 16-Bit Ära des RPG und dürfte in den Augen eines Hack-Spielers wohl dekadent-opulent erscheinen. Die meisten von Euch wird eher ein Gefühl des warmen Old-School-Retros erfüllen.

Wohlig, warm und knuddelig endet aber sehr schnell, denn Mystery Dungeon gibt sich, zumindest nach heutigen Maßstäben, so bockeschwer, wie man es kaum noch gewohnt ist. Eben lullt es Euch noch ein, im nächsten Moment findet Ihr Euch von drei Gegnern umzingelt, jeder einzelne stärker als Ihr.

Mit den Pfeilen – alternativ einfach B beim Laufen drücken – prescht Ihr im Sauseschritt durchs Dungeon.

Jetzt heißt es die Nerven zu bewahren, denn getreu seiner Wurzeln passiert hier nichts in Echtzeit. Ihr geht einen Schritt, die Monster gehen einen, ein Schlag von Euch, ein Schlag des Feindes. Dumm nur, wenn Ihr von drei Seiten umringt seid, denn dann heißt es drei Treffer für einen Zug von Euch. Und an solchen Situationen wird es nicht mangeln, solltet Ihr zu schnell durch die 30 zufällig generierten Dungeons voranpreschen. Und dann werdet Ihr sterben. Und auf dem Ausgangslevel des Charakters – eine euphemistische Formulierung für Level 1 – zurück in das erste Dorf gesetzt. Um dort neu zu beginnen. Ganz von vorn.

Klar könnt Ihr speichern. Aber nicht, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, sondern um eine Gelegenheit zu haben, das DS auszuschalten. Ansonsten geht es immer weiter. Ohne Rücksetzpunkte, Extraleben oder ähnlichen Schnick-Schnack. Bei den ersten Toden werdet Ihr emotionale Stufen durchlaufen: Ungläubigkeit, Wut, Verbitterung, Trotz. Nicht zwangsläufig in dieser Reihenfolge. Aber sofern Ihr die Ausdauer habt, es einfach wieder zu versuchen, werdet Ihr nach und nach die Tiefe des kleinen Moduls ergründen und schätzen lernen.

Unfairness ist nämlich etwas, was Ihr Mystery Dungeon nicht vorhalten könnt. Bewegt Euch nicht zu schnell vor, nutzt alle Möglichkeiten – angefangen von Zauberrollen zum Verlangsamen der Feinde bis hin zu Fleischbrocken, die Euch zu den Feinden werden lassen –, und jedes Mal werdet Ihr etwas weiter kommen. Alte Areale werden Euch kinderleicht erscheinen, Ihr findet immer bessere Wege mit dem Monstern umzuspringen und nicht nur, weil Eure Charakterlevel höher steigt, sondern weil Ihr selbst besser in dem Spiel werdet.

Ein paar Erleichterungen sind vorhanden, die ihrerseits, wie alles in Mystery Dungeon, ein wenig strategische Planung erfordern. Die wichtigste dürfte das Lagerhaus sein, denn hier drin ist alles sicher, sobald der Tod Euch erhascht und mal wieder aller mitgeführten Gegenstände beraubt. Deponiert hier ein Schwert und geht ein wenig Gold sammeln. Verbessert die Waffe beim Schmied, aber lasst sie danach wieder im Lagerhaus. Wiederholt dies im Laufe der Zeit und schon bald habt Ihr ein Mittel, um mit ungekannter Macht einfach zum nächsten Dorf zu spazieren und dort erst mal wieder die Waffe zu verstauen, während Ihr die neuen Areale zaghaft erkundet.

Irgendwie SNESig.

Und solltet Ihr mal sterben und es wirklich, wirklich und ganz ehrlich bereuen, so sehr bereuen, dass Ihr bereit seid, auf Knien um fremde Hilfe zu flehen, könnt Ihr per Wi-Fi einen Hilferuf absetzten. Andere Abenteuer können sich jetzt auf die Suche nach Eurer von Geiern angeknabberten Leiche machen und sie wiederbeleben. Oder beim Versuch selber sterben.

Aber das gehört dazu und nachdem Ihr Euch mit dem Risiko angefreundet habt, beginnt Ihr, mit der Gefahr zu flirten. Jedes neue Areal bietet neue Gefahren, die es mit Vorsicht und ohne Rettungsnetz zu ergründen gilt. Seht es einfach so: Als die Ringgefährten Moria betraten, haben sie auch nicht vorher gespeichert. Und das Gefühl der Erleichterung, lebend das nächste Dorf erreicht zu haben, verbindet sich mit ein wenig Stolz, eine gefährliche Reise beendet zu haben.

Rein von der Wegstrecke her ist diese Riese nicht allzu lang und es hängt sehr davon ab, wie zügig Ihr durch die Level marschiert. Dreißig, bei jedem Betreten neu „ausgewürfelte“, gibt es an der Zahl und bevor Ihr das erste Mal die goldene Stadt betretet, dürfte ein Weilchen vergehen.

Trotzdem wird die Angst zu sterben wohl die Masse der Spieler irgendwann davon abhalten, Mystery Dungeon so zu erleben, wie es sich das Genre so denkt. Solltet Ihr also schon Final Fantasy 3 ankreiden, dass Ihr nicht überall und jederzeit speichern dürft, dann könnte dieser Sprung zu tief und das Wasser dann zu kalt sein.

Bekennt Ihr Euch aber zu der alten Härte eines Nethack, findet Ihr hier alle „Tugenden“ in einem ansehnlichen Gewand: Perma-Tod, Zufallsdungeons, hammerharte Monsterhorden, Items ohne Ende. Aber auch nächtelange, spannende, taktisch anspruchsvolle Wanderungen.

Eigentlich müsste ich jetzt zwei Wertungen vergeben. Eine für die Masse der Spieler, was ich an dieser Stelle ausdrücklich nicht negativ konnotiere. Ihr wollt nicht ständig sterben und immer von vorn anfangen, ich habe Verständnis, es ist ok. Mystery Dungeons Note für Euch müsste recht niedrig ausfallen. Dies wäre aber dem Spiel und dem, was es ist und sein will, gegenüber unfair. Jenseits der Masse bietet es ein archaisches Konzept in Reinst- und Bestform und ein kleines Kunstwerk für alle, die sich Rogue-Fans nennen. Dies ist Euer Spiel. Kauft es. Sofort. Wer weiß, ob es noch mal eins auf kommerzieller Basis gegeben wird.

Dungeon Explorer – Warriors of the Ancient Arts und Mystery Dungeon – Shiren the Wanderer sind ab sofort auf dem DS für jeweils ca. 40 Euro zu haben.

6 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Dungeon Explorer

PSP, Nintendo DS

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Über den Autor
Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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