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Everlight: Elfen an die Macht

Deutscher Junge im Wunderland

Fenny ist hingegen diejenige, die das Spiel an sich reißt und ab und an auch das über die Hauptfigur sagt, was man sich als Spieler denkt. Vielleicht hätte sie die Hauptfigur sein müssen - oder ein besserer Melvin. Jedenfalls nicht der brave, kleine Melvin, dem erst noch Haare auf der Brust wachsen müssen.

Dessen Passivität dürfte der Grund sein, warum man sich bei Everlight an einigen Stellen fast ein wenig zum Weiterspielen zwingen muss. Und das ist wirklich schade, wegen all den Dingen, die das Spiel so richtig macht, dass man den Schöpfern von Silver Style dafür die Backe küssen möchte.

Schmatzer für Silver Style

Das Hilfe-System macht jeden Internet-Walkthrough und jedes teure Lösungsbuch hinfällig, das ist Komfort!

Da wären nicht nur die Komfortfunktionen zu nennen: Melvin kann wahlweise laufen oder gehen, die Steuerung funktioniert mit zwei Maustasten denkbar einfach, es gibt schnelle Bildschirmwechsel, mit nur einem Klick darf man auf eine Übersichtskarte wechseln und per Tastendruck kann man alle Gegenstände und Ausgänge eines Bildschirms anzeigen lassen. Dazu wird auch noch ein perfektes Hilfe-System serviert, das Everlight auch für Leute interessant erscheinen lässt, die Adventures wegen der frustrierenden Hänger-Perioden nicht mögen. Sprich: Immer wenn Ihr nicht weiter wisst, wechselt Ihr einfach in Fennys Notizbuch und seht Euch ihre Tipps an. Zu jedem der meist einleuchtenden Rätsel könnt Ihr Euch bis zu drei Hinweise geben lassen – wie oft das insgesamt funktioniert, entscheidet der anfangs gewählte Schwierigkeitsgrad.

Die Synchronisation ist schlichtweg gut gelungen. Die Stimmen passen zu ihren virtuellen Mündern und besitzen meist die richtige Würze. Etwas irritierend mag für manche der leichte deutsche Akzent sein, den man ab und zu durch hört, aber wie schon gesagt, ist Everlight insgesamt ohnehin ein typisch deutsches Spiel. Umso irritierender ist da, dass im Hintergrund permanent dieselbe liebliche Musik dudelt, die frappierend an den französischen Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“ erinnert. Die ist zwar an sich sehr schön, aber im Gegensatz zum vermeintlichen Vorbild viel zu abwechslungsarm. Nach einigen Spielstunden nerven die immer wieder kehrenden Stücke einfach.

Vergesst mir die Technik-Fetischisten nicht

Die gestochen scharfe Grafik fängt Tallen stimmungsvoll ein, hat aber ihren Preis.

Sieht man sich die Rückseite der Everlight-Box, stutzt man. Einen 2 Gigahertz-Prozessor als Mindestanforderung für ein Adventure? Ob das eine zielgruppengerechte Entscheidung ist? Wahrscheinlich hätte Silver Style das mit viel technischer Optimierung noch ein wenig runterdrehen können, aber wenn man die wiederverwendete Simon the Sorcerer 4-Engine in Aktion erlebt, dann versteht man die Systemvoraussetzungen.

Auf den detailreich gerenderten Hintergründen wandern fotorealistisch anmutende 3D-Figuren. Die Entwickler haben viel getan, um den Szenen Leben einzuhauchen: Schatten- und Nebeleffekte ziehen über das Bild, während Wolken über den Himmel wandern, Mäuse wuseln am Boden und die Kamera wechselt vor allem in den Gesprächen immer wieder die Position. Manchmal wirkt es komisch, wenn ein massiver Eisenkäfig im Wind schaukelt, während die Blätter eines Baums sich nicht bewegen. Aber das sind unwesentliche Details, die nur beim pedantischen Hinsehen auffallen. Grafisch gehört Everlight somit in die höchste internationale Klasse.

Bemerkbar macht sich das nicht nur bei den Anforderungen an den PC, sondern auch in etwas längeren Ladezeiten beim häufigen Ortswechsel. Fünf bis 15 Sekunden sind einfach zu viel, wenn man wie in Everlight viel zu rennen hat. Dadurch werden die Laufwege insbesondere auf Mittelklasse-Rechnern neben Melvins Passivität zum zweiten und letzten wesentlichen Motivationskiller.

Everlight macht prinzipiell sehr viel richtig, und nur ganz wenig falsch. Und doch vermochte es mich nicht so ganz zu packen. Über die langen Ladezeiten könnte ich wohl hinwegsehen, und auch die repetive Musik ist mit Sicherheit nichts, was man als Spieler nicht schon zu ignorieren gelernt hätte. Also liegt es wohl am zu mutlosen Babyface-Hauptcharakter, der einfach nicht den nötigen Drive vermittelt. Aber das ist bestimmt auch ein wenig Geschmackssache. Trotzdem ist Everlight einen Blick wert – insbesondere dann, wenn Ihr typisch deutschen Humor mögt und Euch mit einem Fantasy-Szenario anfreunden könnt, das sich selbst nicht allzu ernst nimmt.

Everlight ist im Handel erhältlich.

7 / 10

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