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Fight Night Round 3

Meister aller Klassen?

8. März 1971 - Der Kampf des Jahrhunderts. Muhammed Ali vs. Joe Frazier, Runde 9: Die letzte Runde lief schlecht für Ali, Joe Frazier konnte gleich mehrere Kopftreffer landen und Ali blutet aus einem langen Cut über dem linken Auge. Noch 20 Sekunden Pause, dann muss er sich erneut in den Ring werfen. Gierig saugt er die Luft mit schnellen Atemzügen in seinen erschöpften Körper. Sein Trainer schreit auf ihn ein, ruft irgendwas von „heb die Linke...er hat rechts Probleme...man hör zu...die Gerade...und jetzt auf, mach ihn fertig!“. Die Glocke erklingt. Langsam stemmt sich Ali nach oben und schaut seinen Gegner an. Frazier ist auch gezeichnet, doch seine Dampfhammer-Arme wippen noch wie in der ersten Runde bei jedem seiner Schritte.

Lauernd nähert sich Ali seinem Opponent, achtet auf jeden Schritt, jedes Zwinkern. Da explodiert die Gerade auf ihn zu und nur mühsam gelingt es ihm, dem wuchtigen Schlag auszuweichen. In der Rückwärtsbewegung holt er aus und schlägt einen rechten Schwinger in Fraziers Rippe. Mit einem Stöhnen entfleucht Frazier die Luft und er krümmt sich zusammen. Schnell stößt Ali nach und bringt eine Serie von Schlägen gegen Joes Kopf unter. Doch Frazier gelingt es, seine Deckung hochzubringen und die meiste Kraft landet im Futter der Handschuhe. Wie aus dem Nichts fliegt ein linker Haken durch die Deckung und trifft mit einem weißen Blitz Alis Kinn. Seine Sicht verschwimmt, Blut läuft aus einer Wunde. Frazier ist es gelungen, mit einem Schlag das Glück zu wenden. Nun schlägt sich der Champion in Rage und landet ein Treffer nach dem anderen. Auf einmal verlangsamt sich die Zeit für Ali und sein Gehörsinn schwindet. Ein weiterer Treffer und alles ist vorbei, neiiiiiin. Game Over.

Atmosphäre pur

Pumpend sitze ich vor der Playstation 3 und umklammere immer noch verzweifelt den Controller. Wie aus einer Trance erwache ich von der härtesten Boxpartie, die ich außerhalb eines Rings erleben durfte. Electronic Arts spendierte der Playstation 3 Fassung von Fight Night Round 3 einen neuen Spielmodus, der sich schlicht „Get in the Ring“ nennt. Ein simpler Sichtwechsel, der zwar das Spiel um einiges schwerer macht, aber eine Intensität in die Kämpfe transportiert, die ich vorher bisher noch nie so erleben durfte. In dem der Spieler das Geschehen aus den Augen des Boxers verfolgt, wird, verstärkt durch diverse Effekte, eine glaubhafte Illusion eines realen Boxkampfes erzeugt. Lediglich in den Pausen bricht diese Sicht auf. Man darf sich selbst ansehen, wie man zerstört und erschöpft auf dem Stuhl sitzt. Doch schon direkt nach der Pause ist man wieder in dem Körper gefangen, der sich mit laut rasselnden Atemzügen in den Ring schleppt. Verschwommene Sicht, Blut im Blickfeld, sogar die weißen Blitze bei harten Treffern, viel wirklichkeitsgetreuer geht es nicht mehr. Electronic Arts hat sich damit selbst übertroffen und eine atmosphärische Meisterleistung abgelegt.

Blut, Schweiß und Tränen – Aus dieser Perspektive wird das Adrenalin und die Anspannung nahezu greifbar.

Trotzdem müssen sich die Entwickler die Frage gefallen lassen, warum man diese nervenaufreibende Perspektive nur in einfachen Einzelkämpfen nutzen kann. Warum ist es unmöglich, damit auch den Karriere-Modus zu bestreiten? So wird aus einer genialen Neuerung ein zahnloses Feature. Der einzige plausible Grund für diese Entscheidung ist der deutlich höhere Schwierigkeitsgrad. Es ist extrem schwer, bei diesem Modus die Entfernung zum Gegner einzuschätzen. Gerade Haymaker werden so zu einem Glücksspiel, das auch mal ganz gern in einem heftigen Konter enden kann.

Aber ganz ehrlich? Als Boxer ergeht es einem recht ähnlich. In der Realität besitzt man keine Außenansicht und muss in vielen Jahren des Trainings die richtigen Taktiken erlernen. So funktioniert „Get in the Ring“ als Simulation hervorragend, auch wenn es sich deutlich schwerer und unkomfortabler als die klassische Perspektive spielt. Hier heißt es „nicht aufgeben“ und ganz wie echte Boxer so lange durchbeißen, bis man auch diese Perspektive gemeistert hat.

Details hui, Ladezeiten pfui

Immerhin ist es nicht die einzige Verbesserung, die dieser Ausnahmetitel von EA Canada spendiert bekam. Besonders gelungen sind die neuen Boxermodelle, die durch feinere Texturen und mehr Effekte noch echter wirken. Bestes Beispiel hierfür sind die detaillierten Adern, die bei Anstrengung geradezu dem Zuschauer entgegen springen sowie die erhöhte Schweißproduktion, die Bäche von Flüssigkeit am Körper hinunter laufen lässt. Da kann man auch das fehlende Anti-Aliasing verschmerzen, das die Xbox 360 Fassung mit einem milchigen Glanz überzog und die Treppenbildung verminderte. Im Prinzip bleibt es aber ein klarer Fall von Geschmackssache, denn keine der beiden Versionen kann sich optisch absetzen. Lediglich bei den Ladezeiten müssen Playstation 3 Besitzer deutlich mehr Sitzfleisch mitbringen. Der Vergleich zu anderen Titel zeigt hier, dass die Entwickler in diesem Punkt die Konsole scheinbar noch nicht richtig im Griff haben.

Von wegen, alle Boxer haben eine tolle Figur: Auch mit solchen Schwabbelbacken kann man Kämpfe gewinnen

Übrigens muss man auch die spielerischen Unterschiede in den normalen Spielmodi mit der Lupe suchen. Hier und da fehlt ein Boxer oder das Krafttraining wird jetzt schräg von unten gezeigt. Unterm Strich erwartet den Spieler genau das gleiche Spielerlebnis wie schon vor einem Jahr auf der Xbox 360. Da wir den Titel seinerzeit nicht testen konnten – da gab es uns schließlich noch nicht -, verweise ich an dieser Stelle auf den Test unserer englischen Kollegen, der recht gut die Essenz dieses Titels wieder gibt. Mitreißend, spannend, brutal und grafisch einmalig war also auch schon die alte Version, klar, dass diese Attribute somit ebenfalls auf die Playstation 3 Fassung zutreffen. Besonders, weil es EA gelungen ist, auch ohne Xbox Live einen hervorragenden Mutiplayer-Part hinzulegen. Profil anlegen, Statistiken und selbst das Matchmaking funktionieren einwandfrei.

Electronic Arts setzt damit eine neue Benchmark für andere Sony-Titel und beschert gleichzeitig den Beweis, dass man mit genug Aufwand auch im Sony-Netzwerk ein perfektes Online-Erlebnis abliefern kann.

Wie schon vor 36 Jahren, stehen sich auch 2007 zwei fast ebenbürtige Gegner gegenüber. Doch der Kampf zwischen Playstation3 und Xbox 360 wird nicht an einem Titel festgemacht, sondern erst in den nächsten Monaten endgültig entschieden. Jetzt, hier und heute, gelingt es der Playstation 3 Fassung von Fight Night Round 3 nicht, sich deutlich von der direkten Konkurrenz abzusetzen. Im Detail wird zwar mit schickeren Texturen und einem fesselnden neuen Spielmodus gepunktet, doch kleinere Mängel sorgen für Lücken in der Deckung und lassen am Ende keinen Gewinner zu. So bleibt Fight Night Round 3 ein erstklassiges Sporterlebnis, das sich kein Boxfan entgehen lassen sollte. Wer allerdings das Spektakel schon auf der Xbox 360 genießen konnte, findet hier kaum etwas Bahnbrechendes, um sich beide Versionen zuzulegen.

Fight Night Round 3 erscheint am 23. März für die Playstation 3.

8 / 10

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