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Fränkel frotzelt: Alt, aber geil

Jungbrunnen Retro-Spiele

Es gibt Momente im Leben eines Mannes, da stellt er fest: Junge, du hast wirklich nicht mehr alle Semmeln im Brotkasten. Mir ging es kürzlich so, als ich meinen ollen Commodore 64 rauskramte, um ein wenig in Nostalgie zu schwelgen. Jetzt mal unter uns: Wie beknackt muss man sein, sich in heutigen Zeiten freiwillig vor eine Datasette zu hocken? Unter dem Motto: Wenn schon oldschool laden, dann richtig! Also ohne 1541-Schnick- und Final-Cartridge-Fast-Load-Schnack. Um letztlich Spiele zu daddeln, die grafisch nur unwesentlich besser aussehen als ein Wiener Schnitzel, und zwar ein halb verdautes. So was machen doch höchstens Verrückte! Menschen, die in Häusern mit Wänden aus vulkanisiertem Kautschuk leben, Neuroleptika schlucken oder Florian-Silbereisen-CDs kaufen. Aber WIR doch nicht! Wir Retro-Fans doch nicht!

Na ja … wenn man ganz ehrlich ist, haben Retro-Fans natürlich doch einen an der Klatsche. Auch meinereiner kommt als Kind der Siebziger und Achtziger durchaus auf die Idee, sich um der alten Zeiten Willen beispielsweise einem antiken Strip-Poker-Spiel zu widmen. Wenngleich dabei auf der Mattscheibe ungefähr so viel zu erkennen ist wie bei einer Schwangerschafts-Ultraschallaufnahme. Denkt Ihr nicht auch hin und wieder wehmütig ans Jahr 1986 zurück, als Ihr vor einem 1084s-Monitor gehockt seid, mit der linken Hand am C64-Resetschalter und der rechten unterm Tisch, irgendwo im Pixelgedöns mittig links Samanthas Warzenvorhöfe zu erspähen glaubend? Wie? Nein? Äh … ich habe so was natürlich auch nie gemacht. Nur davon gehört. Von einem Freund, hust. Doch ich schweife ab.

Retro ist hip. Dummerweise leide ich ein wenig unter Paranoia, was den Spaß zeitweise etwas trübt. Wenn ich Decathlon daddeln will, lasse ich wegen meines Verfolgungswahns stets die Jalousien runter. Schließlich könnten die Nachbarn durchs Wohnzimmerfenster sehen, wie sich ein erwachsener Mann ganz gewaltig zum Obst macht. Schlimmer noch, sie könnten das verkrampfte Gerubbel am Competition-Pro-Joystick zwischen den Beinen missinterpretieren, heimlich filmen und das Ergebnis bei Youtube einstellen. Ne, das muss ich wahrlich nicht haben.

Noch erschreckender finde ich allerdings, wie weit mich meine Sammelleidenschaft mittlerweile getrieben hat. Ich muss jedes Spiel in fünffacher Ausführung besitzen. Eine Box-Variante, eine nackte Disk als Sicherheitskopie und zum Spielen, ein Exemplar auf Tape, eine Version in der ungeschnittenen turkmenischen Fassung und – natürlich – eine originalverschweißte Variante. Besonders die fabrikneu verpackten Uralt-Games bewache ich wie die Amerikaner ihr Fort Knox. So viel Pedanterie kann sich sogar negativ auf den Freundeskreis auswirken. Als neulich der Sohnemann eines Kumpels tatsächlich den Frevel beging und ein nigelnagelneues Archon in meinem Regal berührte, reagierte ich eventuell etwas über. Aber das kleine Stinktier hätte schließlich die Folie beschädigen können, oder? Also wurde ich ungehalten. Ziemlich. Jetzt muss der Dreikäsehoch regelmäßig zum Kinderpsychologen und mein Bekannter hat mir die Freundschaft gekündigt.

„Du, Torben-Hendrik, wie alt bist du eigentlich?“

„Sechs.“

„Alles klar, dann SOFORT FINGER WEG VON DEM SPIEL, SONST WIRST DU NÄMLICH KEINE SIEBEN!“

*RABÄÄÄÄÄÄHHHHEULFLENN!*

Ach egal, ich pfeif drauf. So ein toller Kumpel war der Erzeuger des Balgs nun auch wieder nicht. Außerdem fühle ich mich auch ohne großen Freundeskreis geliebt. Mein privates E-Mail-Postfach ist schließlich jeden Tag proppenvoll! Denn ich als Sammler nutze selbstverständlich die automatische Suchfunktion von Ebay, damit mir bloß kein Schätzchen entgeht. Und warum ich das alles mache? Weil ich nicht an Hyaluronsäure, Q10 und Kollagen in Cremes glaube und stattdessen lieber alte Klassiker spiele, um mich jung zu fühlen. Deshalb mein Rat: Falls auch Ihr die kürzlich dahingeschiedene Klementine noch aus dem Werbefernsehen kennt und Euch obendrein ertappt habt, dass Ihr Euer Spiegelbild neuerdings siezt, ist die Zeit reif für eine Sitzung mit einem Commodore 64.

In diesem Sinne: schönes Leben noch!

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Über den Autor

Harald Fränkel

Contributor

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