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Fränkel frotzelt: Großes Kino!

Nachschlag zum Thema „Killerspiele“

Großes Kino. GANZ GROSSES KINO! Und damit meine ich jetzt nicht etwa die Aktion vom Wochenende, bei der Actionspiel-Gegner in Stuttgart sogenannte „Killerspiele“ sammeln und in einer Müllverbrennungsanlage dem lieben Gott übereignen wollten.

Okay, es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dort ein Container rumstand, mit dem man die Villa der Kelly Family oder halb Stuttgart komplett hätte entrümpeln können, während ich bei meinen Recherchen letztlich nur drei Spiele darin zu entdecken vermochte. Was für ein Glück, weiter kann ich als Mensch mit „niedrigem Intellekt“ (Zitat eines Aktivisten) ja eh nicht zählen.

Eine kurze Sicherheitsüberprüfung vor der Heimfahrt ergab übrigens, dass sich meine Kontaktlinsen, die eine geringe Sehschwäche von minus 8,5 Dioptrien ausgleichen, fest im Auge saßen. Außerdem zwang ich meine Assistentin Mone, siebenmal nachzuzählen, weil ich es nicht recht fassen konnte. Assistentin klingt irgendwie saucool. Dabei ist es natürlich nur meine Freundin. Na ja.

Die neuen Wii-Controller wirken nur auf den ersten Blick sperrig.

Irgendwann im Laufe des späten Nachmittags soll sich indes heimlich, still und leise noch eine weitere blutrünstige Hightech-Software mit superrealistischer Grafik zu dem Trio gesellt haben: Small Soldiers für den Game Boy. Bei Stigma-Videospiele.de gibt’s das Beweisbild.

An irgendwelchen Verschwörungstheorien, wonach die Veranstalter oder das Fernsehen zwei der „Killerspiele“ selbst gekauft hätten – die Dinger waren eingeschweißt und eins trug noch ein Preisschild – will ich mich nicht beteiligen. Meine Glückwünsche spreche ich aber den Journalisten-Kollegen aus, die überall die Mär verbreiteten, sie hätten etwa zwei Dutzend Spiele gesehen, inklusive Counter-Strike. Diese Herren oder Damen haben entweder Adleraugen, ein Drogenproblem oder verfügen über einen beneidenswerten Optimismus. Der Container ist nicht halb leer, der Container ist halb voll und so, ihr wisst schon. Wenn alle Menschen so unerträglich positiv happyhippomäßig drauf wären, könnten sich Psychologen und Psychiater echt das Leben nehmen. Oder untereinander therapieren.

Wobei: Mit etwas gutem Willen sind vier Spiele schon irgendwie zwei Dutzend. Schließlich leiden wir ja leider nicht alle unter dem Savant-Syndrom wie Daniel Tammet, der die Kreiszahl pi innerhalb von fünf Stunden bis auf 22.514 Stellen nach dem Komma aus der Erinnerung wiedergeben kann. Deshalb kann es wohl mal zu kleineren Rundungsfehlern kommen. Mann Leute, manchmal schäme ich mich für meine Zunft!

Doch ich schweife ab, das ist jetzt eine etwas längere Einleitung geworden. Großes Kino war das eigentliche Thema. Darauf wollte ich hinaus. Auf GANZ GROSSES KINO.

In Aufklärungsfilmen sehen Fensterputzerinnen immer so albern aus.

Und zwar geht’s um das Schießkino in der Eutiner Rettberg-Kaserne, einen Kampfsimulator, der 370.000 Euro gekostet hat. Dort trainieren Soldaten mit Elektrowaffen den Ernstfall. Dieser Simulator wurde neulich ein paar Achtklässern der Hauptschule Süseln vorgeführt, wobei ein Oberstaatsfeldwebel nach Angaben der Lübecker Nachrichten protzte, dass das Ding „tausendmal besser als jede PlayStation ist“. Jetzt regen sich natürlich alle auf, besonders die Politiker.

Ist aber auch irgendwie komisch, und ich meine komisch im Sinne von komisch, nicht im Sinne von seltsam: Rund um Winnenden und anderswo mühen sich Kritiker von Spielen ab, dass eigentlich für Erwachsene produzierte Actiontitel verboten werden, weil es die Jugend zu schützen gilt. In Berlin kämpfen sich USKler durch Milliarden von Spielen, stapeln im Sinne ihrer „Sichterbibel“ (gibt’s wirklich!) Pixelleichen und zünden Lazarettzelte an, um herauszufinden, Menschen welchen Alters dies zumutbar scheint. Und in Eutin zeigt man 13- bis 15-Jährigen, wie schweinegeil ein Kampfsimulator doch ist.

Was kommt als nächstes? Das Bundesfamilienministerium lädt Viertklässer ein und zeigt ihnen im Rahmen des Sexualkundeunterrichts filmische Meisterwerke wie Pulp Fickschön, Pornocchio, Dornmöschen sowie Analdin und die wunde Schlampe?

Wenn ich so drüber nachdenke, ist das vielleicht gar nicht mal das Schlimmste. Das Schlimmste ist (das wissen nicht nur Menschen mit Kindern), dass die Bälger alles haben wollen, was sie mal gesehen haben. Jahaaa, liebe Eltern aus Süseln, freuen Sie sich schon mal auf die Weihnachtseinkäufe.

In diesem Sinne: schönes Leben noch!

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Über den Autor

Harald Fränkel

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