Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Gothic 3

Rock around the clock

Denn die meisten Gegner verstecken sich in Höhlen oder lauern in dichten Wäldern. Da die Designer offenbar mehr physikalischen Realismus in Spiel einbringen wollten, verlangsamt sich unser Lauftempo jetzt merklich in aufsteigendem Gelände - und kommt an steilen Abhängen zum Stillstand. Gute Idee eigentlich. Weil aber keine Höhle und kein Wald - ja eigentlich nichts in Myrtana - vollkommen ebenerdig oder kerzengerade ist, bleibt der Held gelegentlich mal zappelnd an kleinen Bodenerhebungen hängen ... während die Minecrawler einem buchstäblich den Arsch versohlen. Ein Bug, dem Piranha Bytes unbedingt seine Aufmerksamkeit schenken sollte! In Verbindung mit den teilweise etwas seltsamen Wegen, die manche NPCs einschlagen wollen, ergeben sich skurrile Szenen mit abgehackt hinter Felsen zuckenden Riesenungetümen, die ein sumpfkrautbenebelter Mensch aus drei Metern Entfernung seelenruhig mit Pfeil und Bogen zu Tode foltert. Ich sag nur Orkramme, und Eingeweihte wissen, was gespielt wird.

Das lodernde Flammenschwert zieht mit seiner aufwändigen Animation locker 10% der Rechnerpower. Deswegen lasse ich es außerhalb von Kämpfen im Rucksack!

Oblivion flüssiger, Gothic atmosphärischer

Kommen wir wieder zum Augenscheinlichen. Die Spielgrafik ist wirklich klasse, und 50% der genialen Gothic-Atmosphäre wird allein durch die Optik erzeugt, mit ihren wundervollen heruntergekommenen Dörfern und zwielichten Wäldern, Flüssen und Seen, Bergen und Tälern. Weitere 25% kommen übrigens aus dem tollen Symphonie-Orchester-Soundtrack. Mir fehlt das prosaische Talent, um hier dick genug aufzutragen. Begnügt Euch deshalb bitte mit einem ganz und gar unromantischen supergeil. Ein Vergleich mit dem vorherigen RPG-Throninhaber könnte helfen. Oblivions 3D-Engine läuft meiner Meinung nach etwas flüssiger als die von Gothic, aber die Piranha-Bytes-Welt wirkt insgesamt lebendiger und natürlicher – frisst dabei leider mehr Systemressourcen. Sowohl im Freien als auch in Gebäuden und Höhlen erscheint (in der höchsten Detailstufe auf einem schnellen SLI-System) alles fast zum Anfassen echt. Und anfassen kann man überall eine Menge: in den Häusern und Burgsälen stehen gefüllte Schüsseln, Obstkörbe und Tränke herum, und goldene Kelche und Vasen führen Langfinger in Versuchung. Beherzt zugreifen sollte man trotzdem nur, wenngerade keiner hinsieht, denn man kann es sich mit den Einwohnern ebenso schnell versauen wie einst in Gothic 2. Schon eine versehentlich eingesteckte Karotte reicht da. Einmal als „Du dreckiger Dieb!“ abgestempelt, ist man beim Mithumanoiden unten durch. Da hilft nur noch der Vergessen-Zauber. Zum Glück ist der Kontinent Myrtana weitläufig genug, so dass es für jede Ware (z.B. Nachschub an Pfeilen oder Alchemiezutaten) mindestens drei oder vier Händler gibt, die man mit seinen Teleportsteinen in wenigen Minuten komplett abgrasen kann. Da macht's dann gar nichts aus, wenn ein wichtiger Händler bei einem bedauerlichen Unfall ums Leben kam oder der Ruf in einer Stadt im Eimer ist. Durch das neue World-of-Warcraft-ähnliche Reputationssystem sprechen sich kleine Schandtaten ohnehin nicht gleich im ganzen Land herum. Jede Stadt und jede Fraktion hat ihr eigenes Ehrenpunktekonto, und selbst nachdem man die eine oder andere erfolgreiche Sklaven-Rebellion angezettelt hat, ist man zehn Kilometer südlicher ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Das Konzept aus Teil 2, dass der Zutritt zu bestimmten, besseren Stadtteilen erst mühsam verdient werden muss, wurde beibehalten. Natürlich zählt jetzt der gute Ruf als Eintrittskarte. Und wie verdient man sich Ruf? Richtig, durch Quests! Was gibt’s als Belohnung? Noch mehr Quests! Die sind zum Glück sehr abwechslungsreich, und bestehen nur selten im öden Einsammeln von X Gegenständen des Typs Y. Mal eskortiert man, mal kontaktiert man, mal duelliert man, mal stiehlt man, mal drückt man einfach nur Kohle ab.

Spoiler, Spoiler! Zeitgenossen, die noch nicht zu viel über das Attributsystem wissen wollen, klicken besser nicht auf dieses Bild.

Wenn man nicht gerade als gefeierter Held in einer Siedlung einen Quest abgibt oder staunend durch eine der drei Klimazonen (Eislandschaft, hügeliges Grünland, Wüste) sprintet, befindet man sich aller Wahrscheinlichkeit nach im Kampf! Oder ist gerade beim Laden eines Savegames, was mit 1-2 Minuten eine gefühlte Ewigkeit dauert. Nehmen wir der Einfachheit halber an, es sei der Kampf. Gothic 3 unterscheidet da drei Gattungen: Nahkampf, Fernkampf und Magie. In allen drei Schulen kann jedermann beliebig viele seiner Lernpunkte investieren, und eine Spezialisierung erfolgt nur noch, wenn der Spieler dies möchte. Spezialisierung bringt durchaus Vorteile. Wenn in den entsprechenden Grundattributen „Altes Wissen“, Jagdgeschick und Stärke bestimmte Punkteschwellen erreicht sind, können nämlich rund 50 coole Spezialtalente erlernt werden. Die Fähigkeit „Orkjäger“ als Beispiel erhöht den Pfeilschaden gegen Nashörner ... Unsinn ... Orks. „Schnelles Lernen“ im Magie-Talentbaum gewährt pro Stufenaufstieg nicht nur die üblichen zehn sondern elf Lernpunkte. Nahkampf-orientierte Spieler werden das Talent „Kampf mit zwei Waffen“ anstreben, um ihren Damage-Output zu maximieren. Im Nahkampf ebenso wichtig wie Damage ist natürlich der eigene Rüstungsschutz. Mit dem strikten Fraktionszwang hat Piranha Bytes auch die Kleiderordnung über Bord geschmissen. Das nötige Kleingeld vorausgesetzt - 60.000 Goldstücke oder mehr muss man für eine mittelgute Rüstung schon einplanen -, kann jetzt auch ein berüchtigter Rebell ohne Probleme eine Elite-Orksöldner-Rüstung beim Händler um die Ecke kaufen.

Jetzt gibt’s Revanche!

Manchmal bleibt der Held im Kampf an eigentlich gut überwindbaren Hindernissen hängen. Piranha Bytes muss hier noch nachbessern.

Blenden wir mit diesem Wissen zurück zur Eingangsszene. Klick-klick-klick. Aua! Klick-klick. Der Namenlose erscheint. Der mittlerweile erfahrene und an vielen Orten willkommene Jäger holt den schweren Bogen von der Schulter und tritt langsam 20 Schritte vom Kampfgetümmel zurück. Ich wähle einen Feuerpfeil und spanne meine geliebte Susi. Konzentration! Die Atmung flacht ab. Nach etwa einer Sekunde signalisiert das Knirschen der Sehne Schussbereitschaft. Das kleine V am Bildschirm sitzt in perfekter Position vor dem Brustkorb des Ziels. Der Zeigefinger löst sich von der Maus, der Pfeil löst sich von Susi und der Ork löst sich vom Boden. Ein letzter Kamerad des tot Zusammengebrochenen stürmt schreiend auf mich zu. Ich ziehe Flammenschwert und Schild und gehe mit der rechten Maustaste in Verteidigungsposition. Ein kurzer Linksklick und der Angreifer taumelt blutend von mir zurück. Danach Linksklick lang, Rechtsklick kurz. Der Ork ist Geschichte. So geht das also! Übung macht eben den Meister - das galt in Gothic schon immer. Das neue Kampfsystem gefällt mir. Mir persönlich hätte eine getunte Gothic-2-Steuerung zwar mehr zugesagt, aber auch die neue ist voll okay. Manche Spezialtalente, wie etwa der Kampf mit zwei Schwertern, hätten sich mit der alten Steuerung auch gar nicht realisieren lassen.

Dieses Spiel ist so heiß wie meine Grafikkarte nach sechs Stunden 3D Mark 06! Gothic 3 bietet - außer Reitpferden - alles, was ich mir erwartet habe. Der Funke sprang sofort auf mich über, und ich werde das Abenteuer sicherlich dreimal durchspielen - weil ich es sowohl aus der Perspektive des spezialisierten Magiers, des Kriegers und des Bogenschützen erleben will. Das vielgelobte Oblivion schaffte es nicht, mich dermaßen in seinen Bann zu ziehen. Wir geben der aktuell vorliegenden Programmversion 9 von 10 Punkten, und verbinden die Wertung mit einem Quest für die geknechteten Morras von Piranha Bytes: „Der Schläfer befiehlt, die noch verbliebenen Bugs zu finden und rasch zu vernichten! Außerdem möge man sich den Programmcode dreimal durchlesen, um Wege zu finden, die Grafik-Performance auf allen PCs noch zu verbessern und vor allem die Ladezeiten zu verkürzen! Wenn Euch dies gelingt, so soll der zehnte Wertungspunkt Euch gehören, und Ihr sollt frei sein!“

Werden sie das schaffen? Vielleicht haben sie es ja vorgestern schon geschafft oder heute morgen. Ein Patch für den Veröffentlichungstag ist bereits seit längerem angekündigt. Eine telefonische Nachfrage bei Koch Media ergab gestern nichts neues: man wisse nicht, wann genau der Patch kommt, und welche Probleme er im Einzelnen behebt, aber relativ sicher sei, dass ein Bugfix noch diese Woche kommt. Wir bleiben am Ball für Euch.

Jemanden vernünftig über einen Titel mit solch vielfältigen Features und gigantischen Ausmaßen zu informieren, ohne dabei zuviel zu erzählen, fällt schwer. Wo soll man anfangen, welche Details erwähnt man, und was lässt man aus? Das furchtbare Wort „Spoiler“ hängt die ganze Zeit drohend über einem. Sollten also noch individuelle Fragen offen sein, so beantworten wir die gerne in unserem Forum.

Gothic 3 bis zu 100% schneller machen: Wir haben die besten Tuning-Tipps für Euch!

9 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Gothic 3

PC

Verwandte Themen
PC
Über den Autor

Thomas Borovskis

Contributor

Kommentare