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Guitar Hero on Tour: Decades

Rock ist Schmerz

Es ist der unvermeidliche Weg jeden Rockstars: Vom Untergrund in den Mainstream, vom Kultstatus zum Megastar. Poptheoretiker wissen es schon länger: Wenn die Musik die Subkultur verlässt, verliert sie an Symbolkraft. Die Zeichen, die eine Subkultur ausmachen, werden ausgehöhlt, Wertvorstellungen verkommen zu Phrasen, die Authentizität wird zur Maskerade. So wird aus einem Anarchy in the UK ein lustiger Button aus dem H&M-Angebot.

Dieses Schicksal blüht Guitar Hero. Ein einstiges Kultobjekt, ein Liebling der Gamer-Community, weil es einfach ein frischer Wind war und am Anfang kaum Support hatte, wird immer mehr zum reinen Franchise-Unternehmen. Das erste Guitar Hero trennte noch den spielenden Musikliebhaber vom reinen Zocker mit wenig Know-How über die Historie des Rock. Hier konnte sich endlich das jahrelange Sammeln von Vinyl-Kostbarkeiten auszahlen.

Doch auch der unbedarfte Plastikgitarrenrocker lernte in den ersten zwei Teilen etwas über Popkultur und Rockikonen. Inzwischen ist Guitar Hero nunmehr ein Vermarktungstool, eine Möglichkeit für Plattenfirmen, Bands zu platzieren. Mussten die ersten beiden Teile noch mit Coversongs auskommen, da die Labels sich wie verängstigte Muttertiere an ihre Lieblinge krallten, stehen die Zeichen nun auf Verkaufsplattform. Immerhin: Es gibt jetzt Originale aller Stücke.

Aber es sind Originale, die bedenklich stimmen. Mal ehrlich: Tokio Hotel, auch ohne jetzt eine Neiddebatte oder „bäh, ich mag deine Bands nicht“-Kindereien anzuzetteln, gehörten sicher nicht zu den Lieblingsformationen der Guitar Hero-Freaks. Dass man nun munter die Stücke der vier deutschen Pubertätsbolzen runterrotzen darf, ist ein klares Signal: Hier geht es nicht mehr um den Rock, nicht mehr um den Liebhaber, der gerne ein wenig Led Zeppplin oder Nirvana schmettern möchte.

Mal ehrlich: Gibt es langweiligere Screenshots als die zu Guitar Hero oder Rock Band?

Dabei ist das, was Guitar Hero on Tour: Decades macht, eigentlich ganz nett. Man rockt sich über den Nintendo DS durch die verschiedenen Musikjahrzehnte. Nur leider mit einer etwas verzerrten Sicht. War eine der wichtigsten Bands der 90er wirklich Blind Melon? Warum tauchen hier nicht Pearl Jam oder Alice in Chains auf, welche den Grunge Anfang der 90er mitgeprägt haben? Die größte Frage allerdings: Wer will sich La Bamba von Los Lobos antun? Da freut man sich fast schon wieder über Tokio Hotel.

Gut, über die Songliste von Guitar Hero ließ sich schon immer vorzüglich streiten. Dennoch: Etwas fehlt. Der Spirit. Der Vibe. Das mag daran liegen, dass die Umsetzung des Guitar Hero-Konzepts auf den Nintendo DS nicht wirklich schlüssig ist. Zumal Guitar Hero On Tour: Decades eigentlich ein Add-on zum Vorgänger ist. Hier gibt es außer neuen Tracks, ein paar neuen Kostümen und neuen Gitarren nichts wirklich wesentlich anderes, was es nicht schon so im Handheld-Erstling gab.

Ein nettes Feature findet sich allerdings für jene, die den ersten Teil auf dem DS verpasst haben. Wer den Vorgänger noch nicht hat, kann sich die Tracks von einem Kumpel ziehen und diese gemeinsam spielen. Da dem DS allerdings ein Speichermöglichkeit fehlt, ist zu bezweifeln, dass die Tracks auf Dauer gespeichert bleiben. Geblieben hingegen ist der Fingerkrampf und die drohende Sehnenscheidentzündung. Es ist unglaublich anstrengend, sich durch die einzelnen Tracks zu spielen, die Handhaltung ist einfach ungesund. Schon nach drei Stücken droht Arthritis und die Finger werden taub.

Alles da, was die Guitar Hero-Reihe auszeichnet. Rockmeter, Gitarre, bunte Punkte. Nicht im Bild: Tokio Hotel.

Durch diese Haltung ist auch das Anschlagen mittels Plektrum-lookalike-Stylus nicht gerade sehr genau. Ja, es funktioniert, aber es funktioniert nicht perfekt. Bei der Jagd nach den 100 Prozent ist es einfach ärgerlich, wenn eine Note daneben geht, weil das Touchpad die Bewegung nicht registriert hat.

Eines muss man aber Guitar Hero auch auf dem kleinen Weißen lassen. Die Serie weiß einfach, wie man Musik in kleine bunte Punkte umsetzt. Die Red Hot Chili Peppers spielen sich viril und aufgedreht, die Guano Apes sind reinstes Geschrubbe. Das hält nur leider nicht lange bei der Stange. Hat man den „welches Stück kommt als nächstes“-Effekt hinter sich gebracht und alle Lieder freigeschaltet, ist der Wiederspielwert gering. Vielmehr motiviert Guitar Hero on Tour: Decades dazu, endlich wieder das Original an der Konsole zu zocken. Somit ist das Spiel mehr ein Teaser auf das richtige Game, eine Art Vorspiel, ohne richtigen Höhepunkt, aber mit der ungestillten Lust auf mehr.

Das liegt sicher auch an der üblen Klangqualität, denn alle Stücke sind rauschig, die Gitarren klingen nach, nun ja, irgendwas, was nichts mit Gitarren gemein hat. Die Soundqualität der Lieder auf dem DS hat etwas von einer schlechten Kassettenkopie oder einem übel erstellten MP3.

Guitar Hero on Tour: Decades ist einfach nicht das Wahre. Zu schnell ächzen die Gelenke, zu schlecht ist die Klangqualität. Man sehnt sich beim Spielen nach der echten Plastikgitarre und freut sich schon auf das nächste Guitar Hero-Duell. Online-Unterstützung gibt es hier zudem nicht, dafür aber einen vier Spieler-Modus. Dazu braucht es aber auch drei weitere Leute mit einem Drang, ihre Hände auf immer zu verkrüppeln. Für ein kurzzeitiges Spielen ist diese Guitar Hero-Inkarnation ganz nett, aber wer das Original noch nicht hat, sollte sein Geld lieber dafür ausgeben.

Guitar Hero on Tour: Decades ist für den DS im Handel erhältlich.

5 / 10

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In diesem artikel

Guitar Hero: On Tour Decades

Nintendo DS

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Martin Kreischer

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