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Heavy Rain

Crying in the Rain

Disclaimer: In eurem und unserem Interesse enthält dieser Artikel keine Spoiler oder andere Details, die euch den Spaß am Spielen nehmen könnten. Konkrete Inhalte, die wir zu Geschichte und Prämisse preisgeben, übersteigen nichts, was nicht auch der offiziellen Spielbeschreibung von Sony zu entnehmen wäre und einige wenige Beispiele zu Spielsituationen werden bewusst vage und ohne Kontext beschrieben.

Okay, nur weil etwas anders ist, ist es noch lange nichts Besonderes. So viel ist klar. Das gilt allerdings auch für den umgekehrten Fall: Nichts ist zwangsläufig schlechter oder weniger wert, nur weil es anders ist. Wo einige glauben, in Heavy Rain ein neues, von unendlich doofen Quick-Time-Events durchzogenes „Unspiel“ gefunden zu haben, würde ich eher von kontextuellem Spielen sprechen und sehe auch nicht, warum das per se schlecht sein muss. Vollkommen egal, dass hier wenige klassische Videospiel-Mechanismen zu finden sind, denn das Erreichen von kleineren und größeren Etappenzielen innerhalb einzelner Szenen hängt voll und ganz am Regisseur von Heavy Rain - und das seid ihr.

Genau genommen seid ihr in diesem interaktiven Drama, eine Formulierung, die ich zur Abwechslung mal gerne uneingeschränkt von einem Entwickler übernehme, auch noch Hauptdarsteller und Drehbuchautor oben drauf. Die Eckpunkte der Geschichte bleiben natürlich dieselben. Schlüsselorte und -Personen und die Agenda des Origami Killers sind wie in Stein gehauen. Ihr entscheidet allerdings, wer lebt und wer stirbt, wer den Fall löst, auf welche Weise das geschieht und sogar, ob es überhaupt geschieht. Heavy Rain ist nicht im klassischen Sinne „Gaming“, es ist aber - natürlich - voll und ganz ein Spiel. Statt Autos, Waffen und Arenen gibt euch Quantic Dream einfach die Geschichte selbst als Spielzeug in die Hand.

Vermeintliche Trivialitäten, wie mit seinem Sohn fernzusehen, sind eine weitere Gemeinsamkeit mit Shen Mue.

Einige rudimentäre Worte zur Handlung: In Heavy Rain dreht sich alles um den lebensmüden Architekten Ethan Mars. Dessen Sohn Shaun wird vom Origami-Killer entführt, der bereits acht Jungen auf dem Gewissen hat. Fortan entspinnt sich ein Katz-und-Maus-Spiel der besonders grausamen Sorte, denn nicht nur der Killer, sondern auch der Wetterbericht hat über das Kind ein Todesurteil gefällt - es sei denn, der Spieler findet es binnen der nächsten vier Tage.

Für Ethan steht natürlich die größte emotionale Investition auf dem Spiel, allerdings begeben sich auch drei weitere Charaktere mutig auf die Suche nach dem Jungen und stehen euch als spielbare Figuren zur Verfügung: Der Privatdetektiv Scott Shelby, FBI-Profiler Norman Jayden und die Reporterin Madison Paige machen sich ebenfalls auf die Jagd nach dem Killer. Abwechselnd absolviert ihr auf dem Weg zum Finale mit jedem der Charaktere verschiedene Szenen, in denen ihr mehr über die Charaktere erfahrt und Hinweise auf den Aufenthaltsort des Jungen und die Identität des Killers sammelt.

Das passiert über Ermittlungs- und Erkundungsarbeit in guter alter Adventure-Manier, in Gesprächen, bei denen eure Dialogoptionen mit einer entsprechenden Joypad-Taste versehen um den Kopf des Charakters kreisen oder in der Gedankenwelt der gespielten Figur, in die ihr wann immer ihr wollt einen Blick (oder besser: ein Ohr) werfen dürft. Regelmäßig treiben auch rasant choreografierte Actionsequenzen die Handlung voran, bei denen ihr nie nur vom Rücksitz aus zuschaut. Diese erinnern öfter an den Dreamcast-Klassiker Shen Mue als an God of War.

Die bei QD sehr beliebte Splitscreen-Technik kommt in HR wieder ziemlich elegant zum Einsatz.

Spieler, die Heavy Rain wegen dieser Quick-Time-Events skeptisch gegenüber stehen, kann man dies nicht so recht verdenken. Das schlechte Image dieser Reaktionstest rührt nicht von ungefähr. Es liegt allerdings weniger daran, dass QTEs grundsätzlich eine schlechte Idee wären, sondern daran, dass die meisten Entwickler vergessen haben, wie man sie interessant implementiert.

Wenn sie in einem Spiel negativ auffallen, hat das meist einen der folgenden Gründe: Mal sind sie zu lang, zu plump oder werden dem Spieler aufgezwungen anstatt optional zu sein. Besonders in Actionspielen fühlt man sich durch sie häufig wie aus dem üblichen Gameplay herausgerissen und vor allem entmachtet. Das allein wäre ja noch zu ertragen, würden die meisten Games ihrem Spieler nicht zu den unglaublichsten Dingen befähigen, solange er es hinbekommt, innerhalb eines lachhaft gigantischen Zeitfensters eine Buttonfolge der Marke Quadrat, X, Dreieck auf dem Controller einzugeben. Das steht einfach im krassen Gegensatz zu den Anstrengungen, die selbst reguläre Kämpfe gegen das gemeine Fußvolk in einem durchschnittlichen Actionspiel von euch einfordern. Und wenn man es dann bei nur einem falschen Knopfdruck nochmal von vorne versuchen muss, liegt auch noch der Schauwert des Spektakels schnell mit dem Gesicht nach unten auf dem Parkett.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Heavy Rain

PS4, PS3, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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