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MotorStorm

Martin Kenright: 'Fortsetzungen sind der Ruin der Industrie'

Die Evolution Studios waren lange Zeit nur durch ihre World Rally Championship-Serie für die PlayStation 2 bekannt - bis sie auf der E3 2005 einen Trailer für ein Playstation 3-Projekt zeigten. Allerdings war das vielleicht ein wenig verfrüht: Neben zahlreichen Diskussionen und Analysen, wurde das Konzept-Video von den Kritikern regelrecht auseinander genommen. Zumal die Frage aufkam, was Evolution überhaupt erreichen könnte.

Mittlerweile scheinen sich die Meinungen zu drehen. Nicht zuletzt, weil es sich um eine neue Marke handelt, die zu Sonys „größtem“ Konsolenlaunch eingeführt wird. Denn MotorStorm feiert bei Sonys Star-Lineup im Frühjahr 2007 sein Debüt.

Wir sprachen mit Martin Kenright, CEO von Evolution Studios, über die Entwicklung von MotorStorm, wie schwierig es ist, den US-Markt zu betreten und den Druck, den die Produktion eines PS3-Launchtitels mit sich führt.

Eurogamer: Außerhalb Europas seid Ihr eigentlich kaum bekannt. Besser gesagt sind nur wenige Eurer Spiele in den USA erschienen. Aber das ändert sich jetzt mit MotorStorm. Kannst Du uns etwas zu Eurer Beziehung zu Sony erzählen? Beginnend mit der Entwicklung von World Rally Championship...

Martin Kenright: Im Juli 1999 kauften wir einige Computer von PC World (Anm.: ein Händler) und stellten sie einfach so auf den Boden. Mit einer Demo, für die wir sechs Wochen brauchten, und unserem guten Ruf gingen wir dann zu Sony. Wir wussten damals allerdings nicht, dass sie die Rechte an der World Rally Championship besaßen. Am Ende waren wir dann der erste First-Party-Entwickler, den Sony anheuerte.

Das alles haben wir Sony nie vergessen. Und deshalb ist auch unsere Beziehung so klasse. Unser Start verlief einfach gut und wir wollten diese Verhältnis für immer beibehalten.

Wir verkauften über vier Millionen Stück von einem Spiel, das eigentlich zu einem Nischen-Markt gehört. Zu diesem Zeitpunkt dachten wir zum ersten Mal über MotorStorm nach. Wir hatten so viel über den Markt an sich – und was er braucht und möchte – gelernt, dass wir eine riesige Gelegenheit für die Zukunft sahen.

Eurogamer: Mit Digital Image Design, Deinem früheren Studio, hast Du einige Titel für PCs herausgebracht (Anm.: Total Air War, EF2000, Wargasm). Siehst Du eine Möglichkeit, zu diesen Ursprüngen zurückzukehren?

Martin Kenright: Wir waren schon immer Marken-Macher und es ist fast schon ironisch, dass uns die Leute nur aufgrund unserer Rally-Spiele kennen. Phil Harrison und ich haben uns bei einem Rally-Event zusammengesetzt und uns gefragt: Welche fünf Dinge könnten wir für die PlayStation 3 tun?

Wir bemerkten, dass Rally eigentlich eine Nische ist und dass das Geheimnis nicht darin liegen kann, vom Gleichen noch mehr auf den Markt zu schmeißen, sondern etwas Frisches und Aufregendes zu bieten – eigentlich geht’s darum erster oder bester zu sein. Anstatt nur eine Hälfte eines Nischen-Markts darzustellen, warum sollten wir nicht die Hälfte des gesamten Rennspiel-Markts werden?

Am Ende kamen wir zu MotorStorm. Wir dachten uns, 'lass und das uncoolste Genre nehmen und in das Gegenteil drehen. Es gibt keinen Wettbewerb, wir sind neu und frisch, es ist „super-size me racing“'. Wir wollen kein weiteres Spiel von der Stange liefern. Zumal wir immer die ersten oder besten waren.

Wir lachen jetzt darüber, weil ich eine Präsentation für diesen „PlayStation Racer“ hielt: Wie wir unsere Vision für die PlayStation 3 umsetzen, wie wir den gesamten Markt bewegen und wie wir die PS3 beim Launch ins Rampenlicht stellen würden. Zum Launch wären wir da – mit einem Spiel, über das jeder sprechen würde. Es ist der sichere Weg, Checklisten abzuhaken. Aber der Versuch, eine ganz neue Marke aufzubauen, erfordert einen Plan.

Eurogamer: Jetzt – mit dem Launch einer neuen Konsole – ist die richtige Zeit, um eine neue Marke in Angriff zu nehmen, oder?

Martin Kenright: Absolut. Eine neue Marke lässt sich nur zum Start eines neuen Lebenszyklus aufbauen. So haben wir das mit World Rally Championship gemacht. Viele unserer Wettbewerber waren zehnmal größer als wir mit Marken von Weltformat im Rücken, also mussten wir frisch an die Sache rangehen und einen ganz neuen Weg wählen.

So war es diesmal auch. Wir wussten, dass dies unsere Gelegenheit war, um eine neue Marke zu starten und die Evolution Studios zu etablieren. Wir verstanden also den Markt. Wir wussten, dass die Physik eine wichtige Rolle spielen würde. Wir kannten die Trends und wo der Markt sich hinbewegen würde. Und wir wussten, wie wir den US-Markt in Angriff nehmen und etwas wirklich Spektakuläres auf die Beine stellen können.

Eurogamer: War das eines der Hauptanliegen? Also den US-Markt zu knacken? Zuvor hattet Ihr ja noch nicht einmal ein Genre, das dort jemanden interessiert hätte.

Martin Kenright: Ja. Die gesamte Entwicklung drehte sich darum, das ganze Genre auf den Kopf zu stellen. Es geht nicht nur darum, im Rennspiel-Markt in den Wettbewerb zu treten. Wir wollen gegen alle Triple-A-Titel (Anm.: potentielle Topseller) antreten.

MotorStorm hieß damals noch nicht so. Es hieß „Wasted“ oder so. Der Name wurde bei einem Marketing-Meeting mit einer Firma gefunden, die auf solche Sachen spezialisiert ist. Eines der lustigsten Meetings, an dem ich je teilgenommen habe. „Eat my Dirt“ war ein weiterer Vorschlag.

Eurogamer: Bei unserem Rungang durch das Büro ist mir aufgefallen, dass ich noch nie ein so enthusiastisches Team gesehen haben – vor allem, weil die Fertigstellung ja in den letzten Zügen liegen muss. Ich dachte, Ihr würdet alle schon unter den Tischen liegen, aber hier geht’s richtig ab!

Martin Kenright: Das ist nur die Vorspeise. Wir wollen eine Demo für DLC (Anm.: Downloadable Content) schaffen, über die jeder spricht.

Während alle „Anderen“ Serien-Nachfolger und Konvertierungen von Xbox 360-Titeln für die erste Welle an PS3-Spielen produzieren, wollen wir eines der „definierenden“ Spiele auf den Markt bringen. Eine törichte und zugleich anspruchsvolle „Tour de Force“, die dann aber auf jedem Gerät landet. So ähnlich wie damals Doom – als die kostenlose Demo herauskam.

Eurogamer: Fühlst Du Dich unter Druck gesetzt, weil es sich um einen Launchtitel und eine neue Marke handelt? Keiner weiß so richtig, was er erwarten kann, oder? Wenn es herauskommt, wird es sicherlich ausgiebig analysiert und man wird sich über den gesamten Lebenszyklus der PS3 daran erinnern.

Martin Kenright: Eine neue Marke zum Launch einer Konsole herauszubringen, kann furchtbar in die Hose gehen oder einfach fantastisch laufen. Es gibt den Druck, die Erwartungshaltung. Publisher sind gestresst. Man ist Teil des Beginns einer völlig neuen Plattform. (Software-)Bibliotheken sind noch nicht fertig. Und deshalb entstehen viele Dinge erst auf dem Weg – Projektplanung funktioniert da nicht.

Zum Glück hat uns unsere Erfahrung gelehrt, wie man mit Mitarbeitern umgeht und wie man bodenständig und konzentriert bleibt, während um einen herum alle in Panik verfallen. Kritiker sagen: „Es wird nicht funktionieren. Ihr seid die schlechtesten der Welt“. Und am nächsten Tag sagen sie, man würde Heldenstatus erlangen.

Eurogamer: War das nach dem berüchtigten E3-Video zu MotorStorm?

Martin Kenright: Ich denke, wir mussten da einfach durch, um letztlich das zu tun, was wir heute machen. Wir mussten mit den Erwartungshaltungen des Markts und auch des Publishers umgehen. Und wir mussten das Team so motivieren, dass sie es schaffen können.

Zum Video auf der E3 2005: Wir wussten immer, dass wir das schaffen können. Mit den damaligen Spezifikationen der PS3 dachten wir sogar ernsthaft, dass wir es übertreffen könnten. Wir sind durch so viele Wechsel gegangen – vom Amiga bis jetzt zur PS3.

Manchmal ist es allerdings hart. Aber unsere Berufsethik besteht darin, dass wir handeln, während andere nur darüber reden. Wir werden zum Launch draußen sein mit dem Produkt. Wir sind sehr stolz auf das, was wir geschaffen haben. Wir sind uns sicher, dass wir das getan haben, was wir uns vorgenommen hatten. Nur wenige haben im letzten Jahr das geschafft, was wir geschafft haben.

Eurogamer: Wie ist das eigentlich, auf einer Konsole zu arbeiten, die zum größten Teil der Entwicklungszeit gar nicht fertig ist?

Martin Kenright: Man versucht, ein Geschäftsmodell umzusetzen, das gar nicht existiert. Einen Markt anzusprechen, den es nicht gibt. Und ein Maß an Technologie einzusetzen, das es ebenfalls noch nicht gibt. Also muss man sich den gesamten Prozess „vorstellen“.

Im ersten Jahr mussten wir an den Grundlagen arbeiten. Können wir Spezialeffekte aus Filmen nehmen und sie in Echtzeit ablaufen lassen? Wie viel Leistung steht eigentlich wirklich zur Verfügung? Wie wollen wir diese Welt aufbauen? Letztendlich trifft man viele falsche Entscheidungen. Aber es ist wichtig, diese Fehler zu begehen, denn nur so lernt man daraus, wie man es nicht tun sollte.

Wir gingen durch verschiedene Phasen: Die Technologie verstehen, Technologie erstellen und auf Technologie hoffen. Aber als das alles geklärt war, wurde das Spiel relativ schnell fertig. Die eigentliche Produktion lief flüssig und zügig. Die einzige Konstante – und das wussten wir – war, dass nichts so bleibt, wie es ist. Veränderungen gab es jeden Tag.

Eurogamer: An diesen Punkt kommt eigentlich jeder Entwickler. Vielleicht klappt's bei Euch besser, weil Ihr zu Sony gehört...

Martin Kenright: Eigentlich ist das beste daran, dass große Teile unserer Technologie auch für andere Entwickler verfügbar sein wird. Zumindest weiß jetzt jeder, wie die Hardware aussieht. Sie ist fertig. Als wir mit unserem PlayStation 3-Projekt begannen, waren die Spezifikationen noch gar nicht final festgelegt.

Aber das ist gleichermaßen lustig und schmerzvoll. Es ist aufregend; Unsere Technologie-Experten lieben es, die ersten zu sein, die diese Dinge sehen. Manchmal können wir sie kaum aufhalten.

Eurogamer: Evolution Studios wird jetzt als Rennspiel-Entwickler angesehen. Wollt Ihr das fortsetzen oder vielleicht auch mal in andere Genres vorstoßen? Würde das Studio nicht daran wachsen, auch einmal etwas anderes zu entwickeln, als Spiele auf vier Rädern?

Martin Kenright: Der Markt wird sich in den nächsten fünf Jahren so verändern, wie man es zuvor noch nie gesehen hat. Die Leute beschäftigen sich jetzt mit der PS3, aber wir schauen zur PS4. Ich denke darüber nach, wie es wohl in fünf Jahren sein wird und wie man dahin kommt. Wie wird der Markt aussehen, die Spiele – und wer kauft sie?

Man kann nicht einfach immer das tun, was man schon immer getan hat. Man muss sich entwickeln und immer wieder einen Blick auf sich selbst werfen. Vor fünf bis sechs Jahren haben wir versucht, das Rally-Genre auf der PS2 zu besetzen. Um danach einen riesigen Hit auf der PS3 zu landen.

Deine Frage steht für uns also für die nächsten fünf Jahre auf der Agenda. Unser Ziel ist es, unsere Stärken einzusetzen. Das heißt nicht unbedingt, dass wir für immer an Rennspielen arbeiten werden. Wir sind jetzt alle in der Entertainment-Industrie und auf diesen Pfaden bleiben wir auch.

Eurogamer: Da Videospiele Teil der Entertainment-Industrie sind: Besteht denn die Gefahr, dass Entwicklungs-Studios bei dem bleiben, was sie gut können, aber sich niemals aus ihrer eigenen Nische heraus entwickeln?

Martin Kenright: Was ich aus der Vergangenheit gelernt haben ist, dass man etwas nach und nach um ein Prozent verbessern kann. Und das dauert dann zwei Jahre und kostet Millionen von Pfund. Aber alles, was man bekommt, ist wieder nur das Gleiche. Man bietet etwas Altes an, anstatt etwas Neues und Aufregendes, an das man sich erinnert.

Einsichtig zu sein, ist super. Aber immer das zu tun, was man am besten kann, ist unter Umständen gefährlicher, als sich selbst neu zu erfinden. Der genetische Code all dieser Spiele ist im Grunde zu 80% gleich. Es sind die Anwendungsmöglichkeiten und der Wert der Marke, die es schließlich unbezahlbar machen. Doch egal, was man macht, es ist immer harte Arbeit.

Viele Leute sind lieber auf der sicheren Seite, aber Nachfolger zu erfolgreichen Spielen sind der Ruin unserer Industrie. „Der letzte Teil war gut, also will die Geschäftsführung noch einmal zehn davon...“ Eigentlich fügt das dem Markt irreparable Schäden zu.

Das Problem und die Realität für viele kleine Entwickler ist, dass Publisher kein Risiko eingehen wollen. Aber das wird sich ändern. Die Art und Weise, wie Spiele entstehen, wird sich ändern. Und auch die Art, wie sie finanziert werden.

In der Zukunft wird es keine Eltern-Kind-Beziehung mit Publishern geben. Es wird vielmehr eine kreative Partnerschaft sein. Ich glaube, in Zukunft bricht eine erstaunliche Zeit für Spiele heran. Die Leute wachen jetzt auf und realisieren, dass das Risiko einen Nachfolger zu produzieren nicht niedriger, sondern höher ist.

Eurogamer: Vielen Dank für das Gespräch.

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