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Jade Empire: Special Edition

Endlich Fernost

Fernöstliche Settings sind wunderbar. Leider kann ich mit Spielen aus dem Land der aufgehenden Sonne nicht allzu oft was anfangen. Sprache und so. Der naheliegende Kompromiss wäre also ein im Westen produziertes Spiel mit Nippon-Touch – ja, das ist es, was meinereiner schon lange sucht. Vor einiger Zeit wäre ich fast schon einmal fündig geworden: Die Rollenspiel-Genies von Bioware präsentierten mit Jade Empire ein Story-getriebenes Fantasy-Epos, das der süßliche Duft von Lotusblüten umwehte. Wunderbar! Nur eben leider auf der – für mich – falschen Plattform. Da sich auf absehbare Zeit sonst niemand an ein derartiges Szenario wagte, musste der kleine Xbox-Skeptiker in mir knapp zwei Jahre auf eine PC-Umsetzung warten. Glücklicherweise hat sich das Däumchen drehen aber gelohnt.

Die Grafik hat Bioware in der Zwischenzeit kaum angetastet. Warum auch? Selbst wenn Jade Empire nicht ganz an die schönsten Rollenspiele (Gothic 3, Oblivion, usw.) der letzten Zeit heranreicht, müssen sich die stimmungsvollen Szenenbilder trotzdem nicht verstecken. Da schlendert man in einem Moment noch durch einen gräulich-düsteren Dämonenwald, nur um sich im nächsten Augenblick in einem gleißend freundlichen Himmelsreich wiederzufinden, das mit kitschigen Regenbögen und grünen Wiesen zum Picknick lädt. Wirklich stimmig ist auch der Look von Freund und Feind gelungen: Was rund sein soll, ist in der Regel auch rund – und das ganz ohne übertriebenes Plastikflair. Dazu passend geben sich die Synchronsprecher erfreulich professionell – die Präsentation schlägt sich also auch Anno noch ganz hervorragend. Dass die einzelnen Abschnitte lediglich durch kurze Ladevorgänge getrennt sind, ist nur das Tüpfelchen auf dem technischen I.

Da hat einer die richtigen Prioritäten.

Und so stellt die Steuerung – aus offenkundigen Gründen – den deutlichsten Unterschied zur Konsolenversion dar. Die neue Maus & Tastatur-Kombo orientiert sich aber an gängigen Third Person-Standards und funktioniert fabelhaft. Mit wenigen Griffen hat man jede Situation unter Kontrolle. Ihr flaniert durch die hübschen Echtzeit-Welten, erblickt ein paar Feinde und tauscht Handkanten und magische Attacken sobald Ihr nah genug dran seid. Schlagen, Zaubern, Blocken, Kampf pausieren - ein Klick, eine Aktion. Für gelegentliches Naserümpfen sorgt nur die Gegner-Aufschaltung in den Kämpfen. Kamera und Spielfigur fixieren dabei stets nur einen Gegner, sodass eine Attacke auf einen seitlichen Angreifer nicht gezielt machbar ist. Zwar kann man diese Fokussierung abschalten, büßt aber dafür an Präzision bei Fernkämpfen ein. Was hier schlimm klingen mag, gerät in der Praxis jedoch nur selten zu einem echten Problem. Dieser Makel fällt somit nur sehr wenig ins Gewicht.

Untypisch fürs Genre

Die Reise von einem Ort in den anderen wird in seltsamen Flugvehikeln zurückgelegt.

Jade Empire ist alles andere als das klassische Beutezug-Rollenspiel. Meist findet man lediglich einige Juwelen, die die Charakterwerte der Spielfigur modifizieren. So stärkt man die Lebenskraft oder die beiden zum Kämpfen mit gewissen Stilen notwendigen Werte. Stile? Ja! Eure Figur erlernt im Spielverlauf zahlreiche Kampfstile, die man in jeweils drei Disziplinen verbessern kann, sobald man einen Level aufgestiegen ist. Ihr erlernt sie entweder von befreundeten NPCs oder durch die Beobachtung von Feinden. Etwas Spezialisierung und ein guter Mix aus Nah- und Fernkampftechniken sind die Vorraussetzung, um in den Fights auch in die Vollen gehen zu können.

Zwar stehen Euch verschiedenste Partner zur Seite, die Eure Hauptfigur theoretisch ergänzen sollen, anders als in Star Wars: Knights of the Old Republic könnt Ihr die Kollegen aber nicht direkt steuern. Sie sind eher das Kanonenfutter, das ein paar Widersacher von Euch ablenkt, bis Ihr Euch selbst um sie kümmern könnt. Praktisch: Gefallene Mitstreiter stehen nach dem Kampf einfach wieder auf, Ihr müsst also nicht um sie fürchten.

Die kernigen Gefechte frustrieren an manchen Orten etwas. Auch wenn man sich in einer Passage problemlos durch die Gegnerscharen prügelt, kann im nächsten Kampf plötzlich selbst beim wiederholten Versuch Sense sein. Bioware hat sich die Lösung dieses Balancing-Problemchens ein bisschen zu einfach gemacht: Wer zu oft ins Gras beißt, regelt mit wenigen Klicks zu jeder Zeit einfach die Schwierigkeitsstufe herab. Ebenfalls schade ist, dass die originell gestalteten Bossgegner leider keine besonderen Fähigkeiten oder Taktiken erfordern. Sie haben bestenfalls mehr Lebenspunkte als andere Widersacher: Statt Eure grauen Zellen, kommen also hauptsächlich Eure Handkanten zum Einsatz.

Astreine Story

Die Bosskämpfe unterscheiden sich leider kaum von herkömmlichen Fights.

Das Herausragende an Jade Empire ist die spannende und tiefgründige Geschichte. Neben ab und an langatmigen Dialogen spinnen Renderfilme und Ingame-Zwischensequenzen einen festen Storyfaden, an dem man sich gerne bis zum Spielende hangelt. Währenddessen erkundet Ihr Kuhdörfer wie Metropolen, göttliche Orte wie unterirdische Höhlen. Die Reise durch das große Jadereich ist lang und abwechslungsreich. Nie versetzt Euch Bioware dabei in aufgesetzte Situationen, stets wirkt die Story glaubwürdig. Man verfolgt eine fantastische Geschichte ,die mit viel Fingerspitzengefühl und tollem Timing in Szene gesetzt wurde.

Einen kleinen Kritikpunkt gibt es allerdings: Die Linearität. Zwar ist bei der Erledigung von einzelnen Aufgaben stets die Wahlfreiheit zwischen einem guten und einem bösen Weg gegeben, die Story selbst ändert sich durch Eure Entscheidungen aber nur geringfügig. Erst das Ende lässt sich auf neun unterschiedlich Arten gestalten. Großen Einfluss hat Eure Gesinnung allerdings Einfluss auf die erlernbaren Kampfstile sowie die Möglichkeit, die ein oder andere Aufgabe von einem NPC zu bekommen.

Misstrauen in der Kaiserstadt .

Die verschiedenen Charaktere, unter denen man zu Beginn wählt, spielen sich nicht allzu unterschiedlich – unter anderem, weil Möglichkeiten individueller Charakterentwicklung sich ziemlich in Grenzen halten. Weil sich auch das Partymanagement auf die Auswahl des jeweiligen Mitkämpfers und ein paar mehr oder weniger belanglose Gespräche beschränkt, fühlt man sich in Jade Empire manchmal eher wie in einem Action-Adventure als wie in einem typischen Bioware-Rollenspiel. Von der Komplexität früherer Werke ist nicht allzu viel zu spüren, sodass man nicht unbedingt den Wunsch verspürt, das Spiel nach dem Abspann sofort noch einmal angehen zu wollen. Angesichts der ansehnlichen Länge von Jade Empire (etwa 25-30 Stunden darf man schon einrechnen), wäre es aber blanker Hohn, das als ausschlaggebenden Kritikpunkt zu werten.

Die Jade Empire Special Edition kommt in einer edlen Metallbox daher, die neben DVD und Handbuch auch noch mit einem Poster und einem Art Book gefüllt ist. Wesentliche Unterschiede zur Konsolenversion gibt es ansonsten nicht. Neuerdings erfreuen einige Minispielchen simpel gestrickte Spielerherzen, und eine zusätzliche Spielfigur möchte mit Euch auf Reisen gehen - für echten Mehrwehrt sorgt all dies aber nicht.

In den vergangenen Jahren ist Bioware zum Garant für hochklassige Unterhaltung geworden. Auch bei Jade Empire gibt es nur einige Kleinigkeiten zu bemängeln, während das große Ganze durch und durch gelungen ist. Obwohl man von der Verwandtschaft mit KotOR auf den ersten Blick nicht viel bemerkt, spürt man sie irgendwie. Vielleicht ist es einfach der gute Geist, den Bioware allen ihren Werken liebevoll einflößen.

Ich wüsste spontan niemanden, dem ich Jade Empire nicht ans Herz legen könnte – außer jenen, die sich den Spaß bereits auf der Xbox zu Gemüte geführt haben. Wer sich mit längeren Dialogen überhaupt nicht anfreunden kann, kann sich den Gang in den nächsten Spieleladen ebenfalls sparen. Alle anderen sollten sich, ob Faible für Fernöstliches oder nicht, die hübsche Metallbox unbedingt ins Regal stellen.

Von den optischen Vorzügen Jade Empires überzeugt Ihr Euch in unserer Screenshot-Galerie.

8 / 10

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Über den Autor

Tom Schaffer

Contributor

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