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Kolumne: Medienzensur als Lösung?

Es geht definitiv mehr!

Seit Dienstag sind in unseren News – namentlich Pfeiffer: GTA IV indizieren, WoW ab 18 - einige der neuesten Eskapaden des Kriminologen und Medienretters Christian Pfeiffer nachzulesen. Die Indizierungsforderung erstaunte nicht weiter und was er zu World of Warcraft zu sagen hatte, klingt ein wenig absonderlich. Aber ich spiele leider kein WoW, daher halte ich mich hier zurück. Der Satz, bei dem sich allerdings meine Nackenhaare aufstellen, war der Abschluss: "Es gibt zudem Schicht- sowie interfamiliäre Faktoren, aber da können wir weniger tun. Bei den Medien können wir etwas tun!"

Es scheint der gefährlichste Werbesatz überhaupt zu sein, den Pfeiffer und Konsorten vorbringen können, denn er schmeichelt dem politischen Reflex „Etwas tun zu müssen“. Was Pfeiffer hier allerdings anführt, ist nicht nur ein Tiefschlag gegen WoW-Spieler, GTA IV–Zocker und alles, was in den Zeilen steht, sondern dazwischen muss man herauslesen, dass Pfeiffer in einer geradezu brachialen und lapidaren Erklärung der Politik ein Armutszeugnis ausstellt. "Es gibt zudem Schicht- sowie interfamiliäre Faktoren, aber da können wir weniger tun. Bei den Medien können wir etwas tun!"

Nach Ansicht Pfeiffers ist demnach die Bildungspolitik nicht in der Lage, eine vernünftige Förderung auf die Beine zu stellen, damit Schulen auch in problematischen Wohngebieten in der Lage sind, genug kompetente Lehrer einzustellen, die Kindern etwas, zum Beispiel auch den kategorischen Imperativ, beibringen können. Und damit meine ich nicht einfach nur Wissen, sondern wirklich die Vermittlung von humanistischen Grundwerten. Das Ministerium dürfte sich freuen, dass ihm gerade die Kompetenz auf diesem Gebiet abgesprochen wurde und es nun kaum mehr tun kann, als möglichst viel Pixelblut vom Schulhof fernzuhalten.

Schulbildung ist nicht alles, „interfamiliären Faktoren“ müssen natürlich auch berücksichtigt werden. Dies dürfte wohl ein Fall für das Familienministerium sein, dessen Aufgabe darin bestehen sollte, Eltern zu unterstützen, ihre Kinder zu erziehen und dabei zu helfen, die nächste Generation fit für das Leben zu machen. Es gibt diese Probleme, mehr als genug Familien kommen nicht mit einem Verdiener aus und können sich eine Rundumbetreuung ihrer Kleinen nicht leisten. Sie fühlen sich dabei überfordert, nach einem harten Arbeitstag zu Hause auch noch ihren frisch vor sich hin pubertierenden Nachwuchs auf die richtige Bahn zu führen. Und auch wenn die Bemühungen der Politik hier mitunter etwas hilflos und gelegentlich auch fehlgeleitet wirken mögen, sie können und werden sicher mehr tun, als nur ein paar Auswüchse der Medien im Auge zu halten.

Das Thema Schichten streift er belanglos, als wäre das ein Nichts im Vergleich zu dem Flurschaden, den ein GTA IV im Gefüge der deutschen Gesellschaft hinterließ. Vielleicht sollte er sich mit dem Innenministerium auseinandersetzen, das gerade eine wahrscheinlich recht teure und hoffentlich erfolgreiche Kampagne für bessere Integration startete. Daran hängen auch wieder Familienförderung, Bildung und noch vieles mehr, womit sich leicht ein Bogen zum Problem der Arbeitslosigkeit und dem Umgang mit den in dieser Zeit wegbrechenden Jobs spannen lässt. Und dass hier Politik und andere Institutionen nicht mehr tun können, als eine Medienzensur einzuführen, dürfte man wohl leicht als den kalkulierten Propagandasatz eines Medien-Kreuzzüglers erkennen.

Sollte Herr Pfeiffer wirklich alles Vertrauen in die Gesellschaft verloren haben, so dass nur noch Orwellsche Kontrollmechanismen uns retten können? Absolute Kontrolle der Medien, nicht im Sinne der Nachrichtenerstattung, aber doch welche Inhalte erwachsene Menschen konsumieren dürfen, unabhängig von ihren Wünschen und Verfassungsrechten? Herr Pfeiffer hatte recht, als er striktere Regelungen für den Verkauf von Medien an Jugendliche forderte. Diese kamen und das ist, trotz des potthäßlichen USK-Logos eine gute Sache. Was wir jetzt brauchen, sind keine weiteren Indizierungsexzesse oder wildeste Altereinstufungen, sondern strikte Kontrollen des Verkaufs.

Die übliche Argumentation, die darauf folgt, lautet ungefähr so: Sie raubkopieren es dann halt aus dem Internet, kriegen es von Kumpels oder die Eltern haben eh keine Ahnung, was sie den Kids unter den Weihnachtsbaum legen. Na und? Habe ich auch alles hinter mir und wurde trotzdem ein linksliberaler, friedfertiger Steuerzahler, der im Einklang mit sich und der Welt lebt.

Niemand staut beim reinen Spielen oder Betrachten eine Splattermovies genug Aggressionspotential auf, um einen Amoklauf zu veranstalten oder innerlich zu verrohen, wenn sein restliches soziales Umfeld auch nur halbwegs in Ordnung ist. Wenn die Eltern einfach die Zeit und den Willen haben, zumindest halbwegs gute Eltern zu sein. Wenn es genug Lehrer an genug Schulen gibt, die die Kinder kompetent ausbilden können. Wenn die Struktur des Landes und der Gesellschaft in der Lage ist, Jugendlichen eine Perspektive in Form von einer positiven Zukunft zu geben.

Das sind die Bereiche, in denen man eine Menge tun kann und in denen viel getan wird. Nicht immer mit Erfolg, vielleicht nicht einmal immer mit besten Absichten, aber hier sind die Ursachen der Probleme zu finden. Jeder Mediziner wird Herrn Pfeiffer sagen können, dass es grundsätzlich mehr Sinn macht, die Ursachen zu bekämpfen als nur mögliche sekundäre Auslöser einiger extremer Symptome zu bekämpfen. Wenn es nicht möglich sein sollte, diese Aufgaben zu lösen, dass Gesellschaft, Politik und Institutionen dort wirklich nicht mehr viel tun können, dass ihnen nicht mehr einfällt, als ein paar Symptome durch Verbote zu bekämpfen, dann können wir eigentlich einpacken. Und das will ich nicht glauben.

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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