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Point & Click: Die Adventure-Kolumne

Von Myst 'ergriven'

Von Myst erg-"riven"

Ich mag Myst. Ehrlich. Und ich bin nicht weiblich, stricke nicht, habe meinen PC selbst zusammengebaut, trage keine Zöpfe, war noch nie auf einer Esoterikmesse, glaube nicht an Horoskope, Peter Gabriel höre ich eigentlich nie, ja nicht mal ein Freundschaftsbändchen ziert meinen Arm. Und doch mag ich Myst.

Es ist wohl so, dass man sich als männlicher, heterosexueller, weißer Rechtshänder mit Abitur, dem dritthäufigsten Nachnamen Deutschlands, einem deutschen Pass und wohnhaft in dessen bevölkerungsreichstem Bundesland irgendeine Minderheit aussuchen muss, zu der man gehören will. Adventures sind da vielleicht ein guter Anfang, aber inzwischen sind sie ja wieder im Kommen. Monkey Island findet auch jeder gut, selbst irgendwelche Sechstklässler, bei denen sonst nur gebrannte Counterstrike-Derivate auf dem Schreibtisch liegen.

Myst gut finden, das ist das harte Zeug. Klar, die Verkaufszahlen waren in den 90ern exorbitant hoch, die wurden aber dank Hardwarebundles kräftig geschönt. Dazu kommt, dass sich die meisten einfach von der bahnbrechenden Grafik der Titel haben begeistern lassen. Wirklich Spaß damit zu haben, ein echtes Glücksgefühl beim Verstehen und Lösen der Rätsel zu haben, das ist einem elitären Kreis esoterisch angehauchter Sozialpädagogen vorbehalten. Und mir.

Ich stelle immer wieder fest, dass offenbar die Gruppe der Personen, die sowohl klassische Adventures als auch die Myst-Reihe mögen, verschwindend gering ist. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, wann sich zuletzt ein Mystfan bei uns in den Adventure-Treff verirrt hat und etwas sagte wie: "Ja, Sam & Max, da freue ich mich drauf! Das wird bestimmt sehr, sehr lustig." Andersrum wüsste ich auch nicht, wann das letzte Mal einer der vielen Community-Mitglieder mit Silben wie "brush", "lucas" oder "monkey" im Nick - und das sind ganz schön viele - von seinen jüngsten Entdeckungen aus End of Ages berichtet hat.

Ich muss auch gestehen, dass mich die vielen Klone, die den Erfolg der Serie nachzuahmen versuchten, nie wirklich gepackt haben. Seien es die netten, aber unspektakulären 3D-Rätselsammlungen von Detalion, das respektable Einmannprojekt Rhem oder andere Mechanikrätsel-Konglomerate im First-Person-Look. Die Originalserie konnte auf mich immer eine besondere Faszination ausüben. Das Beobachten und Verstehen der stets konsistenten Spielwelt, die spürbar eine tiefe Hintergrundgeschichte besitzt, war mindestens genauso wichtig wie das Lösen der darin eingebetteten Rätsel. Und auch die Optik spielt da mit rein: eine so grandiose Grafik wie die vorgerenderten, komplett bewegten Szenen aus dem 2-DVD-Monster Revelation habe ich bisher nie wieder gesehen. Eine Schande, dass das Gameplay dahinter so speziell ist, dass nur ich und die Sozialpädagogen in deren Genuss gekommen sind.

Wenn einer von denen mitliest: demnächst kommen noch mal alle fünf "Hauptspiele" in einer Box auf den Markt. Ihr habt die Spiele zwar schon alle in mehrfacher Ausführung, aber ich weiß, dass Ihr Sammler seid. Real MYST fehlt allerdings.

Na ja, ich werde mich wohl damit abfinden müssen, dass Myst zu speziell für diese Welt ist. Dann spiele ich halt alleine weiter. Oder ich schaue mir doch mal Myst Online an...

(P.S.: Was ich letzte Woche zu Sam & Max gesagt habe: vergesst es. Das Spiel macht Laune und ist schweinebillig. Kaufen, jetzt!)

Jan Schneider ist Webmaster von Adventure-Treff.de, der großen deutschen Website für Adventure-Spiele. Jeden Mittwoch macht er sich auf Eurogamer.de Gedanken über das Genre.

Bisher erschienene Folgen:

Der Tod steht ihm gut

Pixelhunting

Gut gedreht

Schwere Geburt

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Über den Autor

Jan Schneider

Contributor

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