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M.U.D. TV

Volles Programm

Im Fernsehen läuft oft der letzte Mist. Das bestätigt vermutlich jeder, der schon mal einen Tag krank zu Hause vor der Glotze verbracht hat. Im M.U.D. TV übernehmt ihr die Rolle eines für den Niedergang der Mattscheiben-Kultur verantwortlichen Sendeleiters, koordiniert Programmabläufe, schaltet Werbung, produziert Nachrichten, wälzt Statistiken. Eben alles, was so an bürokratischen Verwaltungsakten anfällt. Eine Arbeit, die eure Sicht auf das tägliche Programmschlammassel im Fernsehen ändert. Ihr seid plötzlich froh, wenn im Spiel eure Anstalt überhaupt etwas ausstrahlt. An Qualität ist bei Formaten wie „Tanzende Emos“ oder „Band of Mothers 1/4“ zunächst nicht zu denken.

Drei Übungs-Abschnitte erklären euch das Spiel. Allerdings nur grob. Wie im Detail ihr euren Sender in die Gewinnzone führt und die Klippen der Benutzeroberfläche umschifft, findet ihr nach und nach auf eigene Faust heraus. In der Kampagne lenkt ihr einen Typen namens Matt, der „die Menschheit per Gedankenkontrolle über das Fernsehen unterjochen“ will. Irgendwie witzig. Aber auch völlig irrelevant, denn die Standbilder zwischen den Missionen vermitteln keine tieferen Gefühle für die austauschbare Spielfigur.

Kümmert ihr euch in der Kampagne noch um Aufgaben wie Mafiosi ins Filmgeschäft einzuschleusen, fehlen solche Farbtupfer im Endlosspiel. Hier offenbart M.U.D. TV endgültig, was es wirklich ist: eine trockene Simulation mit umständlicher Handhabe. Ihr lauft zum Aufzug, fahrt in die Lobby, kauft Sendungen bei der Film- und Menschenhandel AG ein. In der Werbeagentur bekommt ihr die dazu passenden Werbeblöcke, die ihr unterschiedlich oft, innerhalb einer Frist und vor genügend Zuschauern ausstrahlen sollt. Dafür ist ein Blick auf die von euren Sendungen angesprochenen Zielgruppen nötig. Acht Kategorien gibt es. Hausfrauen sehen zum Beispiel gerne mal am Nachmittag Heimatfilme oder Talkshows, während der Durchschnitts-Intellektuelle lieber abends für Dokumentarfilme oder Kultursendungen einschaltet.

Im Studio produziert ihr eigene Sendungen.

Zurück im Stockwerk eures Senders legt ihr eure Einkäufe im Archiv ab, um sie dann im Chefbüro auf ihre Programmplätze einzuteilen. Als Zufallsereignis bestimmt das Spiel offenbar willkürlich am jeweiligen Tag eine Sendung, die ihr nicht mehr senden dürft. Das wirft mitunter euren Programmplan ordentlich über den Haufen. Wer sich widersetzt, blecht eine Strafe.

Alles wirkt wahnsinnig umständlich, da jede Aufgabe noch mit Laufwegen verbunden ist. Erst recht, wenn ihr mit eurem erwirtschafteten Geld neue Räume und Gänge anbaut. Um günstiger Sendezeit zu füllen, solltet ihr trotzdem bald ein eigenes Studio eröffnen. Ihr braucht einen Autorenraum, um Drehbücher zu schreiben, ein Zimmer für die Nachproduktion, um die Qualität zu steigern, eine Forschung, um etwa neue Formate für die Autoren freizuschalten und so weiter. Heuert ihr dafür Mitarbeiter an, empfiehlt sich natürlich auch der Bau einer Kaffeeküche oder ein Großraumbüro, um die Angestelltenzahl auf vier zu verdoppeln. Über einen Editor lassen sich selbst entworfene Schauspieler in die Eigenproduktionen integrieren und Namen von Sendungen selbst betiteln. Eine Art Light-Version von The Movies.

M.U.D. TV entlarvt das Fernsehen als eine Mühle, die man täglich mit Inhalten füttert, ohne dass es auf diese Inhalte wirklich ankommt. Hauptsache irgendetwas läuft und die Kasse klingelt. Ärgerlich sind vor allem die Chancen, die der Münchner Entwickler Realmforge (Ceville) verspielt. So erscheint der Aufzug wie ein Relikt aus dem 90er-Jahre-Vorbild Mad TV. Dort bildete er die Schnittstelle zur Konkurrenz, sorgte für Konfliktpotential. In M.U.D.TV kostet er einfach nur Zeit. Aber hey, man kann ja in der Lobby einen Saboteur anheuern, der bei anderen Sendern einen Feueralarm auslöst.

Die Nahaufnahme offenbart eine gewisse Detailarmut.

Der Mehrspielermodus mit bis zu sieben Mitstreitern ist an sich eine feine Sache. Bis eine Partie in Schwung kommt, dauert jedoch eine Weile. Dummerweise verzichtet M.U.D. TV für solche Gruppenspiele auf eine Speicherfunktion. Um bei Fernsehvergleichen zu bleiben: Das ist fast so, als müsste man alle Lost-Staffeln am Stück sehen. Wenigstens blitzt ab und zu eine Prise Humor auf. Etwa wenn das Spiel in einer Ladepause den Satz „Ladetexte täuschen nur über lange Ladezeiten hinweg“ einblendet. Mehr davon!

Das Problem von M.U.D. TV: Das Spiel weiß nicht, was es will. Es beglückt weder den Feierabend-Spieler, der einfach noch ein paar Minuten mit der Maus klicken will, noch den eingefleischten Wirtschaftssimulations-Spezialisten, der sich die Wartezeit bis zum Fußball Manager 11 versüßen möchte. M.U.D. TV ist weder Fisch noch Fleisch, Cartoon-Optik und Bürogeräuschkulisse weder richtig gut noch richtig schlecht. Statt das dankbare Thema dafür zu nutzen, der deutschen Privatfernsehmafia einen satirischen Tiefschlag zu verpassen, ertränkt man den Spieler in einer langatmigen Manager-Orgie. Textfenster statt Sprachausgabe, Laufarbeit statt Kopfarbeit. Wer in M.U.D. TV Erfolg haben möchte, braucht in erster Linie bloß fleißig sein und die gleichen Abläufe ein ums andere Mal zu wiederholen. Für eine ernstzunehmende Wirtschaftssimulation mangelt es an Überraschungen.

Das kommt also dabei heraus, wenn man die Lizenz für das alte Mad TV nicht bekommt. Ich attestiere dem Spiel einen unbestrittenen Unterhaltungswert. Die Menschheit mit immer neuen Sendungen zu foltern, spricht durchaus gewisse Triebe im Spieler an. Mich persönlich packt es dennoch nicht. Der Humor ist knapp bemessen, die Bedienung nicht intuitiv. Es lohnt sich für Hobby-Programmdirektoren einfach nicht, sich durch den zähen Einstieg zu beißen, nur um danach festzustellen, dass der Rest kaum mehr zu bieten hat. Nach ein paar Stunden wiederholt sich das Spiel nur noch selbst. Erschwerend kommt hinzu, dass mein PC und M.U.D. TV sich nicht so gut verstehen – trotz Patch auf Version 1.06 stürzt das Spiel manchmal ab und der Sound stottert.

M.U.D. TV ist für PC erhältlich.

5 / 10

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Über den Autor

Joachim Hesse

Contributor

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