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Machinarium

Roboter sind auch nur Menschen

Nein. Ich traue mich nicht, es zu sagen. Ich will es nicht sagen. Aber ich muss. Immerhin werde ich dafür bezahlt. Ok, ich hoffe, ihr sitzt? Here we go: Ich habe mit der Preview-Fassung von Machinarium bisher mehr Spaß gehabt als mit der tadellosen Special Edition von Monkey Island. Und die hatte mich schon problemlos an den Beinen in meine Jugend zurück gekielholt - mit allen positiven und negativen Nebenwirkungen.

Der Vergleich ist allerdings nicht ganz fair oder treffend. Machinarium ist zwar auch ein Point-and-Click-Adventure. Allerdings macht es auch viele Dinge vollkommen anders, während Monkey Island nur der heißgeliebte Klassiker in neuen Stiefeln (und ohne Kinn) ist. Machinarium nimmt sich dagegen ganz unbeschwert die Freiheit, die so eine späte Geburt im Optimalfall mit sich bringt und reduziert das Genre auf das Wesentliche. Einige altgediente Elemente und Genre-Konventionen klammert es sogar vollkommen aus und ist damit das frischeste Adventure, das ich in den letzten Jahren gespielt habe.

Das Spiel der tschechischen Entwickler von Amanita Design, die unter anderem den Webby-Award-Gewinner Samarost 2 und dessen Vorgänger produziert haben, basiert vollkommen auf Flash und schafft es trotzdem, jedes mir bekannte, handgezeichnete Konkurrenzspiel der letzten Jahre vollkommen alt aussehen zu lassen. „Bilderbuch zum Spielen“ wäre eine Beleidigung für die überaus kunstfertigen Charakter und Umgebungsdesigns, die auch als Kunstdrucke in einem schicken Berliner Loft nicht deplatziert wirken würden.

Amanita verfügt einfach über einen sehr individuellen Stil, der ein bisschen schwierig zu beschreiben ist. Kein Wunder, wenn einem so fundamental unterschiedliche Attribute, etwa melancholisch und optimistisch, unterkühlt und rührend, trostlos und lustig mit Höchstgeschwindigkeit, durch den Schädel rasen, nur um synchron vor eine Wand im Kopf zu fahren, an der ein Schild hängt:

„Wieso lässt du es nicht einfach auf dich wirken?“

Wer die Klappe hält, hat nämlich eindeutig mehr davon. Das Spiel selbst verliert doch auch nicht ein einziges Wort. Eine schwebende, raupenartige Maschine lädt euch, einen kleinen Roboter, in seinen Einzelteilen auf dem Schrottplatz ab. Das ist alles an Exposition, was ihr bekommt. Und auch sonst verzichtet das Spiel vollkommen auf die dem Genre so ureigenen Multiple-Choice-Dialoge. Stattdessen kommuniziert jedes Wesen in dieser lediglich von Maschinen bevölkerten, grauen Welt, von der man so gar nichts weiß, in massiven Sprechblasen. Anstatt in Textform erörtern sie ihre Wünsche und Nöte in anschaulichen animierten Sequenzen.

Nun mag man einwerfen, dass man auf diese Weise nicht eben epische Geschichten erzählt und dass gute Stories doch der Grundstein eines jeden guten Adventures sind. Allerdings trifft das im Fall von Machinarium einfach nicht zu. Es erzählt sich auf ganz andere Weise. Es geht nicht darum, wer der Bösewicht ist, was sein Plan ist und warum. Die Welt an sich ist die Geschichte, die Rätsel sind die Handlung und der bittersüße Humor eher visueller Natur. Trotzdem gibt es natürlich ausreichend bösartige Feindbilder mit ausreichend bösen Plänen - in denen unter anderem eine ziemlich große Bombe vorkommt.

Da Machinarium die beliebte Multiple-Choice-Mechanik so frech ausklammert, muss es sich auf andere Bereiche konzentrieren. Und das gelingt ihm fast schon mit im positivsten Sinne mechanischer Routine durch die Bank sehr gut. Auch gibt es keinerlei Befehls-Parser, nur den Linksklick auf ein interaktives Element und unser Roboter - nennen wir ihn Bert - vollführt die mögliche Aktion.

Das einzige nennenswerte Talent des rostfreien Protagonisten ist, dass man ihn per Mauszeiger Ziehharmonika-artig in die Länge ziehen und etwa auf die halbe Größe zusammenstauchen darf. Und das wird bei den vielen der vornehmlich auf der Manipulation der Umgebung beruhenden Rätsel auch von euch verlangt.

Die Lösung liegt dabei fast immer nah, ohne zu offensichtlich zu sein, weil man sich in Machinarium meistens nur von Raum zu Raum knobelt. Das ist erfrischend, wahrt die Übersicht und gibt dem Spieler das tolle Gefühl, ständig voranzukommen. Immerhin kann er viele der erledigten Räume im Geiste mehr oder weniger abhaken und sich voll und ganz der nächsten Aufgabe widmen.

Sehr lobenswert ist auch der Verzicht auf einen Item-Overkill. Das Spiel hat es einfach nicht nötig, euch mit der Lupe auf die Suche nach gemein versteckten Mini-Items zu schicken. Und auch Kombinations-Verbrechen wie „Benutze Porzellan-Nase auf Katzenhintern“ mutet man euch nicht zu. Selten trägt die sympathische Blechbüchse mehr als drei Gegenstände in ihrem Bauch mit sich herum und das Spiel funktioniert dadurch umso besser.

Regelmäßig legt man euch ein Steinchen- oder Schieberätsel in den Weg, was für sich genommen nicht besonders originell ist. In Machinarium sind sie aber von durchweg hoher Qualität und vermitteln einem die das Gefühl, zu sehr vom eigentlichen Spielen abgehalten zu werden. In dieser Hinsicht erinnern diese separaten Knobel-Einschübe an das vorzügliche Professor Layton für den DS, bei dem singuläre Rätsel ja mehr oder weniger Brot und Butter des Spiels darstellen.

Das Spiel erscheint am 16. Oktober in der nackten Download-Version auf Steam. Allerdings produziert Daedalic zum 27. Oktober eine formschöne und umfangreich ausgestattete Sonderausgabe von Machinarium. Hier erhaltet ihr neben der hübschen Schachtel den indirekten aber ebenfalls tollen Vorgänger Samarost 2, ein Poster (für euer Berliner Loft) und den grandiosen Soundtrack auf CD. Wer wartet, dürfte also mehr davon haben. Und da Machinarium möglicherweise das Spiel ist, auf das die Adventure-Welt schon seit Jahren gewartet hat, machen die paar Tage mehr den Bock doch auch nicht fett, oder?

Erwartet unseren ausführlichen Test samt abschließendem Urteil zeitnah zum Release.

Auf der offiziellen Homepage gibt es seit einigen Tagen eine aussagekräftige Demo zu Machinarium.

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Machinarium

iOS, PS3, Nintendo Wii, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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