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Meine komplizierte Liebe zu Door Kickers 2

"Operator Porn" vs. persönliche Moralvorstellungen.

Ich hasse "Operator Porn". Leider liebe ich ihn auch. Wenn man in den Achtzigern aufgewachsen ist, hat man einfach eine Schwäche für Rambo, Delta Force und Arnies hirnigere Eskapaden der Marke Commando. Wir Kids liebten den Muskelmann, dessen einziges Magazin unendlich Kugeln enthielt. Auch wenn er sie eigentlich nichtmal brauchte, denn im Gegensatz zu seinen Feinden, die selten westlich aussahen oder waren, schoss er nicht ausnahmslos daneben. Im Gegenteil.

Als es für mich mit den ersten Videospielen losging, kam aufbauend darauf noch ein Faible für die Effektivität von Sondereinsatzkommandos dazu, Spezialisten, die ihr todbringendes Werkzeug mit maximaler Wirkung einzusetzen in der Lage sind. Es brannte sich ein Bild ein, von Leuten, die selbst in den gefährlichsten Situationen noch auf dem höchsten Level abliefern. Das schindete Eindruck auf meinen formbaren Geist und schwappte auch auf eine gewisse Faszination für Waffen über, die ich schon früh mit Freunden oder allein beim Spiel im Wald weiter auslebte. Soldat spielen. Das war normal, hat einem die Popkultur so vorgelebt.

Inhalt

Die erschreckende Normalität des Kriegsspiels

Allein, die politisch-moralische Ebene, die erschloss sich einem erst später. Viele Konflikte, in die einen Games und Filme versetzen, sind denkbar problematische Hintergründe für Heldentaten im Namen des Entertainments. Einigen Entwicklern scheint das ebenfalls bewusst zu sein, wenn man sieht, wie in Modern Warfare zum Beispiel ein amerikanisches Kriegsverbrechen mal eben den Sowjets angehangen wird, lässt das schon tief blicken. Die meisten dieser Spiele bemühen Rechtfertigungsmechanismen, die häufig verlogen wirken.

Planen, Ausführen, beim nächsten Mal besser machen. Ein Rhythmus, der süchtig macht.

Warum sie das müssen, zeigt mir jetzt Door Kickers 2. Und das ist seltsam, denn eigentlich ist es deutlich ehrlicher als das landläufige Kriegsspiel, denn es tut erst gar nicht so, als ginge es ihm um irgendetwas anderes als die Missionen an sich, die Kunstform des Zugriffs mit chirurgischer Präzision. Hier wird niemand in grausamen Zwischensequenzen verteufelt, eine gute Leistung nicht heroisierend hochgejubelt, dennoch wirkt es kühl und entmenschlichend, gerade weil Kontext fehlt. Mir schwant, ein Spiel kann das kaum richtig machen. Habe ich am Ende mit dem Szenario im Allgemeinen ein Problem?

Door Kickers 2 bietet Taktik zum Niederknien

Zugegeben (und hier kommt meine Portion Heuchelei ins Spiel): Am Spielen hindert mich das trotzdem nicht, was mich in eine seltsame Situation bringt. Aber es ist nun mal so: Door Kickers 2 ist schon im Early Access taktisch eines der befriedigendsten Erlebnisse der letzten Jahre. Wie man hier seine Soldaten aus vier Klassen über eine Karte zieht, indem man im Planungsmodus ihre Laufwege und Blickrichtungen vorzeichnet und sie dann ihre Aktionen durchexerzieren sieht, das drückt bei mir ganz spezielle Knöpfe. Es liegt schlicht viel Eleganz im perfekt geplanten Angriff und die Suche nach Raum für Optimierung versetzt mich in eine gewisse Trance.

Bei der Fülle an möglichen Taktiken schwirrt einem der Kopf. Gleichzeitig bleibt alles immer übersichtlich und gut kontrollierbar.

Auch in Echtzeit könnte man Door Kickers 2 theoretisch spielen, aber das wäre mir persönlich zu stressig. Erst mit dem regelmäßigen Pausieren, dem Neuauswerten veränderter Situationen und entsprechenden Umdisponieren lebt dieses Spiel auf. Unfassbar motivierend, ohne Verluste durch ein Geiselszenario zu rauschen, wie das sprichwörtliche heiße Buttermesser durch die Brot leckermachende Cholesterinbombe. Das Spiel mit den Sicht- und Feuerlinien hält jeden Einsatz auch dann noch spannend, wenn man das Layout der Mission schon auswendig kennt, einfach weil man so viele Möglichkeiten hat.

Die Priorisierung der Ziele, laute und leise Mittel, Ablenkungsmanöver durch Door Breaches oder gesprengte Wände oder koordinierte, zeitversetzte Zugriffe mithilfe von Mini-Kameras - eine Mission kann so viele unterschiedliche Verläufe nehmen, dass man hier nicht ruht, bevor man nicht die Bestwertung eingefahren hat. Neuerdings ist die Engine sogar in 3D, was nicht nur besser aussieht, sondern auch wunderschön zoombar ist. Ich kann mich dem Reiz dieses Spiels einfach nicht entziehen, es ist genau mein Ding.

Entwaffnend ehrlich, deprimierend lapidar

Womit wir wieder bei meinem Problem wären: Mir widerstrebt unterschwellig total, wie kontextbefreit man hier "nur sein Ding" macht. Der Mangel an Rechtfertigung - es ist ein Antiterroreinsatz, 'nuff said! - und erzählerischem Vorbau macht mich zum Hammer, der überall nur Nägel sieht. Bei meinem Trupp bin ich damit offenbar in bester Gesellschaft. Mir kommt zudem nicht nur ein bisschen abschätzig vor, dass der Ort des Einsatzes ein fiktives Land namens "Nowheraki, Middle East" sein soll. Ein Name, der es hinbekommt, "shithole country" und "egal wo, Hauptsache Krieg!" in ein Wort zu verpacken und im Laufe der Early-Access-Phase hoffentlich noch irgendwie umbenannt wird.

Königsdisziplin: Eine komplette Mission durchzuplanen und dann in einem Abwasch ohne Änderungen durchlaufen lassen.

Politische Scheuklappen wie diese sind sicher nicht allein das Problem von Door Kickers 2. Ganz bestimmt nicht. Unterbewusst trage ich sie ja selbst, sonst würde es nicht so wahnsinnig anziehend auf mich wirken. Tatsächlich tut es mir leid, dass ausgerechnet dieser herausragende Indie jetzt meine Breitseite Kriegsmüdigkeit abbekommt. Das Spiel an sich scheint mir, für das, was es sein will, schon jetzt so gut wie makellos zu sein und der Early Access ist ja noch ganz am Anfang. Kaum auszudenken, zu welchen Höhen sich dieses kleine Taktikjuwel noch aufschwingt, vor allem im Koop mit bis zu drei Mitspielern und mit dem kommenden Modding-Support.

Am besten, ihr sagt mir, ob ich auf meine "alten Tage" einfach nur empfindlicher geworden bin (was vollkommen im Bereich des Möglichen liegt) oder ob ihr bestimmten Spielen ähnlich zwiespältig gegenübersteht. Wie real ist zu real für euch? Sind solche Themen für euch allgemein tabu? Entrücken in euren Augen Hollywood-artige Ausschmückungen ein problematisches Szenario genug der Realität, um es genießbar zu machen? Oder sollten Spiele derartige Dinge lieber unkommentiert stehen lassen? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.


  • Entwickler / Publisher: KillHouse Games
  • Plattformen: PC
  • Release-Datum: erhältlich im Early Access
  • Sprache: Englisch
  • Preis: ca. 19 Euro, keine Mikrotransaktionen
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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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