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NIER

The End is NIER!

Videospiele stecken in der Krise. Besonders die japanischen. Seit Spielkonsolen mehr und mehr kleinen PCs gleichen, entgleitet Japan seine in den 80er-Jahren erkämpfte Vorreiterrolle. Bereits auf der Spielemesse Tokyo Game Show 2008 gestand Metal-Gear-Papa Hideo Kojima diesen Umstand. „Vergleicht man ehrlich und objektiv japanische Spiele mit denen aus dem Westen, dann hat Japan verloren“, räumte Kojima-san damals ein.

Die meisten Studios aus Fernost haben das Problem inzwischen erkannt und steuern dagegen. Mit unterschiedlichen Mitteln. Auch das kommende Action-Rollenspiel NIER möchte sich der westlichen Welt und ihren Videospiele-Käufern öffnen – trotz seiner offensichtlichen Nippon-Wurzeln. Anhand einer komplett spielbaren Version für die PlayStation 3 durften wir uns jetzt davon überzeugen, wie weit die Zugeständnisse an den vermeintlichen Geschmack westlicher Spieler reichen. Was bleibt also übrig vom einstigen Vorzeige-Genre japanischer Programmierkunst?

NIER ist eine Koproduktion des Entwicklers Cavia (Bullet Witch) mit Square Enix (Final Fantasy XIII). Das Spiel präsentiert sich als eine Art Bayonetta-Risen-GTA-Fantasy-Klon. Die Optik wirkt auf den ersten Blick allerdings ernüchternd. Eine Schwachstelle, der man sich durchaus bewusst ist. „Es hat uns drei Jahre gekostet, das Spiel zu entwickeln. Was damals neu war, sieht heute offensichtlich weniger neu aus“, erklärt Yosuke Saito, der ausführende Produzent des Spiels.

Zwei sogenannten Schatten versperren euch den Weg.

Erfreut an der frischen, virtuellen Luft zumindest die Sicht auf weit entfernte Bergketten das Auge, wirkt die Bibliothek der Anfangsstadt von innen jedoch so gemütlich und belebt wie die Schalterhalle einer Bank am Sonntag. Büchertapeten samt einer Leiterattrappe kleben an den hohen Wänden und drei verloren herumstehende Nichtspielercharaktere kämpfen mit ihrer Präsenz gegen die Leere des Raums. „Während man bei 2D-Spielen einen Hintergrund in das bestmögliche Licht rückt, muss man bei 3D-Spielen versuchen, den Raum so gut es geht zu füllen“, erklärt Saito-san die Nöte der Programmierer.

Details wie Möbel finden sich erst in einem Raum, in dem eine Quest-Geberin auf euch wartet. Dort schwenkt die 3D-Kamera in eine Seitenperspektive. Ein Stilmittel, auf das NIER gerne ein ums andere Mal zugreift. Sei es nun bei solchen Gesprächen oder bei Hüpf- und Ballersequenzen im Contra-Stil. Kenner der Videospielgeschichte entdecken dabei liebevolle Zitate alter Klassiker. Wenn die Kamera zum Beispiel in die Vogelperspektive wechselt und sich der Ausgang des Raums erst öffnet, sobald alle Gegner besiegt sind. In solchen Momenten fehlt nur noch Prinzessin Zelda, um die Illusion zu komplettieren.

Nicht als nette Hommage, sondern als Relikt aus der Videospiel-Steinzeit geht der auf drei Spielstände begrenzte Speicherplatz zurück. Was soll das? Wenn der Spieler schon nicht frei, sondern nur an im Spiel verteilten Briefkästen seinen Fortschritt sichern darf, dann doch bitte unbegrenzt. Auch das rote X auf der etwas zu klein geratenen Minikarte, das auf den Weg zum nächsten Auftrag hinweisen soll, führt einen in die Irre. Hier ist meist ein Blick auf die größere Zonenkarte nötig. Zudem passiert es, dass Gegner verschwinden, wenn das Spiel eine neue Zone nachlädt. Sicher, auch NIER ist nur ein Spiel, doch bei solchen Punkten wirkt etwa die Insel aus Risen moderner.

Manchmal wechselt das Spiel in eine zweidimensionale Perspektive.

Euer erster Auftrag besteht darin, je drei mal Hammelfleisch von den Nordfeldern sowie medizinische Kräuter zu besorgen. Sehr traditionell, doch schon bald offenbart das Spiel deutlich abstraktere und erwachsenere Inhalte. Überhaupt beginnt NIER äußerst flott und die Spielwelt zieht euch trotz aller Mängel schon bald in ihren Bann. Früher als euch lieb ist, steckt ihr mittendrin in der Sucht aus „bessere Schwerter sammeln“ und „erfahren, wie es weitergeht“.

Ihr versucht mit eurem Helden das Leben eurer Tochter Yonah zu retten. Die Zivilisation, wie wir sie kennen, ist den Bach hinunter gegangen. Ihr wandert am Ende des 22 Jahrhunderts durch eine von Magie und Resten alter Hochtechnik beherrschte Welt. Die Charaktere entpuppen sich dabei vielschichtiger als etwa beim kürzlich veröffentlichten White Knight Chronicles. Kein Wunder, dass Yosuke Saito im Gespräch extra betont, wie stolz er auf deren Komplexität ist.