Viva Piñata
Traumberuf: Gärtner!
Sachte, sachte..
Um es mit Rares Designer Justin Cook zu halten: „Man geht in dem Spiel so weit wie man gehen möchte.“ Viva Pinata belohnt Fleiß und Eifer, bestraft aber zu keiner Sekunde ein relaxtes Erleben der Simulation. Wer sich also nur ganz locker als Landschaftsarchitekt betätigen will und nebenher das Treiben seiner unbeschreiblich possierlichen Untermieter beobachten möchte, kann das durchaus tun. Man begreift schnell, dass dieses Spiel des Lebens trotz all des bunten Zuckergusses nicht „nur“ für Kinder ist, sondern „auch“.
Darüber hinaus ist das mögliche Betätigungsfeld nämlich selbst für einen Hardcore-Zocker im mittleren Alter (wie mich) mehr als ausladend. Umtriebige Sammlernaturen steigen für erfolgreiche Blumen-, Obst- und Gemüsezucht oder Pinata-Verkupplung ähnlich einem Rollenspiel in Ihrem Gärtnerlevel auf. Das füllt zur großen Freude experimentierfreudiger Seelen die Regale der Dorfläden mit neuen Items und Samen: Neue Gießkannen erleichtern durch größeres Fassungsvermögen das Wässern Eurer Pflanzen, stabilere Spaten erlauben es Euch Teiche auszuheben und der rechte Dünger auf dem passenden Bäumchen sorgt schon mal für einen zusätzlichen Ast, Riesenwuchs oder mehr Blüten.
Echte Kapitalisten produzieren mithilfe von Bienen-, Kuh- oder Schaf-Pinatas Honig, Milch oder Wolle. Oder legen riesige Kürbisfelder an, die sie von NPC-Lohnsklaven wässern und abernten lassen. So minimiert man im Hause Rare allzu lästiges Micro-Management. Fein! Den Erlös dieser wertvollen Wirtschaftsgüter (Schoko-Münzen, natürlich!) investiert man wiederum in Gartenlaternen und Windspiele oder individualisiert seine liebsten Pinatas mit Bärten, Sombreros oder anderen Accessoires. An Möglichkeiten Geld zu scheffeln und dieses wieder auszugeben besteht für wahr kein Mangel.
Nur Schokoladenseiten?
So viel man auch von Viva Pinata schwärmen möchte und auch kann, ist auch hier nicht alles eitel Sonnenschein. So ist der an sich gelungenen Benutzeroberfläche eine gewisse „Indirektheit“ anzukreiden. Das fängt damit an, dass man kein eigenes Inventar besitzt: Um ein Gemüsefeld anzulegen, ist also ein Umweg über den Shop notwendig. Obendrein liegt der gesamte Besitz im Garten herum. Das bedeutet natürlich, dass die NPC-Helfer schon mal ein Produkt einsammeln und verkaufen, für das Ihr eigentlich andere Pläne hattet. Platzierte Dekorationen bleiben wie angewurzelt an ihrem Platz stehen und lassen sich nicht mehr abbauen oder verstellen. Steht etwas ungünstig, müsst Ihr es erst zu Geld machen und dann erneut kaufen. Geld ist zwar – mit dem richtigen Kniff – im Überfluss vorhanden und die meisten Items können problemlos erneut besorgt werden. Ein simples Inventarsystem hätte Viva Pinata dennoch gut getan.
Ein echtes Versäumnis ist hingegen die Abwesenheit eines allerorts erwarteten Xbox Live Features. Wie versprochen dürfen zwar Pinatas und Items über Microsofts Online-Plattform getauscht werden, es ist allerdings nicht möglich, den Garten eines Freundes zu besuchen. Nachdem Rare schon Kameo einen nachträglichen Coop-Modus spendierte, glaube ich aber, dass sich hier vielleicht noch etwas tun wird.
All diese Bedenken wischen Rares Pinatas aber mit einem unnachahmlichen Augenaufschlag aus der Gedankenwelt des Spielers. Die allgemeine Brillanz der Optik, die erhabenen Animationen und eine Sounduntermalung voller wunderbar passender Melodien und Effekte erheben Viva Pinata frech kichernd zum "schönsten" Spiel auf der 360. Noch mehr „aus einem Guss“ geht einfach nicht.
Als man Viva Pinata als Spiel plus begleitende TV-Serie ankündigte, läuteten all meine Alarmglocken. Meine Nüstern witterten Geldschneiderei. Ganz so, als wolle man zwanghaft ein Stück abhaben vom Pokemon-Kuchen. Jetzt dreht das fertige Spiel eine Überstunde nach der anderen in meiner 360 und ich fühle mich abgrundtief schlecht, dass dieser Gedankengang je meine Synapsen vergiftete. Viva Pinata vereint Schauwert und Spielbarkeit unglaublich lässig und schickt sich an, DAS Wohlfühlspiel dieser Konsolengeneration zu werden! Ein Spiel für Jedermann, das über seinen Humor funktioniert und zeigt, wie schön wachsende und blühende Dinge sein können.
Die Essenz guter Unterhaltung? Rare hat verstanden!
Von Viva Pinata ist ebenfalls eine schicke Limited Edition erhältlich!