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Silent Hunter 4

Vorsicht: Käfer an Bord!

Prinzipiell sind Simulationen ja tot, also so was von tot. Wer will heute noch dicke Handbücher lesen, nur um etwa, sagen wir mal, ein Uboot durch den Zweiten Weltkrieg zu steuern und Ewigkeiten nach Feindkonvois suchen? Also nein, nun wirklich nicht. Sowas verkauft sich absolut nicht. Keine Panik, bei mir sind nicht alle Synapsen auf einmal durchgebrannt und ich habe auch nichts Falsches gegessen. Nur, solch einen Blödsinn muss man sich immer wieder von den Marketingabteilungen diverser Publisher anhören.

Die erzählen diesen Unfug so lange, bis sie sich die exzellenten Verkaufszahlen von Silent Hunter 3 angucken. Und auf einmal werden bei den Herrschaften Begehrlichkeiten geweckt. Flugs wird dann aus dem geplanten Pazifikkrieg-Addon ein eigenständiges Spiel zum Vollpreis, eben noch die Vier dahintergesetzt, fertig ist die neue Simulation. Allerdings ist Silent Hunter 4 noch fehlerbehafteter als seinerzeit Teil 3 (der mittlerweile allerdings sehr gut funktioniert). Entspräche jeder Bug einem Leck im Rumpf des Bootes, käme es nicht mal bis zur Hafenmole. Tapfer, wie ich bin, bin ich dennoch los geschippert, habe mir dabei feuchte Füße geholt und hatte komischerweise trotzdem Spaß.

Wenn bereits zum Release ein 120 MByte großer Patch verfügbar ist, vermutet selbst der gutgläubigste Spieler, dass sich in der Verkaufsversion der eine oder andere Fehler befinden könnte. So auch in Silent Hunter 4. Spiel installiert, Patch runtergeladen und drüberlaufen lassen, so bin ich als amerikanischer Ubootskipper in die Gewässer des pazifischen Ozeans ausgelaufen. Das Einstiegsjahr für die dynamische Kampagne darf zwischen 1941 und 44 gewählt werden. Jetzt nur noch einen Heimathafen aussuchen und schon geht es los. Zumindest, wenn man Teil 3 gespielt hat. Neulinge werden sich erst eine ganze Weile einfinden müssen. Das liegt nicht nur an den teilweise sehr unbezeichnenden Icons. Eine glatte Frechheit ist das als »Uboot-Schule« titulierte Tutorial. Nur: Es ist gar kein Tutorial. Egal ob man Torpedoschießen üben will oder den Angriff auf einen Konvoi: Erklärungen oder Hinweise fehlen komplett. Vielleicht sollte man ein Schild mit »Vorsicht Baustelle« anbringen.

Der dickste Pott im ganzen Spiel direkt vor unserem Periskop: das japanische Schlachtschiff Yamato.

Auch das Handbuch ist wenig ergiebig. Hier gibt es nur allgemeines Geschwafel. Was man genau machen muss, wird auf den immerhin 60 Seiten nicht erklärt. Kenner des Vorgängers finden sich aber schnell zurecht. Periskop ausfahren, Feind anvisieren, Torpedo abfeuern: für Veteranen kein Problem. Allerdings nur, solange sie alle Einstellungen auf »einfach« lassen. Wer die Feuerleitlösung per Hand einstellen will, macht schnell Bekanntschaft mit ein paar unschönen Fehlern. So kann man die anhand der Stoppuhr ermittelten Geschwindigkeitsdaten der Feindschiffe nicht an den Zielcomputer übergeben. Ein sehr ärgerlicher Bug, muss man stattdessen neben dem Ziel herfahren, um so das Tempo zu ermitteln. Dumm nur, dass diese Aktion ewig dauert und man dabei riskiert, entdeckt zu werden. Laut Handbuch helfen die Crewmitglieder bei der Ermittlung der Zieldaten. Tun sie aber nicht, diese Funktion fehlt völlig. Der größte Witz: Radar und Sonar funktionieren nicht oder nur teilweise. So wurde ich von einer Horde Feindflieger umkreist, auf meinem Radarbildschirm war davon aber nichts zu sehen. Wer das Stadimeter benutzen will, um die Entfernung zu ermitteln, muss schon mal mit einem Komplettabsturz rechnen.

Im Wasser treiben Schiffbrüchige. Anders als im Handbuch beschrieben, kann man sie aber nicht retten.

Kann man eine Simulation mit so vielen Fehlern überhaupt spielen? Ja, man kann. Solange vor allem die Feinderfassung automatisch abläuft, funktioniert der Rest ganz ordentlich. Manchmal kann man sogar von den Schwächen der KI profitieren. Etwa, wenn gegnerische Zerstörer nur dumm im Kreis rumfahren, um wie Kanonenfutter auf ihre Versenkung zu warten. Meist sind die Gegner aber recht clever, allerdings neigen sie dazu auf Kollisionskurs zu gehen, statt einfach ihre Geschütze zu benutzen. Da hilft meist nur noch Alarmtauchen. Dann wiederum kann es aber (Bug sei Dank) passieren, dass urplötzlich die Batterieleistung auf Null fällt und das Spiel vorüber ist.

Ach ja, Handelsschiffe sind meist eine leichte Beute. Von Zickzackkurs haben die noch nicht viel gehört.

Warum macht Silent Hunter 4 denn trotzdem Spaß? Das liegt eigentlich allein an der dynamischen Kampagne. Die Aufträge unterscheiden sich sehr stark. Mal muss man nur ein paar Schiffe im Hafen fotografieren. Dann soll man ein Spezialteam vor der feindlichen Küste absetzen oder es gilt, eine bestimmt Tonnage an Handelsschiffen zu versenken. Sind noch Torpedos übrig, kann man zwischendurch auch gucken, was um einen herum noch so vorgeht. Dabei sind die Radiomeldungen sehr hilfreich. Wer etwa in der Nähe ist, wenn die berühmte Schlacht um Midway tobt, darf mittoben. Allerdings dauern die Feindfahrten im Kampagnenmodus trotz Zeitbeschleunigung relativ lange. Wer’s kürzer liebt, wählt eine von elf Missionen, um dann an berühmten Gefechten wie Pearl Harbor oder Midway teilzunehmen. Praktischerweise kann man jederzeit speichern, allerdings funktionierten die alten Spielstände nach dem ersten Patch nicht mehr.

Zoomen und Scrollen auf den Seekarten ist nach wie vor fummelig, dafür werden jetzt alle Hafenanlagen angezeigt.

Obwohl Silent Hunter 4 auf der alten Grafikengine des Vorgängers basiert und nicht mal Shader 3.0 unterstützt, sieht es gut aus. Vor allem der Seegang mit Schaumkronen auf den Wellen wirkt sehr realistisch. Gemüter mit schwachem Magen können sich schon mal die Kotztüte zurecht legen. Auch die Feindschiffe sind herrlich detailliert, es stehen sogar Leute auf Deck. Jedoch stehen sie da auch bewegungslos, wenn der Kahn bereits untergeht. Apropos: Die Schiffe sinken auf höchst unterschiedliche Art. Einige kippen um und blubbern in die Tiefe, andere zerbrechen oder neigen sich erst zur Seite, bevor sie gen Meeresgrund rauschen.

Die englische Sprachausgabe ist okay, vom deutschen Sprachpatch kann man eigentlich nur abraten. Denn dann wird man plötzlich als »Herr Kaleun« tituliert. Wenig passend, auf US-Ubooten.

In Silent Hunter 4 steckt viel drin, auch wenn es meistens gut versteckt ist. So finden tatsächlich die großen Gefechte des Pazifikkrieges statt, wenn man nahe genug dran ist. Und auch die normalen Missionen sind recht spannend. Auf dem (weitgehend fehlerfreien) einfachsten Schwierigkeitsgrad feiert man recht schnell Erfolgserlebnisse. Allerdings werde ich Ubisofts Ubootspiel erst mal so lange beiseite schieben, bis es auch auf den höheren Schwierigkeitsgraden fehlerfrei spielbar ist, die Feinde keine KI-Aussetzer mehr haben und endlich Radar und Sonar richtig funktionieren. Dass die Entwickler das schaffen, haben sie vor zwei Jahren mit Silent Hunter 3 bewiesen. Dennoch ist es eine Frechheit, dieses Mal dasselbe Spielchen wie damals abzuziehen. Vielleicht sollte man so lange warten, bis die Budgetversion erhältlich ist. Die Wertung bezieht sich auf die Version, wie sie jetzt mit dem Patch spielbar ist. Sollten alle Fehler ausgemerzt werden, ist eine Aufwertung auf 8 Punkte möglich.

Die Ubootflotte taucht bereits durch die Tiefen des Pazifiks.

6 / 10

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Mick Schnelle

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