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Sleep is Death (Geisterfahrer)

Hellwach

Ich habe eine Mall gebaut. Eigentlich nur den Keller, und vor allem den Teil, in dem sich hinter der vermeintlichen Tür zu den öffentlichen Toiletten das Portal in eine konturlose Hölle öffnet, einen grauen Raum, aus dem es keinen Ausweg gibt. Meine Freundin allerdings will nicht auf die öffentlichen Toiletten. Sie plaudert mit dem Mann vom Sicherheitsdienst, schenkt einem kleinen Mädchen Süßigkeiten und versucht dann, shoppen zu gehen.

Sleep is Death (Geisterfahrer) lebt davon, dass meine Freundin tun kann, was sie will, und dass ich erzählen kann, was ich will. Sein Schöpfer nennt es ein asymmetrisches Erzählspiel. Der Controller erschafft im Voraus über ein simples Interface aus Klötzchengrafik eine Welt und möglichst viele Dinge, die darin auftauchen könnten. Im eigentlichen Spiel sitzen er und der Spieler an verschiedenen Rechnern und wechseln sich mit ihren Spielzügen ab.

Der Spieler hat 30 Sekunden Zeit, um sich per Mausklick zu bewegen, durch Textbefehle zu handeln und zu sprechen. Dabei kann er tun und sagen, was er will. Der Controller hat 30 Sekunden Zeit, um auf den Zug des Spielers zu reagieren, neue Szenen aufzurufen, Objekte zu verändern, Charaktere sprechen zu lassen und die Musik umzukomponieren. Asymmetrie ist eine recht harmlose Umschreibung der kopflosen Hektik, mit der ich die Mall vor meiner Freundin herbaue, während sie sich über das lange Warten auf meine Reaktion beklagt.

Kein Spiel für die einsame Insel.

Jason Rohrer ist der Entwickler von Sleep is Death. Wer sich für Indiespiele interessiert, kennt Rohrer vielleicht als Autor von Passage, einem fünfminütigen Experiment, das man besser kurz spielt als es sich in derselben Zeit erklären zu lassen. Und Sleep is Death hat wenig mit Passage zu tun. Rohrers neues Werk muss man erst einmal erklären und selbst die Slideshow, mit der er auf der offiziellen Seite sein Spiel vorstellt, deutet nur an, was wie funktioniert.

Das Erzählspiel erscheint jetzt als Download für Windows, Mac und Linux, Vorbesteller spielen bereits seit einer Woche. In der Zeit habe ich mir erste Eindrücke verschafft, aber nicht erfassen können, was mit diesem Werkzeug alles machbar ist. Leise erinnere ich mich an LittleBigPlanet, das anfangs vor allem Chancen und Unwägbarkeiten zu bieten hatte. Aber auch der Vergleich passt nicht. Sleep is Death ist tatsächlich etwas Neues, das man kaum über Vergleiche verstehen wird.

Ein Vergleich hat sich mir allerdings sehr schnell aufgedrängt: Ich bin Rollenspieler, und zwar nicht nur vor dem Bildschirm, sondern mit Charakterblatt am Küchentisch, wo man per Diskussion und Würfel verhandelt, wie man Orks erschlägt oder kosmisches Grauen abwendet. Und das Prinzip ist genau dasselbe -- ein Spielleiter denkt sich den Rahmen einer Geschichte aus, eine Gruppe von Spielern steuert die Protagonisten durch die Welt, völlig frei in ihrer Entscheidung, was sie tun wollen.

Meine erste Komposition: damdamdam.

Wenn man gut zusammenarbeitet, macht das viel Spaß, wenn nicht, dann nicht. Gute Spielleiter lassen Möglichkeiten in der Geschichte offen, zwingen ihre Spieler nicht durch einen vorbestimmten Pfad und können auch improvisieren. Gute Spieler versuchen, ihren Charakter lebhaft und glaubwürdig darzustellen.

Sleep is Death tauscht Charakterblätter und zwanzigseitige Würfel durch zwei vernetzte Laptops, macht aus der Spielergruppe eine Einzelperson, und gibt der Erzählung einen technischen Rahmen. Der Spielleiter heißt jetzt Controller, aber den Titel muss man sich erst einmal verdienen. Beim ersten Direktkontakt mit dem grobpixeligen Interface war ich unsicher, ob ich der Herausforderung gewachsen bin. Vergeblich habe ich nach der Anleitung gesucht. Nicht einmal Shortcuts waren irgendwo erklärt, das Readme erschöpft sich in spärlichen Tipps zur Netzwerkkonfiguration.

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Über den Autor

Jan Bojaryn

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