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The Cycle: Wie Avatar - nur ohne blaue Furrys

Play to win!

Der Epic Game Store ist schon so eine Art kleine Blackbox. Ich habe keine Ahnung, wie erfolgreich Yagers The Cycle aktuell ist, während ich auf Steam jederzeit über die Steam-Charts konkrete Zahlen einsehen kann. Nicht, dass die reine Geschäftigkeit etwas über die Profitabilität aussagen würde, aber ihr wisst, was ich meine. Was ich allerdings sagen kann: Das Spiel gefällt mir durchaus gut und besitzt eine der fairsten und unaufdringlichsten Monetarisierungen in der aktuellen Free-to-play-Landschaft. Grund genug für mich, anlässlich des Starts von Season drei noch einmal ein paar Stunden reinzubuttern.

Und das lief tatsächlich ziemlich gut - geht man Solo in ein Spiel, kommt man auch erfreulich schnell in die stets von 20 Spielern bevölkerten Matches. Selbst im Duo wartet man selten substanziell länger als eine Minute, bis man wie von Sinnen durch die Pre-Game-Lobby jetpackt und anderen Wartenden seine Emotes ins Gesicht drückt. Hier ist durchaus was los - und warum auch nicht: so inklusiv und einladend wie sich dieses Spiel gibt.

Für solche Panoramen liebe ich Science-Fiction. Yager scheint das zu wissen.

Schon das Laden in die neue Raumstation hinein, die man seit Season drei frei erkunden darf und gewissermaßen als hübsches Hauptmenü dient, ist ein Hingucker und macht Lust, sich in dieser von einem neuen Sci-Fi-Goldgräbertum dominierten Welt mal ein bisschen umzugucken. Das riesige ringförmige Habitat, das um den von Stürmen gebeutelten Planeten Fortuna 3 kreist, ist zwar wenig mehr als das Ausrüstungs- und Freischaltmenü zwischen den Partien, aber das könnte man auch deutlich dröger präsentieren. Das hier ist durchaus liebevoll und mit Flair gemacht.

Besonders schön ist aber der Kontrast, den die blühende und von vereinzelten Alien-Ruinen durchzogene Pulp-Sci-Fi-Landschaft der bislang zwei Maps zu eurem durchtechnologisierten Zuhause bildet: Alle paar Meter wechselt das Biom, vom Inneren eines riesigen Monstergerippes zu lila Wäldern zu einer Landschaft hunderter kleiner Salzseen. Diverse überwucherte Anlagen und andere erinnerungswürdige, visuelle Fixpunkte machen beide Maps zu mehr als nur taktisch interessanten Arenen für Gefechte und diverse Sammel- und Verteidigungsmissionsziele. Yager hat Fortuna 3 als eine schön fremde Welt imaginiert, an dem man sich auch ein Action-Adventure oder eine Shooter-Kampagne vorstellen könnte.

Fast fühlt man sich ein bisschen wie in James Camerons Avatar, nur ohne eben die Selbstreflexion, dass das Ausbeuten einer fremden Welt zur eigenen Bereicherung eventuell nicht ganz so nett ist. Dann wiederum präsentiert sich das Spiel durchaus flapsig und nicht allzu ernst und man verdrängt auch keine blauen, intelligenten Katzenmenschen aus ihrem natürlichen Habitat. Alles Leben hier ist betont feindselig: Man schießt reihenweise Gift spuckende Alien-Biester oder Kampfroboter über den Haufen, die sich gegen den Raubbau an ihrer Welt wehren. Sicherlich auch berechtigt, aber nicht annähernd so Sympathie erzeugend wie vor elf Jahren im Kino. Aber sonst hätten wir auch kein Spiel.

Aber hey, wer The Cycle noch nicht kennt, dem hilft vielleicht erstmal ein kleiner Crash-Kurs, was man im Einzelnen macht: 20 Spieler werden per Raumkapsel im Zufallsprinzip am Rand der weitläufigen Karte abgesetzt und das Ziel ist, möglichst viele Aufträge zu erfüllen, bevor nach etwa - oder vielleicht haargenau? Ich sollte mal darauf achten - 20 Minuten ein verheerender Sturm losbricht. Der macht das Überleben auf Fortuna 3 unmöglich, weshalb in der Mitte des Gebiets dann ein Truppentransporter runterkommt, der alle Prospektoren und Prospektorinnen evakuiert.

Während eines tödlichen Gewitters Kristalle sammeln - und sich dabei gegen Feinde wehren: Ebenso lukrativ wie spannend.

PvP spielt zunächst einmal eine untergeordnete Rolle, denn so direkt bekommt man Punkte durch Abschüsse der Konkurrenz nicht. Wichtig für die Platzierung am Ende ist es, Aufträge zu erledigen, die euch im Leaderboard aufsteigen lassen. Besiegte KI-Gegner, die während dieser Aufträge auf den Plan treten, spülen Credits in eure Geldbörse, mit denen ihr euch aus einem vorher ausgewählten Loadout Ausrüstung und bessere Waffen auf den Planeten abwerfen lassen könnt.

Einzelne Missionen wären zum Beispiel das Fördern von Erz: Lasst einen Minenbohrer aus dem Orbit auf eine Ader lila Kristalle runtersausen und verteidigt das Gerät dann gegen die aufgebrachte Fauna, bis der Vorgang durch ist. Je größer die Ader, desto gemeiner die Viecher, aber auch umso höher der mögliche Ertrag. Ist ein Ertragsziel erreicht, könnt ihr mit dem nächsthöheren Level dieser Missionsart weitermachen oder auf andere Missionen umschwenken. Für Abwechslung ist durchaus gesorgt: Andere Aufgaben übertragen euch, einen gefährlichen Kristall möglichst lange mit euch rumzuschleppen, obwohl der eure Position an alle anderen Spieler durchgibt, wieder andere schicken euch aufs Pilzesammeln, um sie an einer vorgegebenen Stelle wieder abzuliefern.

Früh in günstiges Equipment investieren oder auf größere Kaliber sparen? Kleine taktische Entscheidungen, durch die sich das Spiel flexibel und abwechslungsreich anfühlt.

Eine Auftragsart lässt euch Raffinerien auf Gasquellen errichten, die dann das ganze Match hindurch - oder bis sie jemand anderes euch abnimmt - Punkte für euch generieren. Wieder andere Einsätze verlangen von euch das Halten eines Uplink-Punktes oder das Hochfahren deaktivierter Anlagen. Und manches Mal sollt ihr genetisches Material besonders gefährlicher mutierter Kreaturen besorgen - drei Mal dürft ihr raten, wie. Aber auch spektakulärere Aufträge gibt es. Etwa, einen fahrenden Zug zu bewachen, bis er zu seinem Ziel gelangt, oder einen gigantischen Bohrer, der aus dem All herunterfährt, bei seiner automatisierten Ernte zu beschützen. Während der so von einem Standort zum nächsten fliegt, kann man sogar auf ihm verweilen, was zu den beeindruckendsten Momenten im Spiel gehört. Die Spannung, ob einem an der nächsten Station wohl jemand auflauern wird, ist jedes Mal enorm. Ich habe diese besonders lukrativen Aufträge immer bevorzugt angenommen.

Im Solo-Modus darf man anderen, die man trifft, anbieten, sich zu einem Duo zusammenzuschließen, muss im Sinne der Spielbalance dann aber seinen Energieschild lassen, was ein fairer Tausch ist, um die Konkurrenz, die allein unterwegs ist, nicht zu übervorteilen. Gute Idee. Obwohl es immer wieder zu Gefechten mit anderen Spielern und Spielerinnen kommt, räumt die lange Time-to-kill immer wieder Chancen ein, sich aus einem Kampf zurückzuziehen.

Die neue Karte gefällt mir fast besser als die alte. Ist aktuell aber aus der Rotation geflogen, weil sie aus Performance-Gründen überarbeitet werden muss. Bis dahin reicht mir die alte.

Ich gebe zu, ich selbst habe nach Tausenden Stunden, die ich in Rainbow Six Siege, Hunt: Showdown und diversen Arma-Mods verbrachte, so meine Probleme mit der Kugelschwammigkeit. Das bremst auch das Early Game ein wenig, weil man sich selten mit anderen anlegt, bevor man nicht zumindest eine bessere Waffe erspielt hat. Im Kampf selbst schaut man durch die längere Zeit bis zum Abschuss öfter mal ein wenig mehr auf Energieleisten, als dass man sich aufs Schießen konzentriert und manches Mal geht ein Gefecht so lange, dass ein vormals zu seiner Abwurfkapsel zurückgeballerter Spieler einem schon wieder in den Rücken fällt. Aber - und auch das stimmt - mittlerweile habe ich mich damit arrangiert. Zumal nicht wenige Skills, die man freischaltet, dabei helfen, die TTK drastisch zu verkürzen. Die Handgranate ist euer bester Freund! Aber auch Dinge wie die Teleport-Bombe, der stationäre Energieschild und Geschütze sind nette taktische Facetten, die die Kämpfe abwechslungsreich halten.

Richtig spannend wird's dann immer gegen Schluss. Ist man im Leaderboard etwas abgeschlagen, kann es sich lohnen, besser platzierte Teams auf dem Weg zur Evakuierung abzufangen und auszuschalten. Oder führen sie gar nicht so hoch? Dann lohnt es sich, eine Gesundheitsspritze einzukaufen (alle Skills unterliegen einem Cooldown, anstatt in ihrer Anzahl limitiert zu sein) und noch zu versuchen, im tobenden Sturm die eine lukrative Mission abzuschließen, die einen im Scoreboard nach oben befördert und sich währenddessen gesund zu spritzen. Für ein Free-to-play-Spiel ist The Cycle nicht so wahnsinnig selbsterklärend und spiegelt in den ersten Stunden nicht besonders gut wider, wie man sich gerade so schlägt und was man besser machen könnte. Aber das liegt in erster Linie daran, dass es mehr will, als nur Kills zu zählen. Mir ist das lieber als anders herum.

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Und überhaupt: Die Monetarisierung ist durch und durch sympathisch. Nicht einmal Progressionsbeschleuniger kann man kaufen. Alles, was spielerische Auswirkungen hat, kann man allein durch die Spielwährung Krypto-Marken kaufen, die man nur durch Matches verdient. Das ist allerdings auch gut so, denn die unterschiedlichen Waffen der drei Fraktionen, für die man sich verdingen kann, sowie deren Aufsätze und Upgrades für den Anzug eurer Spielfigur und die Skills wirken sich schon deutlich auf eure Erfolgschancen aus. Insofern: Es ist klares "Play to win". Schwer in Ordnung!

Nachdem ich mit The Cycle trotz der coolen Ästhetik zunächst haderte - vor allem wegen der langen Time to kill -, versuche ich mittlerweile fast täglich, eine Runde über Fortuna 3 zu drehen. Ich musste erst einmal verinnerlichen, dass das Spiel nicht zuvorderst an Kills interessiert ist, und mittlerweile finde ich immer mehr Mittel und Wege, die Kämpfe trotzdem für mich zu entscheiden. Man sollte nur wissen: Schießen alleine reicht meistens nicht. Gleichzeitig fühlt sich das Spiel auf diese Weise deutlich inklusiver an, gibt weniger beschlagenen Spielern zweite und dritte Chancen, ohne versierte Killer zu viele Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Insofern: Cooles Spiel. Darf man ruhig weitersagen.


  • Entwickler/Publisher: Yager
  • Plattformen: PC (Epic Game Store)
  • Release-Datum: erhältlich
  • Sprache: Deutsch, Englisch und weitere
  • Preis: Free-to-play, rein kosmetische Mikrotransaktionen
In diesem artikel

The Cycle

PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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