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Too Human

Allzu menschlich

Das größte Manko von Too Human hat wenig mit dem eigentlichen Spiel zu tun. Es ist Gründer und Präsident Denis Dyack, der mit seinen visionären Ideen und fast größenwahnsinnigem Auftreten die Branche in zwei Lager spaltet.

Auf der einen Seite die Fans, die sein Gedankenkonstrukt zu einer Ein-Konsolen-Zukunft lieben und sich freuen, dass er sich auch mit etablierten Kräften anlegt. Auf der anderen Seite seine "Feinde", wie zum Beispiel die gesamte NeoGAF-Gemeinde, die seine paranoiden Spielchen und überheblichen Aussagen zur Qualität von Too Human einfach nicht mehr hören können.

Gerade mit letzterem hat er die Erwartungen ins Unendliche geschraubt und so eine objektive Betrachtung des Titels fast unmöglich gemacht. Kein Wunder also, dass die ersten Blogger die recht plumpe Geschichte samt der Abziehbildchen-Charaktere in Grund und Boden geschrieben haben. Wer sich mit der Internet-Gemeinde anlegt, kann am Ende eigentlich nur verlieren. Eine Lektion, die Denis Dyack unbedingt lernen sollte, damit seine Spiele nicht unter seiner aggressiven Art leiden müssen. Zumal Too Human deutlich besser ist als sein Ruf.

Es ist natürlich richtig, dass Geschichte, Charaktere und vor allem die deutsche Sprachausgabe trotz der Integrierung der nordischen Göttersagen nicht mit anderen Blockbustern mithalten können. Wer gesehen hat, was Bioware bei Mass Effect leistet, wird über den Helden Baldur und seine überzüchteten Götter-Freunde nur schmunzeln können. Auch die Mischung der Sagenwelt mit Science Fiction-Elementen wird nicht bei allen Spielern für Begeisterung sorgen. Auf diese Weise konnten die Entwickler, wie in Action-Rollenspielen so üblich, zwar auch geschickt Fernkämpfe in den Stoff einarbeiten, trotzdem wirkt der Stoff so oft aufgesetzt und deplatziert.

E3-Trailer

Es ist natürlich Geschmackssache, ob der Brücken-Wächter Heimdall in einem schwerelosen Büro residieren sollte, in dem eine dickbusige Sekretäring Euch per Headset ankündigt. Oder Grendel, der eigentlich aus einer anderen Sagenwelt stammt, als fleischfressender Roboter dargestellt wird und zusammen mit mechanischen Goblins in einer HighTech-Stein-Höhle lebt. Dank der recht schicken Grafik und der grundsoliden Vorlage, gleitet das Geschehen nur selten ins Lächerliche ab und bietet massenhaft Intrigen und Verrat. Fans der Materie werden aber trotzdem laut aufstöhnen und die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

Ähnlich wird es Euch anfangs beim Gameplay gehen. Die Eternal Darkness-Macher Silicon Knights werfen mit einem Schlag einen der Standards der modernen Third-Person-Spiele über den Haufen. Statt mit dem rechten Analogstick die Kamera zu steuern, startet Ihr damit Euren Nahkampf und bestimmt die Angriffsrichtung. Fast wie bei Geometry Wars könnt Ihr so recht ansehnliche Kombinationen hinlegen, die gerade in einer Masse von schwachen Gegnern einen dicken Adrenalin-Kick abliefern und in den besten Momenten an Spiele wie Devil May Cry erinnern.

In Kombination mit verschiedenen Spezialmanövern entsteht nach einer langen Eingewöhnungszeit ein beeindruckender Spielfluss, der aber auf Kosten des Überblicks geht. Die Kamera macht eigentlich nie, was Ihr wollt. Und selbst die Zentrierung hinter Eurem Charakter oder die Wahl einer Pseudo-Iso-Perspektive lässt viele Wünsche offen.

Dieses Spinnenwesen ist mit einem Schutzschild ausgerüstet.

Auch sonst wirft Euch Too Human zu Beginn recht ahnungslos ins kalte Nass. Das komplexe Gameplay mit Kombo-Attacken, Finishing-Moves, einem hochkomplexen Aufrüstungssystem und diversen Fertigkeiten wird kaum erklärt und wirkt überladen. Nach einer Weile steigt man zwar hinter die sechs Waffenkategorien, die vielen Statistiken der zufallsgenerierten Items, die Waffenmuster und das Runensystem, doch intuitiv geht anders. Immerhin stellt sich recht schnell die Sammelleidenschaft ein und einige Automatismen erleichtern die Action-Rollenspiel-Alltag.

Held Baldur nimmt nicht nur automatisch alle fallengelassenen Ausrüstungsteile auf, sondern macht auch den ganzen überflüssigen Kleinkram zu Geld. Kaum ist nämlich Euer Inventory voll, landet statt einem schwachen Brustpanzer der entsprechende Betrag auf Eurem Konto. Stundenlange Inventory-Sessions fallen damit fast komplett flach. In diesem Punkt hat sich Silicon Knight selbst übertroffen.

Deutlich langweiliger fällt die Charakter-Entwicklung aus. Auf den Pfaden der unterschiedlichen Klassen (Rollenspiel-Standards: Kämpfer, Berserker, Verteidiger, Fernkämpfer, Heiler) gibt es kaum zusätzliche Spezialattacken. Die Fähigkeiten rüsten vielmehr Eure Angriffe auf, stärken Eure Rüstung oder sorgen für Elementar-Angriffe. Ohne Heilung haben es so gerade einige Kämpferklassen recht schwer, da der Lebensenergie-Nachschub nur durch fallengelassene Heil-Objekte und den Levelaufstieg gewährleistet ist.