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Valkyria Chronicles

Krieg im Wasserfarben-Land

Die Tage werden kürzer, die Temperaturen verwandeln sich von ungemütlich in unerträglich und die Zeit der Videospiele beginnt. Statt gelangweilt vor dem eher traurigen Fernsehprogramm zu hocken, taucht die Fangemeinde in bizzare Welten, fremde Charaktere und packende Abenteuer ein. Wie jedes Jahr haben die Publisher dabei eine bunte Palette bekannter Szenarien zusammenstellt und bombardieren uns mit klassischen Fantasy-Universen, verseuchten Raumschiffen oder den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs. Ungewöhnliche Titel, wie etwa Valkyria Chronicles, haben da wenig Chancen, sich aus der Masse hervorzuheben und ihre Zielgruppe zu erreichen.

Es fehlt einfach oft an Zeit und Geld, um sich solch schrägen Nischenprodukten zu widmen. Dabei sticht der Titel aus der Masse der Mittelmäßigkeit und Langweile wie eine Perle hervor, die sich aber erst auf den zweiten Blick zu erkennen gibt. Wie seine Genrevertreter leidet Valkyria Chronicles zwar unter den süßlichen Nonsens-Dialogen, riesigen Mandelaugen und dem etwas verdrehten Humor, doch unter der Oberfläche steckt ein spielerisches Rundenstrategie-Schwergewicht, das so manch westliches Produkt alt aussehen lässt.

Satte 30 Stunden Einzelspieler-Kampagne, Dutzende Skirmish-Missionen und unzählige Charaktere warten auf ihre Entdeckung. Segas neustes Japan-Kleinod liefert genug Umfang, um Euch für die nächsten Tage, Wochen und Monate zu beschäftigen. Um ein Haar wäre aus Valkyria Chronicles sogar ein echter Überraschungshit geworden. Mit einem einmaligen Grafikstil, einer für japanische Verhältnisse erfreulich erwachsenen Geschichte und einem gelungen Action-Strategie-Mix wirkt der Titel nahezu perfekt. Beim näheren Hinsehen findet man zwar immer mehr Sand im Getriebe, der den Gameplay-Motor zum Stottern bringt, ihn zum Glück aber nie stoppt.

Trailer

Doch zuerst ein paar erfreuliche Details: Beim Szenario beweisen die Japaner mal wieder viel Liebe zur europäischen Kultur. In einer verdrehten Version des Zweiten Weltkriegs stehen sich die beiden Großmächte der Föderation und des Imperiums gegenüber.

Zwischen diesen beiden Giganten, die wohl die Ost-West-Problematik darstellen sollen, liegt das kleine Land Gallia. Neutral wie die Schweiz hat sich der wohlhabende Staat bisher aus dem Konflikt heraus gehalten. Doch die reichen Ragnite-Vorkommen, eine Art Super-Öl, das Maschinen antreibt und Menschen heilt, wecken Begehrlichkeiten. Als der Konflikt mit dem direkten Kontrahenten in die heiße Phase übergeht, versucht das Imperium sich das friedliche Stückchen Erde einzuverleiben.

Ausnahmsweise ist der Held der Geschichte kein 16-jähriger Jüngling, der sich zum Retter der Nation aufschwingt oder unter Amnesie leidet. Mit seinen 22 Jahren ist Welkin fast schon ein alter Hase und statt freudig in den Krieg zu ziehen, möchte er eigentlich nur die Natur studieren. Im Laufe der Geschichte legt der Generalssohn seine leicht pazifistische Grundhaltung schnell wieder ab, trotzdem präsentiert sich die Geschichte von Valkyria Chronicles erfreulich vielschichtig.

Hier wird eine der Spezialfähigkeiten aktiviert.

Ob Rassimus, Konzentrationslager oder der all gegenwärtige Tod, unter dem Zuckerguss der süßen Charaktere, seichten Gespräche und vorpubertären Liebschaften lauert der Abgrund eines echten Kriegsdramas, bei dem liebgewonnene Figuren nach einigen Missionen den umfangreichen Friedhof pflastern.

Das zweite Highlight ist ganz sicher der Grafikstil. Statt klassische Manga-Techniken zu nutzen, wurde der gesamte Titel in ein Gemälde verwandelt. Schatten werden von der Grafik-Engine als gestrichelte Linien dargestellt, Flächen zeigen pinselartige Spuren und blasse Farben bestimmen die Tonalität. Eingerahmt von einem weißen Bilderrahmen wirkt der Titel wie frisch aus dem Atelier eines begnadeten Künstlers. Unterstrichen wird diese fast surreale Darstellung durch Comic-hafte Effekte, die den Sound des Spiels visualisieren. Schüsse und Explosionen werden lautmalerisch in Worte verwandelt, die aggressiv über den Bildschirm flackern. Der Titel wagt sich so visuell weit von den üblichen Konventionen weg, nur um sich dramaturgisch streng an sie zu halten.