Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

War Front: Turning Point

Geht's auch mal ohne D-Day?

Echtzeitstrategie mit WW2-Flair – nein, ich beginne jetzt nicht wieder mit dem Gejammer, dass wir RTS-Zocker uns vor Kampagnen in der Normandie und an der Ostfront, vor guten Alliierten und bösen Achsenmächten nicht mehr retten können. Das ist mittlerweile genauso langweilig wie das Phänomen mit den Zweiten-Weltkriegs-Szenarien selbst. Und überhaupt: War Front: Turning Point macht vieles anders. Manchmal hat man das Gefühl, die Entwickler hätten selbst die Nase voll vom RTS-Einerlei und würden das Genre kräftig auf die Schippe nehmen. So kam es mir beim Spielen jedenfalls vor: ich wusste nie, wo meinen es die Leute ernst und wo machen sie Spaß. Gute Voraussetzungen – denn so wird jeder Spieler War Front: Turning Point etwas anders erleben. Stoff für Diskussionen …

Am Anfang wirkt noch alles ganz normal: Martialische Orchestermusik, die ein bisschen an Star Wars erinnert, stimmt auf das martialische Geschehen ein. Graue, panzermäßige Menüs. Eine Introsequenz mit blonden, blauäugigen Deutschen Marke Rammstein, forschen Amerikanern und rassigen Russinnen in schwarzer Lederkluft. Man kennt sich aus. In zwei Einzelspieler-Kampagnen darf in jeweils 11 Missionen auf der Seite des deutschen Widerstands oder der Alliierten gekämpft werden, während die russische Seite ihre Trümpfe in erster Linie auf den Mehrspieler-Karten ausspielt. Nachdem ein gut gemachtes Tutorial auch Einsteiger in die Welt der traditionellen C & C-Steuerung eingeführt hat, geht es schon in den ersten Missionen der Einzelspieler-Kampagnen ziemlich flott zur Sache. Jawoll, flott: In War Front: Turning Point dürft Ihr wieder mal Stützpunkte bauen und Rohstoffe ernten. In den sekundenschnell errichteten Fabriken werden im Handumdrehen ganze Panzerbataillone produziert und massenweise Infanteristen ausgeworfen – vorausgesetzt, der Ressourcenvorrat stimmt.

Die Truppe komplettieren Helden wie der schneidige Ami Lynch oder der Deutsche mit dem lindenstraßenreifen Namen Roland Hellmann, die ihren Leuten mit ausbaufähigen Spezialfertigkeiten zur Seite stehen. Später zeigt sich jedoch, dass die Helden zwar oft in der Story eine tragende Rolle spielen, in den eigentlichen Missionen jedoch ziemlich blass bleiben und das Spielgeschehen weniger beeinflussen als man sich vielleicht wünschen würde.

Lass es ordentlich krachen!

Spielzeugpanzer stapeln bei der nächtlichen Attacke in London.

Raffinierte taktische Winkelzüge sind in War Front: Turning Point eigentlich nicht vonnöten, stattdessen könnt Ihr nach Herzenslust der Materialschlacht frönen. Das Spiel funktioniert nach dem traditionellen Papier-Stein-Schere-Prinzip und gibt Euch die Möglichkeit, mit riesigen Armeen auf dem Bildschirm die aberwitzigsten Feuerwerke zu entfachen. So bieten die Amerikaner vom einfachen MG-Schützen über den Sherman-Panzer mit Raketenwerfer bis hin zur B-17 Flying Fortress und zum fiktiven Atombomben-Nurflügler XP-35 Northrop das volle Programm, während die Deutschen mech-artige, raketen- und MG-bewehrte Exoskelette, Schallwellenpanzer und bizarre Kriegszeppeline in die Schlacht schicken. Auf russischer Seite fallen neben Molotov-Infanteristen und Stalin-Orgel besonders die Schockfrost-Panzer ins Auge, die gegnerische Einheiten kurzerhand durch Vereisung kampfunfähig machen.

Ihr seht schon: mit der historischen Genauigkeit ist es in War Front: Turning Point nicht weit her. Statt in einem möglichst naturgetreu nachgebildeten Tiger in den Ardennen herumzuliegen, verwandelt Ihr gegnerisches Territorium mit gigantischen Erdbebenbomben in eine Trümmerwüste. Die Leute von Digital Reality haben hier ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Alles wirkt irgendwie völlig satirisch übersteigert, und statt einer digitalen Geschichtslehrstunde steht auf dem Bildschirm die pure Lust am schnellen Schlagabtausch und am effektvoll inszenierten Kampfspektakel im Vordergrund – und tatsächlich ist War Front: Turning Point ein Spiel geworden, das alle Sinne anspricht und einfach einen Riesenspaß macht.

Nostalgie mit Witz

Dank eines großzügigen Verteidigungsrings ist der russische Luftangriff auf die Basis schnell abgewehrt.

Der Spaß kommt nicht von ungefähr und die Satire nimmt nicht nur das WW2-RTS-Genre an sich auf den Arm. War Front: Turning Point besinnt sich zurück auf den Echtzeit-Urvater und knüpft in vielerlei Hinsicht direkt an Command & Conquer an. Da ist zum einen die butterweiche, herrlich unkomplizierte „Point & Click“-Steuerung, die jedem C&C-Veteranen seit 14 Jahren in Fleisch und Blut übergegangen ist. Nullkommanichts habt Ihr mit wenigen Mausklicks eine komplette Basis aus dem Boden gestampft, eine Armee aus Infanterie und Panzern produziert und scrollt dann in Windeseile ohne den geringsten Ruckler zurück zum Krisenherd.

Auch das Ranzoomen lohnt sich: die Details zeigen ebenfalls den Humor der Entwickler, wenn sich beispielsweise Eure Soldaten in der Kaserne mit Klimmzügen und Liegestützen fit halten. Die Bezüge zu Command & Conquer sind mit Interface und Szenario jedoch noch nicht zu Ende. Digital Reality weckt auch mit zickiger Wegfindung und dümmlichen KI-Einheiten zarte Erinnerungen an die ewigen Schwächen der Reihe um die Bruderschaft von NOD. Ob das als Reverenz an das große Vorbild gedacht oder „einfach nur so passiert“ ist, wird wohl ein Geheimnis der Entwickler bleiben. Man kann sich jedenfalls ein Schmunzeln nicht verkneifen, und die gute Laune beim Spielen konnte mir zumindest dieser Aspekt nicht verderben.

Hey, Hardcore-Strategen! Drückt mal ein Auge zu bei taktischem Anspruch, mäßiger künstlicher Intelligenz und kleinen Schwächen in der Einheitensteuerung! War Front Turning Point ist einfach die beste Feierabend-Unterhaltung, die man sich vorstellen kann: Nach dem denkbar einfachen Einstieg erwartet Euch temporeiches Gameplay mit einer packenden Story. Ihr bekommt für Euer Geld jede Menge Abwechslung und üppige Spezialeffekte in wendungsreichen Missionen geboten. Und obendrauf gibt´s noch ein paar nette Seitenhiebe auf die Genre-Konkurrenz! Auch der Mehrspieler-Modus macht mit gutem Balancing und den erfreulich zügigen Aufbauphasen richtig Laune. Was will man mehr? Wer nicht gerne lange plant und lieber gleich losschlägt, der ist mit War Front: Turning Point bestens bedient!

8 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel
Verwandte Themen
PC
Über den Autor
Kommentare