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Wie Fallen Legion Revenants mich zu einem Miasma-Zombie machte

Niemals ein Spiel nach dem Cover bewerten, merke ich mir.

Februar 2021. Ich sitze zwischen NieR:Automata, Persona 5 Royal, Strikers, Shin Megami Tensei und nach meinem persönlichen Highlight aus letztem Jahr 13 Sentinels und bin glücklich, meine Japan-Welt ist in Ordnung. Aber da kommt was Unbekanntes von der Seite heran: Nippon Ichi Software stellt ein neues Fallen Legion vor, Fallen Legion Revenants. Nach Fallen Legion: Sins of an Empire und Fallen Legion: Flames of Rebellion. Okay, na dann.

Diese Welt ist voller Miasma, die Waffen heißen Exemplars und ein fliegendes Schloss Welkin soll die letzte Zuflucht davor sein, sich nicht in ein rottendes Monster zu verwandeln. Die Namen klingen mehr nach Final Fantasy als nach allem anderen. Ich schaue verwirrt in den ersten Trailer. Und weiter. Aber schaut selbst:

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"YummyYummyTummy" heißen die Entwickler, von denen oder von der Serie "Fallen Legion" habe ich noch nie etwas gehört, ist das wieder so ein Underdog-Universum das ich kennen müsste, wäre ich in den 80ern geboren? Habe ich da was Großes verpasst? Ich hoffe eigentlich darauf, dass es nur ein kleines Franchise ist, das Niemand beachtet, weil es so furchtbar billig aussieht. Dass es endlich ein kleiner Titel wird, mit dem ich schnell durch bin. Ja vielleicht sogar ein Titel, bei dem ich unter Beweis stellen kann, dass es Spiele gibt, die ich mal nicht gut finde!

Ich starte also mein Fallen Legion Revenants. Normalerweise erwartet mich nun eine Cutscene, ein Tutorial, ein paar Charaktere, die sich vorstellen, aber nichts dergleichen passiert. Stattdessen begrüßt mich ein unfassbar unattraktiver Ladebildschirm mit irgendeinem generischen Kampftipp, der mir absolut überhaupt nichts sagt. Okay? Ich werde in einen Kampf geschmissen mit drei Figuren, die aussehen als wären sie gerade aus einem japanischen Papiertheater entsprungen. Wenigstens erklärt mir das Spiel nach und nach, welche Tasten ich zum Angriff nutzen muss. Dass meine Seite drei Bewegungsfelder hat und der Gegner vier, verwirrt mich trotzdem. Dass meine Gruppenführerin anscheinend ein Geist ist und nur zaubern kann, ohne richtigen Angriffsschaden auszuteilen, auch. Das Tutorial - ohne mich wissen zu lassen, dass es eins ist - gleitet nach einigen kurzen Kämpfen in eine vertonte Geschichte in einem Schloss.

Was man nicht ahnt, wenn man Fallen Legion nur an seinem Äußeren misst: Das Kampfsystem ist wirklich 'Cool!'

Hier unterhält sich wohl der zweite Hauptcharakter, ein Politiker namens Lucien, mit dem Herrn des Schlosses. Danach geht's weiter zum Tutorial. Ich bemerke das Ende der Einführung nur daran, dass nichts mehr vertont ist. Endlich kann ich speichern. Mich über das Kampfsystem informieren, indem ich mir in der Bibliothek alle Bücher durchlese. Ich lerne mein viertes Gruppenmitglied kennen: Eine Hofdame mit Pistolen und Zaubertränken. Manchmal erinnern mich die Erkundungen im Schloss sogar an Vanillaware, aber so hübsch gezeichnet sind die Figuren noch lange nicht. Die Hintergründe sind schon schön ausgeleuchtet, aber eben nicht so dynamisch und die Kampf-Passagen sind sowieso sehr eigen. Ab und zu ertönt ein "Wieso bricht der Soundtrack ständig ab?" von der Couch im Wohnzimmer. "Na weil's der Ladeschirm ist!", antworte ich. Ein zugegeben hässlicher Ladescreen. Und auch das mit der Musik können Spiele in 2021 eigentlich besser. Ich mache noch ein, zwei Untersuchungen im Schloss und beende meine Runde. Endlich kann ich mich auch Mal negativ über ein Spiel auslassen: Mangelnde Nutzerfreundlichkeit. Hässliches Design. Furchtbare Ladebildschirme. Es gibt gleichzeitig zu viele Infos und irgendwie trotzdem zu wenige. Ich weiß immer noch nicht worum es genau geht. Wenigstens wirkt das Kampfsystem innovativ: Eine Mischung aus Echtzeitstrategie und JRPG bekommt man nicht jeden Tag.

Nächster Versuch: Konsole ein, Sinn für Ästhetik aus. Wieder gibt es keine Intros, ein schwarz-weißer Bildschirm begrüßt mich. Diesmal steht da ein Ausschnitt aus Rowenas Geschichte, der Geister-Anführerin meiner Kampftruppe. Bevor ich diesmal in den Kampf darf, kann ich meine nun vierköpfige Truppe ausrüsten. Stimmt, ich habe am Ende jeder Runde ein paar Gegenstände eingesammelt, die für mich kryptisch Klangen. Die haben allerdings ganz gute Werte: 20% mehr kritischer Schaden, 3 Punkte Rüstungsverstärkung und andere Dinge, die man ganz gut aus anderen RPGs kennt. Endlich etwas Vertrautheit in einem Spiel, das sich anscheinend nur und wirklich nur an eingefleischte Fans der Serie richtet. Mitten im Kampf fragt mich Rowena, wo wir denn nun hingehen. Ich soll mich zwischen zwei Pfaden entscheiden. Wie soll ich das denn tun?! Dieses Universum sagt mir überhaupt nichts! Bevor ich mich aufregen kann, bietet Lucien aber schon eine Lösung: Er schleicht durchs Schloss und sucht nach Information, die mir weiterhelfen könnten. Allerdings habe ich dafür nur 30 Sekunden Zeit. Schnell renne ich also durch diesen Raum und rede mit so vielen Leuten, wie ich kann. Ich untersuche blitzschnell jedes Fach. Was ich dabei übersehe: Die Zeit bleibt stehen, während ich mir die Konversationen oder Beschreibungen durchlesen darf. Natürlich habe ich mir während des Zeitdrucks nichts davon durchgelesen. Rowena fragt nun noch einmal: Welchen Weg sollen wir nehmen? Ich hab immer noch keinen blassen Schimmer und wähle irgendwas. Es kommen ein paar Kämpfe und ich lande im Schloss. Speichern. Konsole aus.

Das Wahlrecht in einer Dystopie ist nunmal schwierig. Vor allem wenn alle Politiker sich in einem fliegenden Schloss befinden.

Konsole ein. Was mache ich schon wieder hier? Mir ist aufgefallen, dass ich Luciens Stimme wiedererkenne. Es ist Joe Zieja, der englische Synchronsprecher von Claude, meinem Lieblingscharakter aus Fire Emblem: Three Houses. Außerdem beginnt mich dieses Kampfsystem zu faszinieren. Ich will es meistern. Ich will ohne Schaden eine Runde durchs Miasma schaffen. Mittlerweile habe ich begriffen, dass ich durch effektives Blocken die Angriffe meiner Gegner zu meinem Vorteil nutzen kann. Wie ich Rowenas Magie in Verbindung mit dem Spielfeld effektiv nutzen muss und die Spezialattacken von den KriegerInnen besser einteilen kann. Unterwegs begegnet mir ein weiteres Rätsel, diesmal nicht auf Zeit. Es geht darum, dass ich mit Lucien an politischen Besprechungen teilnehme und nachvollziehbare Entscheidungen treffe. Geschafft! Nun kann ich über Entscheidungen wie Essensverteilung bestimmen. Noch eine Runde. Diesmal habe ich innerhalb der 30 Sekunden den Weg richtig recherchiert. Rowena findet so ein "Exemplar", also eine der mächtigen Waffen. "Wow, das Kampfsystem macht richtig Spaß!", stelle ich zu meiner Überraschung laut fest.

Vielleicht sollte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber dieser Zeichenstil kommt nicht auf mein Pinterest!

An dieser Stelle hätte ich mir gerne Zeit gespart und Euch mitgeteilt, dass das Spiel unspielbar ist. Dazu keine schöne Grafik und keine animierten Erzählungen. Wenn man Glück hat, wird man mit Bildern belohnt, die aussehen als hätte ein zufälliger Besucher der Anime Expo sie live gezeichnet. Aber all das fällt in der Suchtgefahr des ausgefeilten Kampfsystems und des Zusammenspiels der Politik-Passagen schnell nicht mehr groß ins Gewicht und wird mich noch ein Weilchen beschäftigen. Ich will mich ja nicht umsonst bis hierhin durchgekämpft haben. Das macht Fallen Legion Revenants zwar noch lange nicht zum Pflichtprogramm, aber der erfrischende Mix aus RPG mit einem schnelleren und gleichzeitig strategischem hat seinen Charme, das muss ich ihm mittlerweile lassen. Wenn man denn die Geduld hat, sich durchzubeißen, denn scheinbar rechnetet hier niemand damit, auch nur einen neuen Fan der Serie dazuzubekommen. Nun, man sollte ein Buch nicht nach seinem Äußeren beurteilen und hier passt das wohl auch. Und gute Güte, ist es ein unerfreuliches Äußeres...


  • Entwickler / Publisher: YummyYummyTummy / NIS America - Koch Media
  • Plattformen: PS4, Switch
  • Release-Datum: 19.2.2021
  • Sprache: Englisch
  • Preis: ca. 50 Euro
In diesem artikel

Fallen Legion Revenants

PS4, Nintendo Switch

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Über den Autor
Ana Kudinov Avatar

Ana Kudinov

Video Editor

Ana macht bei Eurogamer.de seit 2020 die Video-Redaktion. Sie streamt in ihrer Freizeit und spielt viel Strategie- und Indiespiele am PC - kann aber grundsätzlich mit jedem Genre und jeder Konsole etwas anfangen. Ana liebt es sich über Japan und Anime zu unterhalten und verbringt dementsprechend auch viel Zeit mit JRPGs und anderen Besonderheiten aus dem asiatischen Raum.
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