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Assetto Corsa Evo: Ich hoffe, dass die Harcore-Simulation noch aufs Gas tritt, denn sie ist gut, riecht aber selbst für einen Early-Access-Titel nach Frühstart

Very Early Access.

Was Assetto Corsa heißt, zählt zu den Besten unter den Hardcore-Simulationen: Teil eins nicht nur aufgrund seiner Fahrphysik, sondern auch wegen seines enormen Umfangs, den schier zahllose Mods im Laufe der Jahre noch mal gehörig erweitert haben, und Teil zwei vor allem wegen seiner Qualität im Simulieren der GT3-Klasse. Und das beides scheint Assetto Corsa Evo nun zu vereinen.

Wobei die gerade veröffentlichte Early-Access-Version nur eine sehr kurze Vorschau davon bietet, was im fertigen Spiel sein wird. Fünf Strecken und zwanzig Fahrzeuge, mehr steckt gegenwärtig noch nicht drin. Auch in Sachen Karriere, Meisterschaft oder Multiplayer – ja, nicht einmal ein ganzes Rennwochenende kann man fahren, sondern nur einzelne schnelle Rennen. Auch online geht aktuell noch gar nichts.

Auch die für Sommer geplante offene Welt, 1.600 Quadratkilometer der Eifel, genauer gesagt das Gebiet im Bereich der Nordschleife, ist jetzt noch Zukunftsmusik. Dort wird man später frei fahren, sicher auch Rennen austragen, abgesehen davon aber Shops aufsuchen können, um seine Fahrzeuge zu tunen sowie neue auszuleihen.

Tatsächlich erinnert so manches davon, was Entwickler Kunos Simulazioni plant, an Gran Turismo. Schließlich ist man diesmal, ähnlich wie im ersten Assetto Corsa, nicht nur mit Rennwagen unterwegs, sondern nimmt auch am Steuer ganz normaler Straßenfahrzeuge Platz. Unter anderem befinden sich ein Ford Escort im Spiel, ein Abarth 695 Aposto, ein Alpha Romeo Junior, ein Golf 8 sowie natürlich diverse Luxus- und auch Sportfahrzeuge.

Man wird in einer Akademie Lizenzen erwerben, kann die Autos beliebig lackieren (auch wenn man im Editor derzeit lediglich die Farbe für Karosserie und Radkappen ändern darf) und es wird auch hier (Gran Turismo lässt grüßen?) Händler geben. Ich bin gespannt, wie genau das alles zusammenkommt. Denn das lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gar nicht abschätzen.

Im aktuellen Zustand ist Assetto Corsa Eve eher eine umfangreiche Demo statt ein zur Hälfte ausgereiftes Spiel. Viel mehr als Technik und Physik kann man deshalb noch nicht einschätzen. Man muss einfach festhalten, dass viele Titel bereits in dieser Phase umfangreicher sind und in ihren Details ausgefeilter als es hier der Fall ist.

Dass man nicht einmal das Menü ohne Maus beziehungsweise Tastatur bedienen darf, bevor man das entsprechend eingestellt hat, ärgert mich zum Beispiel und hat die ersten Minuten in meinem Rennsitz zu einer frustrierenden Fummelei gemacht. Ich wünschte, Kunos hätte im dritten Assetto-Anlauf endlich auch dem Umfeld seiner aufwändigen Simulation mehr Bedeutung zugemessen. Zumal es nicht einmal Profile für gängige Lenkräder gibt, weshalb ich nicht nur das Navigieren im Menü, sondern die komplette Steuerung zuweisen musste, bevor ich endlich Gas geben konnte.

Aber gut; genug Inhaltsüberblick. Dann endlich mal zu dem, was zwischen Gummi und Asphalt geschieht. Die meiste Zeit war ich mit dem Porsche 911 GT3 Cup unterwegs, weil der nicht nur hier, sondern auch in Assetto Corsa Competizione sowie anderen Sims verfügbar ist, damit einen guten Vergleichswert bietet und zumindest halbwegs nah an der von mir geliebten GT3-Kategorie ist. Lasst euch nur vom Namen nicht täuschen: Bei der Cup-Variante handelt es sich nicht um ein GT-Auto.

Grundsätzlich fühlte sich das vom Start weg jedenfalls richtig gut an. Vor allem das Gewicht des Fahrzeugs bekommt Kunos wieder mal hervorragend hin – für mein Empfinden sogar etwas besser als zuletzt. Selten war es dermaßen befriedigend, einen Boliden so über unebenen Asphalt zu wuchten, dass er nach dem Überfahren einer Bodenwelle in die richtige Spur versetzt wird. Beim Beschleunigen nach den Esses in Suzuka kann man das zum Beispiel erleben.

Wobei die Wagen in Evo deutlich weniger übersteuern als die des Vorgängers. Vielleicht liegt es ja an mir, aber so sehr ich Competizione auch mag, so oft bricht mir dort das Heck aus – um Welten häufiger als in anderen Simulationen. Doch das ist mit Evo zum Glück erst mal Geschichte, denn dort hat man es eher mit einem dezenten Untersteuern zu tun, also der Tatsache, dass man aus der Kurve heraus getragen wird, anstatt Pirouetten zu drehen.

Erstaunlicherweise finde ich es dabei trotzdem leichter, das Fahrzeug beim Bremsen in die Kurve zu drehen. Wie realistisch beides ist, kann ich als rein virtueller Pilot nicht sagen. Eine Idee einfacher beziehungsweise nachvollziehbarer als zuletzt ist das Fahren in Evo aber auf jeden Fall und einen Teil tragen dazu auch das überwiegend detaillierte Force Feedback sowie das ausgesprochen laute Quietschen der Reifen bei. Letzteres habe ich sogar fast um die Hälfte reduzieren müssen, um den Motor stets zu hören. Der ist im Gegenzug nämlich in manchen Situationen seltsam leise – ich tippe auf einen kleinen Programmfehler, der schnell behoben sein dürfte.

Assetto Corsa Evo im Early Access

Woran Kunos auf jeden Fall noch arbeiten muss, ist das Verhalten der KI-Konkurrenten. Die verursachen nämlich bei fast allen Starts selten dämliche Unfälle und könnten spätestens auf der höchsten Einstellung ein bisschen mehr Zug vertragen, um auch erfahrene Piloten anständig zu fordern. Außerdem ist es zwar gut, dass sie sich der Position des Spielers bewusst sind, nur machen sie derzeit noch viel zu freizügig Platz, was das Überholen stärker vereinfacht als es sollte.

Abgesehen davon wäre es schön, wenn die Entwickler auch ihre neue Grafikengine besser in den Griff bekommen. Die schafft es bei einer RTX 3080 nämlich auf deutlich mehr als 60 Sekundenbilder – aber nur mit maximal zehn Gegnern und bei schönstem Sonntagswetter. Bin ich hingegen nachts und bei Regen unterwegs, sackt die Bildrate schon mit so wenigen Kontrahenten auf knappe 30 ab. Das ändert sich auch nicht, wenn gar kein anderer Wagen in Sicht ist.

Selbst das Umstellen auf die niedrigste Detailstufe und DLSS in der Performance-Einstellung hilft erstaunlich wenig. Und dass das Programm bei jedem Start von der gewählten Auflösung auf die für das aktuelle Display maximale wechselt, ist ebenfalls keine Hilfe. Aber das nur am Rande und als Notiz für die Liste der zu beseitigenden Early-Access-Käfer – gemeint sind alle ohne VW-Kennzeichen.

Lässt man die technischen Schwächen mal außen vor, sieht Assetto Corsa Evo aber übrigens richtig gut aus! Den Materialien der Umgebungen und Cockpits fehlt es zwar an „Struktur“, beides wurde aber detailliert nachgebaut und mir gefällt vor allem die bodenständige Farbgebung. Doch so richtig dreht die Simulation erst nachts und bei Regen auf. Die in der Straße und auf den Banden spiegelnden Rücklichter sind dann ebensolche Hingucker wie die vom Nebel verwaschenen Lichter der elektronischen „Flaggen“ und das Beseitigen von Regenwasser durch die Scheibenwischer.

Die Basis ist damit wirklich vielversprechend. Das Fahrverhalten gefällt mir ausgesprochen gut und falls das Spiel irgendwann auch mal bei vollem Starterfeld mit 60 Bildern pro Sekunde läuft, ohne dass man einen Monsterrechner unterm Tisch stehen hat (wenigstens auf niedrigen Details muss das möglich sein!), dann sieht Assetto Corsa Evo auch aus wie der im Namen angedeutete Entwicklungsschritt von Kunos‘ großer Serie.

Seid euch also bewusst darüber, dass ihr im Moment nur eine Demo mit relativ vielen Strecken und Fahrzeugen sowie kleinen Ärgernissen in Sachen Technik und Handhabung bekommt, sonst aber noch nicht viel vom Spiel habt, falls ihr jetzt schon im Early Access zuschlagt. Sobald die offene Eifelwelt sowie die Fahrprüfungen, Shops und Händler dazukommen… Vielleicht hat das Ganze dann ja tatsächlich das Zeug zu einer Art Gran Turismo unter den PC-Simulationen.

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