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Atelier Totori - The Adventurer of Arland - Test

Bist du Shōjo genug?

Es gibt kaum eine schlimme Formulierung als "Für Fans ist es sicher ein Hit". Das ist zum einen eine Null-Aussage. Fans segnen es oft genug ab, wenn George Lucas mal wieder bei Star Wars nachtritt, sie verehren auch noch das grottigste Album ihrer Lieblingsband - als gealterter REM-Hörer weiß ich genau, wovon ich da rede - und wehe man sagt als Kritiker, dass der neueste Teil welcher Serie auch immer "nur" gut war. Es gibt immer Fans, bei denen sich spontan Schaumbläschen vor dem Mund bilden.

Wenn ich also sage, dass Atelier Totori - The Adventures of Arland für Fans sicher ein Hit ist, rollen sich die eigenen Zehennägel beim Tippen auf. Kein schönes Bild und so fühle ich mich auch dabei. Aber was soll ich machen? Das Ding ist definitiv eine konsequente Weiterentwicklung des Vorgängers, erfüllt alle Auflagen der Serien-Evolution und arbeitet ganz sauber seine Mechaniken als J-Rollenspiel ab. Nur weil ich nicht den Spaß hatte, den ich erwartete, muss das ja nicht heißen, dass es nicht doch ein paar Fans gibt. Oder vielleicht sogar ganz viele.

Wenn ich mir modernes Anime angucke, insbesondere die eher für jüngere Mädchen ausgerichteten Serien, dann fühle ich mich dabei längst nicht mehr wohl und kann daher sagen, dass ich irgendwo auf dem Weg zum Creepy-Super-Otaku mit ungesunder Lebensgestaltung doch noch die richtige Abzweigung genommen haben muss. Das ist alles zu süß, zu niedlich, zu viel Zucker. Mehr Zucker, als schon Eternal Sonata bot und das sagt eigentlich alles, was ihr wissen müsst, wenn ihr euch wie ich eigentlich auch als Fan von J-RPGs betrachtet.

Oder eigentlich nicht. Mal abgesehen von den viel zu niedlichen Dialogen und dem überzuckerten Cel-Shading, dem sehr zaghaften Erwachsenwerden minderjähriger Mädchen in einer Fantasy-Umgebung voller Monster mit latenten und trotzdem irgendwie gruselig-sexuellen Untertönen, haben die beiden Spiele nicht so viel gemein. In Totori dreht sich alles um das Crafting. In der Rolle einer werdenden Alchemistin nehmt ihr in recht definierten und nicht sonderlich expansiven Dörfchen und Städten Questen an, die sich praktisch grundsätzlich um das Töten von Monster X oder das Finden der Zutat Y drehen. Besuch auf der 2D-Weltkarte, weitergezogen in ein Monster-Area, ein paar Dinge eingesammelt, ein paar Biester gekillt, in den Alchemie-Töpfen gerührt und Quest erfüllt. Weiter zum nächsten Story-Punkt.

Bevor es wir dazu kommen, warum hier in den Details des Systems ein paar richtig gute Ideen und sehr viel Liebe stecken, noch ein paar Worte zu der Story. Sie ist nicht schlecht. Es ist dieser übliche Anime-Mix, in dem die kindliche Heldin eine Reise der Selbstfindung bewältigt und nebenbei noch die Welt rettet. Zumindest nah genug dran. Es dauert, bis Atelier Totori mal zum Punkt kommt, aber wenn ihr durchhaltet und euer Herz sich für die Figuren erwärmen kann, sind die Dialoge teilweise gut geschrieben und die Wendungen durchaus reizvoll. "Wenn" als Schlüsselwort hier. Wie schon oben angesprochen. Durchbrecht ihr die Zuckerkruste, dann wird wirklich solides Material geboten. Mir gelang das leider nur sehr partiell.

Wofür ich mich aber wirklich erwärmen konnte, war die Idee, dass die eigene Heroine extrem schwächlich bleibt, wenn es um den direkten physischen Kampf geht. Statt selber Schwerter zu schwingen, überlasst ihr das den im Verlauf immer wieder wechselnden Begleitern, die euch auch auf Knopfdruck in Schutz nehmen. Ihr müsst gut taktieren, um Schaden abzuwehren und alle fit zu halten. Im Gegenzug seid ihr dann für die Ausrüstung, endlos viele Buffs und Alchemie-Attacken zuständig, die nur ihr benutzen könnt. Damit das klappt, dürft ihr beim Wort "Crafting" nicht schreiend den Raum verlassen. Atelier Totori bietet eines der ausgefeiltesten Systeme, das ich je gesehen habe.

Fertige Gegenstände zu kaufen ist praktisch unmöglich - oder zumindest nur selten sinnvoll, wenn doch mal was angeboten wird -, alles kommt aus eurem magischen Kochtopf. Hier spielt jetzt bei scheinbar tausenden von Zutaten und ihren Werten alles eine Rolle. Welche Kampfweise bevorzugt ihr, welche Party-Stats müssen gebuffed werden, was wirkt wie zusammen, wie holt man noch diesen letzten Extra-Punkt aus einer neuen Bombe oder dem Heiltrank.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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