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Barrierefreiheit in Videospielen: Horizon Forbidden West

Wie gut lässt sich Aloys neues Abenteuer anpassen?

Das medienpädagogische Projekt Gaming ohne Grenzen testet mit Unterstützung von Mobilfunkanbieter congstar einige der aktuell beliebtesten Triple A-Titel in Hinblick auf Konfigurationsmöglichkeiten und Spielbarkeit für Menschen mit Behinderung.

Wenn bereits der erste Teil einer neuen Spielereihe Fans und Kritiker*innen direkt so begeistert, dass große Teile der Gaming-Community den Nachfolger kaum erwarten können, dann haben die Entwickler*innen viele richtige Entscheidungen getroffen. Ein solcher Fall ist Horizon Zero Dawn von 2017, das mit Horizon Forbidden West im Februar 2022 endlich einen Nachfolger bekam. Das Third-Person-Actionrollenspiel spielt wieder in der postapokalyptischen Zukunft und handelt von der Protagonistin Aloy, die im 31. Jahrhundert im Westen der USA den Ursprüngen einer mysteriösen Seuche auf die Spur geht. Der auf der PS4 sowie PS5 erschienene Titel erfordert dabei einen soliden Orientierungssinn für die offene Welt, gute Reflexe für den Kampf gegen die maschinellen Feinde sowie logisches Denken für die Rätselpassagen in den Reliktruinen.

Das niederländische Entwicklerstudio Guerrilla Games hat dabei umfangreiche Accessibility-Optionen im Spiel integriert, auf die wir in diesem Testartikel näher eingehen werden. Menschen mit einer Behinderung können durch diesen Beitrag eine Entscheidungshilfe bekommen, ob Horizon Forbidden West für ihre individuellen Bedürfnisse die nötigen Einstellungsmöglichkeiten liefert.

Im Rahmen dieser Spieletest-Reihe hat Gaming ohne Grenzen ihre Testkriterien auch für eine Beurteilung von Horizon Forbidden West angewandt. Das von Mobilfunkanbieter congstar und der Aktion Mensch unterstützte medienpädagogische Projekt prüft in kleinen Jugendgruppen regelmäßig Spiele auf ihre Barrierefreiheit – vom kleinen Indie-Game bis zum Triple A-Titel wie Forza Horizon 5.

Mehr zu Barrierefreiheit in Videospielen:

Erfahre jetzt und hier, wie barrierefrei sich Horizon Forbidden West auf der Playstation 5 spielen lässt, welche Accessibility-Funktionen es gibt, an wen sie sich richten und wie gut sie bestehende Behinderungen ausgleichen können. Du willst mehr über das medienpädagogische Projekt Gaming ohne Grenzen erfahren? Dann wirf hier einen Blick in unseren Intro-Artikel, in den Spieletest zu Forza Horizon 5, Minecraft oder Halo Infinite.

Allgemeines vorab:

+ Es gibt eine Einstellung, die bei Aktivierung beim Wechseln der Waffe die Zeit im Spiel verlangsamt. Dies hilft Menschen mit motorischer, kognitiver und visueller Behinderung.
+ Ebenso kann der für das Zielen wichtige Konzentrationsmodus per Option verlängert werden, was vielen Spieler*innen mit unterschiedlichen Behinderungen abseits vom Hören helfen kann.
+ Bei Spielbeginn besteht die Auswahl zwischen fünf verschiedenen Schwierigkeitsmodi, inklusive eines Story-Modus. Anschließend gibt es die Auswahl zwischen „Entdecken“ oder „Geführter Modus“, wodurch Hinweise zum Weg in der Spielwelt gezeigt respektive zurückgehalten werden. Beim Test fiel auf, dass die Diskrepanz zwischen dem leichten und schweren Schwierigkeitsgrad groß genug ist, damit für die meisten Spieler*innen die richtige Herausforderung dabei ist.
+ Das Spiel bietet ausreichend viele Checkpoints an. Sollte Aloy doch einmal ohnmächtig werden, müssen Spieler*innen keine zu langen Passagen wiederholen – so kommt Frust gar nicht erst auf!
+ Besonders positiv aufgefallen ist die Co-Pilot-Funktion. Diese ermöglicht es zwei Spieler*innen über jeweils einen eigenen Controller gemeinsam die Spielfigur zu steuern. Für Menschen mit dem Bedürfnis nach Unterstützung bei der Steuerung kann dies eine wichtige Hilfe sein.

- Vor Spielstart besteht kein Zugriff auf ein Accessibility-Menü, sodass bei der ersten Cutscene potenziell bereits Verständnisprobleme aufgrund schlecht lesbarer Untertitel entstehen können. Immerhin lässt sich das Accessibility-Menü danach schnell in den Einstellungen finden.
- Leider gibt es keine Hinweise, was sich bei den verschiedenen Schwierigkeitsmodi genau verändert, was die geeignete Auswahl erschwert.

Testkategorie Hören:

+ Musik, Dialoge und Effekte können einzeln eingestellt werden. Auch die Lautstärke von Maschinen, Waffen und Umgebung sind in den Audio-Einstellungen anpassbar.
+ Alle Unterhaltungen und Gespräche sind untertitelt und es ist angegeben, welcher Charakter gerade spricht.
+ Sobald Aloy stark verletzt ist, ertönt ein Tinnitus-artiger, hoher Ton. Für Menschen ohne Höreinschränkung ist dies ein hilfreicher Hinweis, während dies bei Menschen mit Höreinschränkungen Probleme bereiten kann. Diese Geräusche können ausgestellt werden.
+ Die Sprachausgabe ist auf Deutsch verfügbar.

- Trotz Vergrößerungsmöglichkeit sind die Untertitel sehr klein dargestellt.
- Die Untertitel geben keinen Hinweis darauf, welche Dialoge relevant für die Spielstory sind. Oft finden parallel zur Erfüllung von Quests Hintergrundunterhaltungen zwischen den Charakteren statt, wobei nicht alle Gespräche für den Spielerfolg oder die Story relevant sind. Eine andere Schriftart oder -farbe könnten hilfreich sein.
- Untertitel werden automatisch ein- und ausgeblendet, können allerdings leider nicht pausiert werden.
- Der Name der sprechenden Person in den Untertiteln während einer Unterhaltung ist nicht ausreichend vom restlichen Text abgegrenzt. Hilfreich wäre hier z. B. eine andere Farbe, Schrift oder eine Fettmarkierung.
- Der Untertitel-Hintergrund ist bei einigen Spielpassagen zu durchlässig und liefert nicht genügend Kontrast.

Offene Frage:

+ / - Schwierig bleibt zu beantworten, ob das komplette Spiel ohne Ton spielbar ist. Speziell bei Hinweisen zu Gefahren, etwa wenn sich Gegner von hinten anschleichen, bleibt unklar, ob und inwiefern diese in den verschiedenen Schwierigkeitsgraden auftauchen. Es ist toll, dass es visuelle Hinweise gibt, aber man kann sich nicht immer auf sie verlassen.

Testkategorie Verstehen:

Unser Tipp: Horizon Forbidden West beinhaltet gewalthaltige Spielelemente, welche in ein fiktives Setting eingebettet sind. Eine Eignung für Spieler*innen mit kognitiven Behinderungen sollte daher individuell beurteilt werden. Wir empfehlen, die ersten Spiel-Sessions gemeinsam zu bestreiten, um auf eventuelle Fragen oder aufkommende Ängste eingehen zu können. Da sich die Kampfhandlungen im weiteren Spielverlauf etwas verändern (z. B. kämpft man nicht mehr nur gegen Maschinen, sondern auch gegen Menschen und erlegt Tiere) ist es unter Umständen sinnvoll, weitere Gespräche anzubieten.

+ Kontextuelle Erinnerungen helfen, die aktuelle Aufgabe zu verstehen und geben zusätzlich oft die Steuerungsmöglichkeiten an (z. B. “Du kannst übrigens R3 drücken, um schneller zu schwimmen”).
+ Die Zielhilfe sowie die automatische Reitmaschine sind sinnvolle Hilfen.
+ Es existiert kein klassisches Tutorial, aber die wichtigsten Spielelemente werden im Verlauf des Spielgeschehens erklärt. Die wichtigsten Informationen zum Gameplay werden allerdings nur in Schriftform erklärt.
+ Mit Betätigung der unteren Pfeiltaste erscheinen die Karte, Quests, das Notizbuch, das Inventar und die Fähigkeiten, was für das Spielverständnis förderlich ist.

- Einige Rätsel sind zu Beginn schwierig zu verstehen. Es gibt zwar Tipps, die allerdings meist nur als Text erscheinen und relativ schnell wieder verschwinden. Leider halfen die Tipps nicht allen. Tester*innen ausreichend, sodass sie auf Unterstützung oder Hilfestellungen aus Internetforen angewiesen waren.
- Spielabschnitte sind nicht überspringbar.
- Die Story ist komplex. Durch Navigationshilfen ist es aber trotzdem möglich, das Spiel ohne vollständiges Verstehen zu spielen.
- Es gibt eine Navigationshilfe, diese ist aber eher klein und manchmal schwierig zu sehen oder schwierig zu verstehen. Eine Einstellung für noch eindeutigere Hinweise wäre wünschenswert.
- Es gibt keine Mini-Map, weshalb zur Orientierung oft die große Karte geöffnet werden muss. Es gibt auch keine sichtbare Route im Spiel, sondern nur eine Markierung auf der Karte, sobald ein Zielort ausgewählt ist.
- Tipps werden zwischendurch nur in Textform angezeigt.
- Dialog-Entscheidungsoptionen gibt es nur in Textform.

Testkategorie Sehen:

+ Die diversen Vibrationsregler helfen als zusätzliches Signal, beispielsweise für Menschen mit Beeinträchtigungen beim Sehen oder Hören. Auch in einzelnen Spielsituationen hilft die Vibration, zum Beispiel beim Spannen eines Bogens.
+ Der Effekt „Kamerawackeln“ ist ausstellbar.
+ Es ist möglich, das Head-up-Display zu individualisieren.
+ Unterstützung für Menschen mit Farbenfehlsichtigkeit: Farbe ist nie die einzige Information in entscheidenden Situationen. Zur weiteren Orientierung helfen Symbole mit unterschiedlichen Kontrasten und Formen.
+ Item Markierungen sind gut sichtbar, könnten teilweise aber noch etwas größer sein.
+ Es gibt häufig Kletterpassagen. Auch dort ist der vorgesehene Weg deutlich markiert. Die Markierungen passen optisch gut zur Spielwelt und sind nicht zu präsent.
+ Aloys Fokus-Modus ist kontrastreich und nützlich, vor allem beim Zielen: Dabei werden relevante Charaktere z. B. in lilafarbenen Konturen angezeigt und sind gut von Maschinen und Umweltdetails abgegrenzt. Es werden auch Schwachstellen von Maschinen gezeigt und farblich markiert, was das Zielen im Kampf erleichtert.

- Das Userinterface respektive die HUD-Elemente können nicht größer gestellt werden und sind deutlich zu klein. Es gibt keinen Hintergrund, die Symbole sind zu klein und in kontrastarmen Farben angelegt.
- Es besteht keine Vorlesefunktion für das Menü.
- Unleserlicher Text: Verschiedene Gesprächsoptionen haben keinen Hintergrund, sind sehr klein und deshalb schwer zu lesen. Das betrifft auch weitere Texte, wie Wegpunkte, Munitionszähler, das Waffenrad und Quest-Texte.
- Es gibt keine Markierungen für Wände, die zerstört werden können. Auch die Wahl des richtigen Werkzeugs dafür muss selbst herausgefunden werden. Ein Marker mit dem benötigten Werkzeug wäre hier hilfreich, was auch im Bereich Verstehen relevant ist.
- Für die Kameraposition gibt es zwei Einstellungen, die aber beide nicht optimal ausgerichtet sind. Oft ist das Erkennen des richtigen Weges dadurch schwierig.
- Die Markierungen an Kletterwänden könnten kontrastreicher sein. In hellen Gebieten sieht man sie kaum – dies kann besonders für Menschen mit Seheinschränkungen ein Problem darstellen.

Testkategorie Steuern:

+ Die Einstellungen ermöglichen Invertierung, also ein entgegengesetztes Bewegen zur angesteuerten Richtung. Dies erleichtert die motorische Bedienung von Horizon Forbidden West.
+ Das Spiel bietet eine freie Tastenbelegung an.
+ Die Quick-Time-Events sind ausschaltbar.
+ Die verschiedenen Einstellungen zur Automatisierung helfen enorm, wie automatische Heilung, automatischer Schild, automatische Konzentration, automatische Reitmaschine und automatischer Sprint.
+ Die Steuerungshilfen vermeiden unnötiges Button Mashing. Vor allem in Kämpfen helfen diese Automatisierungen sehr.
+ Das Feature Co-Pilot ist eine wichtige Steuerungshilfe für Menschen, die aufgrund kognitiver oder motorischer Einschränkung lieber zu zweit spielen.
+ Das dauerhafte Drücken verschiedener Tasten kann ausgestellt werden. So haben Spieler*innen die Wahl zwischen längerem Drücken einer Taste, oder dem einmaligen Drücken und Feststellen der Taste.
+ Die Zielhilfe erleichtert die Steuerung.
+ Auch die vielen Empfindlichkeitsregler in den Einstellungen helfen bei der Individualisierung der Herausforderung.
+ Klettermarkierungen können permanent angeschaltet werden.

- Insgesamt müssen relativ viele verschiedene Knöpfe gedrückt werden, deren Belegung man sich einprägen muss.
- Es gibt Kletterpassagen, in denen Aloy automatisch springt. In anderen Passagen muss die Sprungtaste gedrückt werden. Die Tester*innen sind häufig heruntergefallen, weil sie die Sprungtaste gedrückt haben, obwohl Aloy automatisch gesprungen wäre. Das war sehr frustrierend.
- Es gibt keine Option für automatisches Anvisieren von Gegnern.

Gaming ohne Grenzen zieht ein Fazit:

Das Team von Gaming ohne Grenzen

Wer einen Blick in die Einstellungen von Horizon Forbidden West wagt, der bemerkt schnell, wie umfassend und breit gefächert die Accessibility-Optionen sind. Leider ist stellenweise unklar, welchen konkreten Nutzen einige dieser Optionen bieten sollen. Im Kontext der Barrierefreiheit bietet das Spiel einige Features für Menschen mit motorischen, kognitiven und Hörbehinderungen, gleichzeitig aber zu wenig Unterstützung für Menschen mit Sehbehinderung. Für ein barrierefreieres Gaming-Erlebnis hätte Horizon Forbidden West hier beispielsweise mit dunkleren Hintergründen, größerer und dickerer Schrift sowie klar sichtbaren Wegpunkten besser punkten können. Speziell bei der Kameraführung hakt es stellenweise, sodass Spieler*innen oftmals mit einem nicht optimal ausgerichteten Sichtfeld zurechtkommen müssen. Auch ein automatisches Anvisieren zwecks Zielhilfe könnte in den Kampfduellen Erleichterung schaffen. Insgesamt macht Horizon Forbidden West in puncto Barrierefreiheit schon vieles richtig und schafft es gerade im Bereich der Steuerung eine verhältnismäßig inklusive Bedienung zu ermöglichen. Jedoch gibt es aus unserer Sicht noch zu viele Mankos in den Kategorien Sehen, Verstehen und Hören.

Du möchtest auch, dass mehr Menschen den Spaß an Videospielen erleben können? Oder Dich hat die Neugierde gepackt, wie barrierefrei neue Spiele sind? Dann besuche Gaming ohne Grenzen auf ihrer Website oder verfolge hier die Spieletest-Serie rund um Barrierefreiheit im Gaming mit congstar! Weitere Information zu den Gaming-Aktivitäten von congstar gibt es unter congstar Gaming.