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Batman: The Enemy Within - Test

Der Bruce-Wayne-Simulator

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Telltale-Adventure mit ganz eigener Interpretation der Batman-Lore. Spannend bis zur letzten Szene. Technisch mit den üblichen Problemen.

Wenn mir jemand die Frage stellt, ob ich Marvel oder DC lieber mag, habe ich darauf nie eine klare Antwort. Ich gehöre zu einer seltenen Spezies, die mit den Comics aus beiden Häusern etwas anfangen kann. Vor allem liebe ich an beiden aber eines: Die Fähigkeit, sich selbst ständig neu zu erfinden. Mit der ersten Staffel des Batman-Adventures ist Telltale dieser Logik gefolgt und hat eine ganz eigene Version des Batman-Universums ins Leben gerufen, die für Einsteiger genauso leicht verständlich ist, wie sie für Kenner der Fledermaus haufenweise kleine wiedererkennbare Details bietet. Die zweite Staffel trägt den Untertitel The Enemy Within und setzt dieses Erfolgsrezept fort. Gerade erst ist die letzte Episode erschienen und so viel sei gesagt: Es ist ein Finale mit Höhen und Tiefen, an dessen Ende aber die Gewissheit steht, eine Batman-Geschichte erlebt zu haben, die mehr als viele anderen die Geschichte eines in sich zerrissenen Bruce Wayne ist. Mit euch als Spieler als das Zünglein an der Waage, das entscheidet, welchem seiner Impulse der Millionär mit Fledermaus-Alter-Ego folgen soll.

Töten will er nicht - zimperlich geht Batman mit seinen Gegnern trotzdem nicht um. (Batman: The Enemy Within - Test)

Beim Schreiben eines Artikels über ein Telltale-Spiel steht man zwangsläufig vor der Herausforderung, über ein Spiel zu schreiben, nicht aber über seinen Inhalt. Wer noch keine Episode von The Enemy Within gespielt hat, wird hier nichts über entscheidende Story-Wendungen erfahren, wohl aber über die grundlegende Prämisse des Spiels. Dessen Geschichte fängt ziemlich genau da an, wo die erste Staffel aufgehört hat. Bereits in der hatte Batman Tuchfühlung mit dem Joker aufgenommen, der bis dahin jedoch nur unter dem Namen John Doe auftrat - es ist ein anderer Joker als jener, den Heath Ledger verkörperte. Er ist zwar augenscheinlich schon verrückt, noch nicht jedoch ist aus ihm der typische soziopathische Massenmörder geworden. Wüsstet ihr zu Beginn des Spiels nicht, dass der Joker der Joker ist, ihr könntet annehmen, es handele sich nur um eine schrullige Nebenfigur.

Nach und nach kristallisiert sich jedoch heraus, welche charakterlichen Untiefen sich hinter dem dauernd kichernden, dünnen Typen verbergen, der gerade frisch aus Arkham Asylum kommt. John Doe sieht Batman nämlich mitnichten als seinen Feind, im Gegenteil, er klammert sich bisweilen an ihm fest, händeringend sogar, im Wissen, dass Bruce Wayne womöglich der einzige Freund ist, den er im Leben je hatte. Nur mit den Moralvorstellungen von Batman, damit kommt er nicht immer ganz klar. Konflikte sind also vorprogrammiert und vor allem ab der dritten Episode geht es mehr und mehr darum: Bekämpft ihr John Doe, weil ihr aus eurer Kenntnis um die Batman-Geschichte ohnehin wisst, was aus ihm wird? Oder versucht ihr, das Schlimmste zu verhindern und kümmert euch eher um ihn wie ein Sozialarbeiter das mit einem schwer erziehbaren Jugendlichen machen würde?

Batman ist bekanntlich der beste Detektiv der Welt. Szenen wie diese, in denen er sein Talent ausleben darf, sind dennoch selten. (Batman: The Enemy Within - Test)

Neben dem Joker bekommt ihr es aber auch mit einer etwas undurchsichtigen Behörde namens Agency zu tun, die sich nur allzu gern in eure Arbeit einmischt. Was genau diese im Schilde führt, bleibt zunächst unklar - deutlich aber ist, dass sie Batmans Arbeit als Meisterdetektiv nicht gerade wohlwollend gegenübersteht. Könnte man in der echten Welt irgendwie verstehen - es ist ja wirklich etwas fragwürdig, wenn die Polizei plötzlich Befehle von einem entgegennimmt, der als Fledermaus verkleidet auf den Straßen seine Vorstellung von Selbstjustiz durchsetzt. In Gotham aber ist jede Kritik am Batman natürlich ein Skandal, kritisiert sie doch gleichzeitig die einzige Gewalt in der Stadt, die in der Lage ist, der kriminellen Anarchie auf den Straßen der Stadt überhaupt etwas entgegenzusetzen. Worum es sich nun eigentlich beim titelgebenden Enemy Within handelt - um die Agency, die Gotham von innen heraus korrumpiert oder um den Joker, der in John Doe nur darauf wartet, mit voller krimineller Energie das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken - das lässt Telltale offen.

Was sich hinter diesem Durchgang wohl verbirgt? Noch ist Bruce Wayne ahnungslos. (Batman: The Enemy Within - Test)

Am Spielprinzip hat sich indes nichts geändert. Ihr führt Dialoge, habt meist drei oder vier Antwortmöglichkeiten und könnt die Geschichte so mal mehr, mal weniger beeinflussen. Läuft die Zeit ab, schweigt Bruce oder Batman. Zwischendurch gibt's großzügig lange Kampfsequenzen, die ihr in Form von Quick-Time-Events bestreiten müsst, außerdem einige wenige Detektiv-Szenen. In selbigen müsst ihr ein paar Hinweise miteinander verknüpfen, erst wenn ihr die passenden gefunden habt, geht es mit der Geschichte weiter. Wie man das von aktuellen Telltale-Titeln gewohnt ist, gibt es darüber hinaus praktisch keine Spielelemente. Und auch technisch gibt es die alten Probleme.

Ich habe The Enemy Within auf der Xbox One gespielt und gerade da hatte das Spiel wie schon in der ersten Staffel mit teilweise starken Verzögerungen bei der Eingabe zu kämpfen. Hier und da ruckelte es ordentlich. Ich werde so langsam müde, es zu sagen, aber Telltale müsste endlich mal die Engine rundum erneuern oder komplett neu aufsetzen. Dennoch weiß die zweite Batman-Staffel zu überzeugen und das liegt an ihrer Geschichte, die ist nämlich hervorragend.

Unter den Schurken trefft ihr viele alte Bekannte wieder. (Batman: The Enemy Within - Test)

Gefühlt verbringt ihr in so mancher Episode mehr Zeit als Bruce Wayne denn als Batman. Und das hat seinen Grund. Batman ist im DC-Universum nicht unbedingt als strahlender Held angelegt. Er bekämpft zwar als Fledermaus die Kriminalität auf den Straßen Gothams, muss sich aber als Bruce Wayne gleichzeitig den Vorwurf gefallen lassen, dass er als Chef eines turbokapitalistischen Megakonzerns auch seinen Teil dazu beiträgt, dass diese Kriminalität nie wirklich ganz von den Straßen verschwinden kann. Dieses Prinzip treibt Telltale in The Enemy Within auf die Spitze. Die Figuren im Spiel hinterfragen regelmäßig den moralischen Kompass, nach dem sowohl Bruce Wayne als auch Batman handeln - und nicht nur die Schurken machen das. Auch Figuren wie Alfred leiden zunehmend unter dem, was Bruce Wayne für richtig hält und fördern so im Laufe der Handlung immer mehr zu Tage, was schon seit der ersten Staffel im Hintergrund schlummert: Es gibt in Gotham City kein wirkliches Gut und Böse mehr. Klar, es gibt die Massenmörder und diejenigen, die sie bekämpfen, gleichzeitig wurden erstere durch diese verkommene Stadt vielleicht erst was sie heute sind und letztere haben deutlich mehr Dreck am Stecken als es selbst Batman über weite Strecken der Handlung wahr haben will.

Gerade deshalb ist eine der größten Gefahren im Spiel, dass ihr als Spieler den falschen Leuten traut. Commissioner Gordon ist sicher okay, das habt ihr im Gefühl, aber was ist mit der Chefin der Agency? Was ist mit John Doe? Und was ist mit Catwoman, die mit Batman zumindest schon mal ansatzweise eine Romanze hatte? Je nach euren Entscheidungen, versteht sich. Telltale nimmt sich über die fünf Episoden hinweg merklich Zeit, die Figuren aufzubauen. Die Entwickler geben Batman und dem Joker denkwürdige Szenen, die ich so schnell nicht vergessen werde, insbesondere nicht nach dem Spielen der vierten und fünften Episode. Wenn Commisioner Gordon und Batman miteinander agieren, fühlt sich das wirklich an wie eine seit Jahren bestehende Freundschaft und wenn eine geliebte Figur plötzlich und unerwartet von der Bühne tritt, empfinde ich als Spieler schon fast so etwas wie Trauer, nur um dann wieder aufgebaut zu werden, indem das Spiel mir eine neue Figur vorwirft, hinter deren Motive ich zunächst nicht so ganz blicken kann.

Selfie mit dem Joker gefällig? (Batman: The Enemy Within - Test)

Batman: The Enemy Within bleibt ein typischer Telltale-Titel - aber einer mit einer besseren Geschichte. Ich habe mich in der Spielwelt sofort wiedergefunden, weil ich auch die erste Staffel sehr genossen habe. Ich vermute aber zumindest, dass auch Neulinge mit der zweiten Staffel problemlos einsteigen können. Keine einzige Figur in diesem Drama rund um das Verhältnis von Bruce Wayne zu seinem Alter Ego Batman wirkte austauschbar, alle sind gut gesprochen, besonders beeindruckend wirkt dabei der Wandel von John Doe zu dem, was man mehr oder weniger als eine Version des Joker bezeichnen kann, auch das übrigens teilweise abhängig von euren Entscheidungen. Und sicher, wie bei vielen anderen Telltale-Titeln auch sind eure Entscheidungen hier nicht so weitreichend wie es das Spiel euch weismachen will. Aber es fühlt sich mehr denn je so an. Und deshalb freue ich mich schon jetzt auf eine etwaige dritte Episode - das Ende lässt dafür jedenfalls jede Menge spannende Optionen offen.


Entwickler/Publisher: Telltale Games/Telltale Games - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: 22,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Xbox One - Sprache: deutscher Text, englische Sprachausgabe - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Batman: The Enemy Within

Android, iOS, PS4, Xbox One, PC, Mac

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Über den Autor
Markus Grundmann Avatar

Markus Grundmann

Freier Autor

Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

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