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Battletech und die Herausforderung, aus einem 34 Jahre alten Brettspiel ein modernes Videospiel zu machen

Im Gespräch mit Battletech-Schöpfer Jordan Weisman.

34 Jahre hat es gedauert. In all den Jahren, seit es Battletech als Franchise gibt, erblickte nie ein rundenbasiertes Videospiel dazu das Licht der Welt. 2015 nahm sich Harebrained Schemes der Sache an und startete eine Kickstarter-Kampagne zu einem solchen Projekt. Dass die Fans darauf gewartet haben, zeigt sich anhand der Tatsache, dass die Kampagne ihr Ziel - 250.000 Dollar - innerhalb von einer Stunde erreichte. Am Ende stand der Zähler bei 2,78 Millionen Dollar, ein gewaltiger Erfolg.

Das Team schien der perfekte Entwickler für dieses Projekt zu sein, denn Chef von Harebrained Schemes ist Jordan Weisman. Gemeinsam mit L. Ross Babcock III erschuf er damals das Brettspieldebüt der Reihe. Wer, wenn nicht er könnte Battletech als rundenbasiertes Strategiespiel auf die PCs dieser Welt bringen?

"Nachdem wir Shadowrun Returns veröffentlichten, äußerten die Fans sehr lautstark den Wunsch nach einem Battletech-Spiel von Harebrained Schemes", sagt Weisman im Gespräch mit Eurogamer.de. "Damals hatten wir nicht die Rechte daran. Aber Microsoft war von unserem Umgang mit dem Shadowrun-Franchise so beeindruckt, dass sie uns mit Freude eine Lizenz gaben."

Wer könnte ein Battletech-Videospiel besser umsetzen als die Schöpfer der Brettspielvorlage?

Es war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Veröffentlichung eines Battletech-Spiels, denn ohne Lizenz geht nichts. Als Inspiration, diesen Plan in die Tat umzusetzen, diente das 2012 erschienene XCOM: Enemy Unknown. Es habe bewiesen, dass es einen Markt für moderne, rundenbasierte Taktikspiele gebe. "Nach 20 Battletech-/Mechwarrior-Videospielen war es an der Zeit, zur Essenz des ursprünglichen Tabletop-Spiels zurückzukehren", erzählt er. "Mit einem Videospiel, das die tiefgreifenden taktischen Optionen, durch die sich das Kommandieren eines Mechs von jedem anderen Einheitentyp unterscheidet, originalgetreu vermittelt."

Essenz, Emotionen und Taktik aus der Vorlage standen im Vordergrund. Gleichzeitig habe das Team realisiert, dass sich die 34 Jahre alten Regeln nicht erfolgreich auf ein modernes, taktisches Videospiel übertragen lassen. Daher setzten sich die Macher als Ziel, neue Systeme zu entwerfen, die sich wie die alten anfühlen, aber interessantere Möglichkeiten und Entscheidungen bieten. Dabei halfen ihnen die Erfahrungen, die Weisman und Mitch Gitelman, Mitgründer von Harebrained Schemes, mit Mech Commander sammelten.

Das Echtzeitstrategiespiel von 1998 hatte Einfluss auf die Ideen, die beide für Battletech aufgriffen. Als Beispiel nennt Weisman die Berücksichtigung der Überhitzung. Da Mech Commander nicht rundenweise ablief, sei es für den Spieler aufgrund des Spieltempos unmöglich gewesen, sich darum zu kümmern. "Das ist einer der Gründe dafür, warum wir ein rundenbasiertes Spiel machen wollten. Der Spieler hat dann die Möglichkeit, solche detaillierten Systeme bei seinen Mechs zu verwalten", erwähnt er.

Als größte Herausforderung bezeichnet er die Umsetzung eines 34 alten Brettspiels in ein modernes, rundenbasiertes Videospiel, das zugleich das Spielgefühl des Originals beibehält. Dabei seien kritische Dinge zu berücksichtigen, zum Beispiel der "collapse of time", wie er es nennt. Sitzt ihr mit euren Freunden am Tisch und spielt, könne es Stunden dauern, eine zehn Minuten lange Simulation durchzuspielen. Die Zeit verstreiche durch Gespräche, Witze, Essen und andere Dinge, ohne dass ihr es bemerkt.

"Ein weiteres Beispiel ist der Akt des Würfelns. Am Tisch mit deinen Freunden hat das eine dramatische Wirkung mit emotionalem Ergebnis. Eine zufällige Nummer in einem Singleplayer-Spiel zu generieren, hat nicht den gleichen Effekt, sofern es nicht extra so konstruiert ist", erzählt er. Den Entwicklern war klar, dass der Kampf den Kern des Spielerlebnisses ausmacht. Daher erstellten sie zuerst sieben unterschiedliche Prototypen, bevor sie sich für einen davon entschieden und darauf die Version aufbauten, die sie den Unterstützern auf Kickstarter präsentierten. Es sei toll gewesen, zehntausende Spieler zu haben, die sich mit der Beta beschäftigten und Feedback gaben. Das floss dann in die finale Version mit ein.

Als Inspiration für die Kämpfe dienten Panzerschlachten im Zweiten Weltkrieg.

"Es brauchte viel mehr Zeit, die Söldner-Simulation und die Story-Kampagne rund um das Kampfsystem herum zu designen", erzählt Weisman. "Es war auf seine eigene Art und Weise beängstigend, aber als wir die beiden Hälften kombinierten, waren wir begeistert. "Der finanzielle und geschichtliche Kontext veränderten die Vorgehensweise der Spieler im Kampf komplett, da jeder einzelne Schuss mehr Konsequenzen hatte. Die Leute stürzten nicht mehr blindlings aufeinander zu und nahmen sich unter Beschuss, weil der daraus resultierende Schaden ruinös wäre."

Den Entwicklern war schnell klar, dass der "Periphery"-Bereich im Battletech-Universum als Schauplatz dienen sollte. Es ging darum, einen Platz im Universum zu finden, der den Machern ausreichend kreative Freiräume bot. So war es möglich, dass eine kleine Söldnereinheit eine wichtige Rolle in einem kleinen Konflikt spielt. Lead Designerin Kiva Maginn suchte nach einem Ort, über den noch nicht viel geschrieben wurde. Dabei stieß sie auf eine Region zwischen der Capellan Confederation, dem Magistracy of Canopus und dem Taurian Concordat. Weiterhin arbeitete das Team mit Catalyst Game Labs und Piranha Games zusammen, die ebenfalls Werke im Battletech-Universum veröffentlichen. Dabei ging es um die Kontinuität im Franchise. Aufgrund bestehender, langjähriger Kontakte sei die Zusammenarbeit reibungslos verlaufen.

Der Wunsch, Battletech zugänglich zu machen und zugleich detaillierte Optionen zur Anpassung zu bieten, stellte Harebrained Schemes vor weitere Herausforderungen. Am Ende verfolgten die Entwickler den Ansatz, dass sich die Spieltiefe in den ersten Stunden Stück für Stück entfalten sollte. Ebenso habe das Studio soweit es ging Ein-Button-Lösungen für Reparaturen und ähnliche Dinge integriert, um damit den Spielern entgegenzukommen, die sich nicht darin vertiefen möchten.

Battletech verzichtet auf allzu viele Sci-Fi-Elemente.

Weisman habe eine lange Liste mit Dingen, die er gerne ins Spiel eingebaut hätte. Zum Beispiel war es dem Team aus Budgetgründen nicht möglich, Animationen für eine niedrige Gravitation auf Mond-Karten umzusetzen. "Im Gegensatz zu vielen Jahren meiner Karriere, als wir Spiele in eingeschweißten Boxen veröffentlichten, ist es heute möglich, ein Spiel zu verbessern und weiterzuentwickeln, solange die Spieler es spielen und unterstützen", betont er und verweist auf das im Juni veröffentlichte Update 1.1. Dieses beseitigte viele Bugs im Spiel und brachte eine Reihe von "Quality-of-life"-Upgrades mit sich, zum Beispiel die Möglichkeit zur Anpassung der MechWarriors.

Der realistische und bodenständige Ansatz des Spiels geht auf die Wurzeln von Battletech zurück. "In diesem Universum gibt es keine Aliens, Magie oder Wissenschaft, deren Grundlage nicht die heutige Wissenschaft bilden könnte", erklärt Weisman."Ich versuchte das zu erreichen, indem ich mich umfassend mit der Vergangenheit beschäftigte. Die politische Situation ist durch die römischen Nachfolgestaaten inspiriert, Vorbild für die Schlachten sind Panzergefechte im Zweiten Weltkrieg. Unser Game Director Mike McCain hat gemeinsam mit unseren Künstlern und Designern fantastische Arbeit geleistet und die meiner Meinung nach bislang beste Möglichkeit zum Eintauchen in das Battletech-Universum geschaffen."

Wenn 45 Leute über Jahre eng zusammenarbeiten, entstehen dabei viele Geschichten, von denen "die meisten niemals erzählt werden sollten", sagt Weisman. Es bleiben viele Erinnerungen und auch einige Dinge, die er bereit ist zu erzählen. "Eine meiner liebsten Erinnerungen stammt vom Anfang der Entwicklung, als das Team noch klein war und wir uns darauf konzentrierten, die passende Struktur für das Kampfsystem zu finden. Wir setzten uns als Ziel, jede Woche eine neue Version zu designen und zu testen, bis wir eine finden, die all unsere Vorstellungen erfüllt. Diese Monate waren sehr aufregend, denn jeder Tag fühlte sich so an, als arbeiteten wir einer neuen Version des Spiels."

"Ein weiterer schöner Moment war, als Mike mir erstmals das Intro des Spiels zeigte", ergänzt er. "Ich musste weinen, weil es ihm gelungen war, in zwei knappen und wundervollen Minuten die Essenz des Battletech-Universums einzufangen und den Kontext des Spiels zu vermitteln."

Für Battletech suchten die Entwickler nach einem geeigneten Platz im Universum des Spiels.

Die Unterstützung der Spieler und Kickerstarter-Backer sei für das Studio enorm wichtig, wenn es darum geht, solche Spiele zu entwickeln. Die Backer stellten rund ein Drittel des Produktionsbudgets zur Verfügung und leisteten weitere Beiträge durch die Betatests und die "emotionale Unterstützung" während der Entwicklungszeit. Gleichermaßen wertvoll seien die vorherigen Erfahrungen mit Shadowrun Returns, Shadowrun: Hong Kong und Golem Arcana gewesen.

Weisman erhofft sich, dass Battletech ein erster Schritt war und die Entwickler noch über viele Jahre hinweg begleitet. Das Team sei glücklich mit den Reaktionen auf das Spiel und freue sich darauf, weiter daran zu arbeiten. Eine Umsetzung für Konsolen ist aktuell nicht ausgeschlossen. Nachdem Paradox Interactive das Studio vor kurzem übernahm, sei dies eine Möglichkeit. "Bislang haben wir noch keine Entscheidung dazu getroffen", sagt er.

"Indem wir ein Teil von Paradox sind, erhoffen wir uns, eine stabilere Plattform für die Entwicklung von Spielen zu haben", fügt Weisman hinzu. "Es ermöglicht uns, die Entwicklung von Battletech und künftigen Titeln strategischer anzugehen. Die Leute bei Paradox sind große Battletech-Fans und ich weiß, dass sie begierig nach mehr sind."

Es ist davon ausgehen, dass das ebenso für die Fangemeinde gilt. Und es klingt so, als würde Harebrained Schemes sie auch in Zukunft nicht enttäuschen. Seien wir gespannt, was uns erwartet.

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.
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