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Bayonetta (PC) - Test: Die beste Version eines einzigartigen Spiels

So kann's weitergehen!

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Ein fabelhafter PC-Port und die unstrittig beste Version des hochhackigen Hexenballetts. Die Heimcomputer sind um einen Klassiker reicher.

Wunderbar! So langsam knicken sie ein. Nicht dass SEGA nicht schon länger Bereitschaft signalisiert hätte, dem einst so vernachlässigten PC ein paar verpasste Perlen nachzureichen. Aber Platinum Games' extrem begehrtes Bayonetta könnte in dieser so gut wie tadellosen PC-Umsetzung nicht nur bei diesem Publisher alle Dämme brechen lassen - und so den Weg ebnen für andere Klassiker aus dem dicken Katalog auf Rechnern nie gesehener Klassiker.

In 4K auch mit seinem stattlichen Alter noch ein sehr ansehnliches Spiel.

Es klingt nicht nach einer allzu schweren Aufgabe, ein sieben Jahre altes Konsolenspiel auf PCs umzusetzen, die ein Vielfaches der Leistung der Ursprunggeräte bieten. Und doch geht gerade das häufig schief, etwa wenn die Anpassungen an moderne Bildschirme nicht weit genug gehen. Platinums - soweit wir das sehen können - intern entwickelte PC-Version von Bayonetta macht in dieser Hinsicht mit ein bis zwei, möglicherweise behebbaren Abstrichen, alles gut und richtig. Wer noch einmal behauptet, Technik spiele keine Rolle für den Spielspaß, erhält hier das beste Gegenargument - in einem Spiel, das sich schlicht besser anfühlt als jede Version zuvor.

Als erstes stellen PC-Spieler fest, dass viele teils exotische Auflösungen unterstützt werden. 4K ist mittlerweile ein selbstverständlicherer Kandidat, aber 5K - oder besser 2880p - sehe aber zumindest ich zum ersten Mal. Die 4K waren auf meinem Testsystem absolut stabil bei 60 Bildern pro Sekunde, laut Digital Foundry, die offenkundig mehr als einen PC besitzen, ist aber selbst mit einer übertakteten Geforce 970 noch 4K in deutlich flüssigerer Bildausgabe möglich, als die Konsolen in 720p lieferten. In Auflösungen um die 1080p ist eine fünf Jahre alte Radeon-Karte wie die HD 7770 noch den Konsolen weit überlegen.

Gerade in Sachen Durchblick schlägt sich die PC-Version deutlich besser als das ursprüngliche Spiel.

Weitere Anpassungen, die sich sichtlich auf die Bildqualität dieses Kombo-verliebten und irrsinnig schnellen Schnetzlers auswirken sind das hochwertige anisotrope Filtering, die deutlich feiner gezeichneten Schatten und Dinge wie HDR (nicht das HDR, sondern die Art und Weise, wie das Spiel mit stärkeren Blendeffekten sein Licht berechnet) und Ambient Occlusion. Zusammen mit den höheren Auflösungen, besser aufgelösten UI-Elementen und der unbeirrbaren Bildrate durchschaut man den Wirbelsturm aus pistolenbewehrten Stilettostiefeln, Handkanten und hexenhaften Haarzyklonen auch im dichtesten Effektgewitter noch bestens. Und das Spielgefühl profitiert sowieso, weil man wegen zuverlässiger Frametimes auch Ausweichmanöver und Konter passgenauer und zuverlässiger landet. Es ist eines der besten Kampfsysteme des Business, diesmal in seiner griffigsten, übersichtlichsten und am besten zu kontrollierenden Form. Ein Traum.

Nicht alles gelang ihnen allerdings vom Fleck weg perfekt. Die Bildrate ist bei 60 FPS gedeckelt, nicht dass ich gierig erscheinen wollte, aber bei so viel Leistung in Reserve wird man schon mal... neugierig, was da noch so ginge. Aber na gut. Bedauerlicher ist da schon, dass die Antialiasing-Optionen keinen Unterschied zu machen scheinen und wohl schlicht noch nicht fertig implementiert sind. Und was die (alles andere als selbstverständliche) VRAM-Füllstandsanzeige so von sich gibt, ist nicht immer nachvollziehbar. Für den Moment ist das aber nicht weiter von Belang: Antialiasing kannten die Konsolen bei ungleich niedrigerer Auflösung gar nicht und den VRAM bekommt man auch mit viel bösem Willen niemals voll. Trotzdem wäre es schön, wenn gerade an ersterem Punkt - und vielleicht dem Bildraten-Cap - noch gearbeitet werden könnte.

Und natürlich fällt das Timing bei konstanter Bildrate spürbar leichter.

Das Spiel selbst - nun, dazu haben sowohl Martin als auch Seb schon tubenweise ihren Senf abgegeben. Von mir nur so viel: Wer auf übernatürliche, rhythmische Nahkampfsysteme mit Dual-Wield-Dauerfeuereinspeisungen steht, kommt rein spielerisch voll auf seine Kosten. Ungeachtet der fantastischen Qualitäten, wenn es um das Look and Feel und die Spektakelwerte dieses Titels geht, muss man sich schon bewusst sein, was für eine Camp-Kanone man sich hier ins Haus holt. Das hier ist durch und durch Kamiya und noch mal zwei Ecken bekloppter als alles, was sich Dante über die Jahre in Devil May Cry geleistet hat. Dermaßen beschwipst und sorglos gab sich ein charakterbasierter Slasher selten und gewisse Szenen könnten weniger japanophilen Spielern die Fremdschamesröte ins Gesicht treiben.

Andere wiederum werden schlichtweg lieben, wie zügellos und im besten Sinne unmöglich sich Bayonetta und Freunde geben. Es ist ein perfekt durchchoreografierter, schamloser Zirkusakt von einem Videospiel, mit einem Kampfsystem im perfekt austarierten Spagat zwischen "eingängig unterhaltsam für einen einmaligen Durchlauf" und "technisch versiert für Leute, die in jedem Stage das beste Ranking erzielen wollen". Es ist die Sorte Titel, die fast unweigerlich eine solche Fan-Liebe und Cosplay-Wagnisse provoziert, dass Undenkbares auf einmal Machbar erscheint. Zum Beispiel, dass die Community einen eigentlich chancenlos erscheinenden zweiten Teil offenbar aus reiner Gedankenkraft zur Existenz verholfen hat (auch wenn es nominell Nintendo waren, die hier den letztendlichen Ausschlag gaben).

Klingt das für euch nach einem attraktiven Pitch, werdet ihr in diesem Jahr wenige bessere Griffe tun, als den zur mit nur 20 Euro definitiv nicht überteuerten PC-Version von Bayonetta. Selbst, wer das Spiel nach langer Zeit einfach nur noch einmal erleben möchte, diesmal in der bestmöglichen Verfassung, wird keinen Cent bereuen, den er hier investiert.

Bayonetta ist zu weiten Teilen ein zeitloses Stück Videospielgeschichte - und die Dinge, die nicht ins neue Zeitalter ultrahoher Auflösungen passten, hievt Platinum Games jetzt mit einiger, nicht selbstverständlicher Leichtigkeit hinterher. Das ist toll. So kann's weitergehen. Vor allem wenn das bedeutet, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft die Version von Vanquish bekommen, die dieses Spiel verdient hätte.


Entwickler/Publisher: Platinum Games/SEGA - Erscheint für: PC - Preis: 19,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: deutsche Bildschirmtexte - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Bayonetta

PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U, PC, Nintendo Switch

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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