Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Bayonetta

Super Happy Witches Fun Time!

Vor allem die Bosse konnte man so selten zuvor bewundern. Und auch Bayonettas Special Counter, mit dem sie aus ihren Klamotten einen Dämon formt – no frontal nudity, keine Nippel, aber jede Menge Andeutungen und enge Klamotten – sind einfach… groß. Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll, es ist einfach so aberwitzig überdimensioniert, dass es selbst Kratos gelegentlich klein wirken lässt. Es entspricht wohl einfach der Kultur der Dramaturgie in Japan, es richtig krachen zu lassen. Wenn ein Drache den Kopf in die Kirche steckt, dann kann er diese auch entwurzeln, mit ihr um den Hals durchstarten und den Showdown in den Trümmern in aberwitziger Höhe veranstalten. Und sowas passiert mehr als einmal.

Diese Epik nimmt sich aber nie selbst ernster als es unbedingt sein muss. Die Charaktere wurden durch die Bank dermaßen überzeichnet, dass keinem Emo-Kiddie der Devil-May-Cry-Fehler unterlaufen kann, hier nach Sinn zu suchen. Wer Bayonetta für voll einstuft, hat wahrscheinlich noch ganz andere Probleme im Leben. Oder in dem, was davon übrig ist. Auch sind die meisten Sprüche weit über jede Grenze hinaus und die Witze meist nicht wirklich lustig, zumindest nicht für sich genommen. Aber sie von einer Hexe in einem SM-Outfit mit Knarren als High Heels serviert zu bekommen, die dabei keine Miene verzieht, lässt selbst diesen Quatsch erstaunlicherweise sehr authentisch und lustig rüberkommen. Sicher, es ist eine eigene und sehr japanische Art von Humor, aber eben auch eine, die funktionieren kann. Shut up, Kristian. Bayonetta ist lustig.

Ludwig XIV., Marie Antoinette, Robespierre und der namenlose Dämon. Wahrlich ein Gleichmacher, diese Guillotine.

Ein weiteres Merkmal dieses Humors von jenseits der Welt oder zumindest der asiatischen Landmasse ist der Soundtrack. Normalerweise gehe ich trotz meiner Affinität zur Musik nicht ganz so deutlich darauf ein, aber ihn hier nicht zu erwähnen, hieße euch in eine offene Bärenfalle zu schicken. Entweder ihr seid normal drauf und es wird mächtig wehtun oder euer Geschmack humpelt wie meiner auch auf einem Holzbein und merkt gar nicht, dass da was ist.

Über weite Strecken erfreut chorales Gewummer der üblichen Sorte eure Ohren. Einige der Boss-Tracks sind wirklich außerordentlich gut, aber gar nicht so anders als das, was man kennt. In vielen Kämpfen jedoch spielt etwas, das der Dauergast eines koreanischen Einkaufzentrums als ein wenig zu weich gespülten J-Pop identifizieren würde. Tja, was soll man sagen. Nimm das, DMC4. Hier gibt es keinen pseudo-coolen Pseudo-Hardrock, hier gibt es definitiv große Zeilen, etwa ein Softie-Cover von – und ich denke mir das nicht aus – Frank Sinatras „Fly Me to the Moon“. „In other words: I love you.“. Hinreißend geträllert, während ihr einen Dämon auf eine Guillotine spannt, ihm wiederholt in den Hintern tretet und dann am Seil zieht. Ich meine.. ehrlich…wow…das ist echt…anders. Und seltsam. Ich bin verwirrt. Aber ich mag es definitiv.

Wenn ich dagegen etwas an der mental verqueren Welt von Bayonetta auszusetzen habe, dann ist die für das Genre scheinbar übliche Leere in den Straßen. Vieles in angeblich belebten Kulissen – europäische Altstadt, Super-Evil-Konzern-Hauptquartier, Militärbasis – bleibt steril und tot.

Wenn jetzt den Japaner noch einer die Wunder von Bump-Mapping und AA erklären könnte...

Auch Kratos oder Dante mussten sich nicht um Schaulustige sorgen, aber es ist ein seltsamer Eindruck einer Welt. Ein wenig apokalyptisch, ein wenig losgelöst, noch fremdartiger als es das Artdesign sowieso schon darstellt. Und das ist weit gestreckt, denn was hier visuell zelebriert wird, wird normalerweise auf eine ganze Generation von Spielen verteilt.

Bleiben wir für einen Augenblick bei der Ausgestaltung dieser alternativen Erde. Aufgeteilt in etwa 16 Stages gibt es Momente, die einem eine Leine der Normalität zuwerfen und bodenständig bleiben. Aber nur, um dann wieder alles durchzuwürfeln und der Lust an der Zerstörung freien Lauf zu lassen. Wie ein Jongleur wirft das Spiel einfach die Teile in die Luft, lässt sie wirbeln und nimmt euch mit auf einen wilden Ritt. Wenn alles möglich ist, gibt es keinen Grund, das nicht auch zu tun. Die Entwickler genießen ganz offensichtlich diese Freiheit.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Bayonetta

PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U, PC, Nintendo Switch

Verwandte Themen
Über den Autor
Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Kommentare