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Beijing 2008

Controller-Folter

Der Untertitel unserer Vorschau zu Beijing 2008 von Anfang Juni lautete „Krampf im Finger“. Und die Hände und Arme machten sich in der Tat nach vielen Disziplinen deutlich bemerkbar. Gut einen Monat später steht nun das fertige Spiel im Laden und sorgt noch immer für eine schonungslose Folter des Controllers.

Dabei könnte doch im Prinzip alles ziemlich einfach sein, wie manche Disziplinen durchaus beweisen. Gemütliches, aber dennoch genaues Drücken erfordert beispielsweise das Bodenturnen. Sobald die Akteurin mit ihren Füßen den Boden berührt, müsst Ihr den dazu passenden Button betätigen, der praktischerweise direkt auf der Matte angezeigt wird.

Oder im Wettbewerb Turmspringen. Hier hält man lediglich einen (drei Meter) oder beide (zehn Meter) Analog-Sticks innerhalb eines Kreis auf den zugehörigen Markierungen. Alles gar kein Problem, schließlich hat man nach einigen Versuchen die Steuerung so gut wie im Griff und erzielt beste Ergebnisse.

Wenn doch nur alles so schön komfortabel wäre. Aber nein, da existieren ja zum Beispiel die Laufwettbewerbe wie 100m oder Hürdenlauf. Nicht nur, dass man vor dem Start einen Energiebalken füllen muss - aber nicht zu sehr, ansonsten Fehlstart -, im Anschluss daran folgt Button Mashing der übelsten Sorte. Damit der Läufer ordentlich Fahrt aufnimmt, hämmert man einfach nur wild auf A und B – alternativ wird der Analog-Stick malträtiert.

Es geht sogar soweit, dass man teilweise das Gefühl hat, auf Leben und Tod die Buttons drücken zu müssen. Ansonsten kann man den jeweiligen Versuch quasi schon vergessen, da er sowieso zu nichts führen wird. Andernorts wird gar minutenlang an einem oder beiden Analog-Sticks gedreht, damit man bloß keine Geschwindigkeit verliert. Das Tempo ist so hoch, dass anschließend in den meisten Fällen die Daumen schmerzen.

Field-Events

Ebenfalls unangenehm fallen dabei die mitunter einen Tick zu schnell ablaufenden Abschlussaktionen auf, mit denen man unter anderem den Absprung- oder Flugwinkel bestimmt. Selbst hier verlangt Beijing 2008 einem eine Reaktion in Sekundenbruchteilen ab, was somit teilweise mehr in ein Glücksspiel als in wirkliches Können ausartet. Man hätte das Geschehen in diesen Augenblicken wenigstens ein kleines bisschen verlangsamen können.

Eine Zeitlupenfunktion exisiert zwar, jedoch nur im Spielmodus „Olympischen Spiele“ - Training sowie Wettbewerbe kommen ohne aus. Und wirklich hilfreich ist sie dennoch nicht, da sie stets manuell ausgelöst wird und nur eine begrenzte Zeit lang hält. Somit müsste man vor einem Wurf schnell den rechten Trigger betätigen, nachdem man zuvor noch auf die Buttons gehämmert und im Folgenden in Sekundenbruchteilen über einen guten oder schlechten Versuch entscheidet. Bis man diese Disziplinen also perfekt (oder überhaupt) beherrscht, vergeht sehr viel Zeit.

Und das führt wiederum zu einem anderen Problem: Dem Multiplayer-Modus. Nicht die Technik an sich ist damit gemeint, sondern wieder einmal die Steuerung. Die wenigsten Gamer werden bei einem gemütlichen Spieleabend wohl hektisch auf die Knöpfe der Controller einschlagen wollen. Zudem dürften Einsteiger bei den schon erwähnten Disziplinen alsbald frustriert das Handtuch werfen. Für eine schnelle Runde mit Nicht-Spielern empfiehlt sich Beijing 2008 also eher weniger.

Stellt sich die Frage, warum die Entwickler lediglich diese Methode anbieten? Eine ziemlich gute Frage, ehrlich gesagt. Es wäre sicherlich kein Problem gewesen, eine solche Möglichkeit für „Profis“ optional anzubieten. Insgesamt halten sich die vergleichsweise leicht zu kontrollierenden und die eher frustrierenden Sportarten die Waage, wobei die schlechten Eindrücke überwiegen. Was jedoch nichts daran ändert, dass Neulinge eine Menge Einarbeitungszeit, Frustresistenz und gute Finger benötigen.

Immer schön auf die Buttons eindreschen

Wenigstens die Optik hat Eurocom durchweg gelungen hinbekommen. Von Grafikfehlern ist jedenfalls keine Spur mehr auszumachen. Zugleich erstrahlen die Athleten und Schauplätze in schicker Grafik und glänzen mit flüssigen, realistischen Animationen. Einzig und allein die Mimik der Figuren kommt manchmal nicht ganz so glaubhaft rüber wie vielleicht gewünscht.

Ich hätte wirklich gerne ein gutes und zugängliches Olympia-Spiel gezockt. Aber genau das, was sich in der Preview-Version bereits abgezeichnet hat, ist in der fertigen Fassung eingetroffen. Die viel zu hektische und frustrierende Steuerung versaut einen Großteil des Spiels – macht es gar für Neueinsteiger unnötig schwer. Ich weiß ja nicht, wie die Entwickler darüber denken, aber meiner Meinung nach sollte Olympia doch ein Spiel für alle sein. Und nicht nur für einige wenige, die sich wirklich intensiv damit beschäftigen.

Wer gerne gemütlich auf seiner Couch spielt, hat mit Beijing 2008 daher wenig Freude. Sofern man mal von einigen der insgesamt 38 Disziplinen absieht. Zwar mögen die Bewegungsabläufe am Controller bei dem einen oder anderen vielleicht alte Erinnerungen wecken, aber heutzutage fällt sowas meiner Meinung nach einfach unter mangelnden Komfort. Wer hingegen gerne wie verrückt auf Buttons hämmert, dürfte mit Eurocoms Olympia-Umsetzung vermutlich dennoch seinen Spaß haben.

5 / 10

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.
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