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Belief & Betrayal

Da hilft selbst der Glauben nichts

Suspension of Disbelief - schon einmal gehört? Das ist die englische Bezeichnung für ein Prinzip, das in der Literatur, in Filmen oder auch in Spielen zum Einsatz kommt. Eben überall dort, wo Geschichten erzählt werden. Bedeutet übersetzt so etwas wie "Das Aufschieben von Zweifeln" und meint, dass ein Leser, Zuschauer oder Spieler bereit ist, gewisse Zugeständnisse in Hinblick auf die Logik und Glaubwürdigkeit einer Story zu machen, wenn sie denn ansprechend erzählt ist. Anders formuliert: Man stellt lästige Fragen hinten an, um der Geschichte die Chance zu geben, sich zu entfalten.

Soweit die Theorie.

Die geht in der Praxis allerdings nicht immer auf und Belief & Betrayal ist lustigerweise eines der besten Beispiele dafür. Weil der Disbelief, der Zweifel, an Logik und Glaubwürdigkeit, schon nach wenigen Minuten so groß ist, dass die Story gar nicht mehr so viel Spannung versprechen kann, um seine ganzen Fehler wieder gut zu machen.

Aha...

Eine deutsche Bushaltestelle mitten in London? Hmm.

Kommen wir zur Sache: Stellt Euch vor, Ihr seid ein Journalist. Kein Star, ein kleiner Redakteur bei einem Magazin in den USA, der sich gerade auf ein Interview vorbereitet, als sein Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung ist ein Mann, der sich als Inspector aus Großbritannien ausgibt und irgendetwas davon schwafelt, dass Ihr Euch in schrecklicher Gefahr befindet. Nähere Details will er zwar nicht preisgeben, aber Ihr würdet gleich abgeholt und zum Flughafen gebracht - denn Ihr müsst ganz schnell nach London. Seid Ihr erst einmal perplex? Stellt Ihr Fragen? Wendet Ihr Euch an die örtliche Polizei? Vermutlich. Nicht so Jonathan Danter, der Held von Belief & Betrayal. Der sagt nach kurzem Zögern etwas wie: "Hm, passt mir jetzt zwar nicht so toll, aber okay."

Ein paar Stunden später findet er sich in einem Büro von New Scotland Yard wieder, wo ihn eben jener Inspector über den Tod seines Onkels Frank aufklärt. "Huch", antwortet Jonathan sinngemäß, "aber der ist doch schon seit zehn Jahren tot!" Nein, erklärt ihm sein Gegenüber, tatsächlich habe der gute Frank für die geheimste der geheimen Abteilung des vatikanischen Geheimdienstes gearbeitet und sein Ableben nur vorgetäuscht, um seine Verwandten zu schützen. Als Beweis zeigt er Jonathan eine Zeitung mit der Schlagzeile "Frank Danter tot". Und als wir danach die Wohnung von Onkel Frank besuchen, steht in großen Lettern an der Tür: "Frank Danter - Privatdetektiv". Aha, so täuscht man also seinen Tod vor.

Kurz darauf erfahren wir von einer riesigen Verschwörung, in die nicht nur die gesamte katholische Kirche, sondern auch die halbe christliche Welt verwickelt ist. Naja, gut, dass wir bald die herrische Kat McKendal an unserer Seite haben. Die trägt nämlich eine Brille und hat deshalb Ahnung, von Sprachen und sowas. Es folgen etliche Dialoge, bei denen man sich unweigerlich an diese großartigen Werbespots im Nachtprogramm des DSFs erinnert fühlt. "Du, Jonathan, wir können niemanden vertrauen." "Oh, Kat, das ist ja unglaublich!" Dan Brown, wohl das große Vorbild für die Autoren von Belief & Betrayal, wirkt wie ein Literatur-Nobelpreisträger dagegen.

Soso...

Später dürft Ihr auch Jonathins Mitstreiterin Kat steuern und den Vatikan besuchen.

Macht aber nichts, weil in dem rund zehn Stunden langen Abenteuer auch sonst nicht besonders viel zusammenpasst. Da sind beispielsweise die Rätsel, ohnehin sehr wenige an der Zahl, meistens aber ohne Probleme zu lösen. Es sei denn... ja, es sei denn, das Spiel führt Euch an der Nase herum. Der Klassiker "Klicke einen Gegenstand mehrmals an, damit ich Dir alles über ihn verrate!" ist dabei, aber ebenso der Evergreen "Klicke erst etwas anderes an, bevor ich Dir irgendetwas über diesen Gegenstand hier verrate!". Hinweise darauf gibt es allerdings keine, weil die Charaktere noch nicht einmal so etwas wie "Das brauche ich jetzt noch nicht!" sagen. Sie verschweigen häufig einfach, dass da überhaupt etwas ist. Letztendlich läuft es also darauf hinaus, dass Ihr immer wieder Eure Runden dreht und jeden Hotspot x-mal anklickt - irgendwo könnte ja noch etwas versteckt sein.

Davon abgesehen schwankt das Niveau der Rätsel zwischen kinderleicht und schwachsinnig, obwohl die Kombination kinderleicht-schwachsinnig selbstverständlich ebenfalls anzutreffen ist. Ein Beispiel: Jonathan entdeckt an einer Kirche eine Säule, auf der ein paar lateinische Sätze geschrieben stehen. Weil er jedoch kein Latein kann, muss er sie Mitstreiterin Kat zukommen lassen - nur wie? Ruft er sie kurz zu sich? Fotographiert er die Säule mit seinem Handy und schickt Kat das Bild? Nein, geht alles nicht.

Stattdessen sucht er eine Dose Tomatensoße, die glücklicherweise mitten in der Stadt und bereits geöffnet neben einem Zeitungskiosk auf dem Boden steht. Diese Soße schmiert er auf die Säule. Und jetzt? Jetzt fehlt nur noch eine Zeitung, die Jonathan auf einer Parkbank entdeckt. Dass der Spieler sie überhaupt nicht selbständig entdecken kann, weil die Perspektive die Bank von hinten zeigt, wollen wir mal übersehen. Jedenfalls drückt unser Held die Zeitung dann gegen die Säule und schon befinden sich die Sätze in roter Farbe auf ihr. Zum Schluss mit dem Handy ein Foto von der Zeitung machen und Kat mailen. Alles klar?

Mhm...

Dabei hat Belief & Betrayal durchaus brauchbare Ansätze: Dass Ihr per Tastendruck alle Hotspots wie in Geheimakte Tunguska einblenden könnt, zählt dazu und ist lobenswert. Blöd nur, dass nicht auch die Ausgänge eines Bildschirms angezeigt werden. Die sind häufig noch viel schwieriger zu finden, weil es für jede der zahlreichen Location zig unterschiedliche Kameraperspektiven gibt. Genauso ist es schön, dass Ihr häufig mit zwei oder sogar drei Charakteren parallel agieren dürft. Allerdings könnt Ihr manchmal mit einer Figur nur dann weiterspielen, wenn Ihr mit einer anderen etwas erledigt habt - was das Spiel erneut nicht einmal andeutet.

Dass auch die technische Seite nicht zu brillieren versteht, passt schlussendlich nur gut ins Bild: Die Hintergründe hinterlassen überwiegend zwar einen sehr hübschen Eindruck, dank vieler Details und gelungener Beleuchtung, aber die kantigen Figuren will man nicht unbedingt aus der Nähe sehen. Von den vorberechneten Zwischensequenzen, die so einen 90er-Jahre-Look tragen, ganz zu schweigen. Dafür wissen die Synchronsprecher, was sie tun. Wenn einem doch nur die immer gleichen Standardsprüche nicht so schnell auf die Nerven gehen würden...

Häufig beschließt man ein Review mit einer Art Kaufempfehlung. "Für Fans des Genres einen Blick wert." Oder: "Wem Spannung wichtiger ist als Gameplay, der kann seinen Spaß haben." Das Problem bei Belief & Betrayal ist nur, dass es weder eine halbwegs brauchbare Geschichte erzählt, noch ein einigermaßen gutes Adventure darstellt. Und ich es daher niemandem wirklich empfehlen kann.

Belief & Betrayal ist seit kurzem für den PC im Handel erhältlich.

4 / 10

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Über den Autor

Fabian Walden

Freier Redakteur

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