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Castle of Illusion - Test

Wo hört das Remake auf und wo fängt die Hommage an?

Nach DuckTales und Flashback kommt nun der vorerst, aber ganz sicher nicht generell letzte Vertreter aufwendig aufgemöbelter Klassiker. Castle of Illusion starring Mickey Mouse war ein wichtiger Meilenstein für SEGAs Mega Drive. Eine Kooperation mit populären Disney-Figuren schadet selten, aber das Spiel war weit mehr als nur ein paar schnelle Dollar mit bekannten Namen. Es war eine nicht mal unbedingt rein technische Meisterleistung, auch wenn es da keineswegs versagte, sondern vielmehr ein Triumph des Art-Designs. Ein schlicht schönes Spiel, sowohl in seiner visuellen wie auch klanglichen Umsetzung. Dass es sich als geradliniges, unverfälschtes Jump'n'Run wie ein Traum spielte, gab den Rest, das Mega Drive hatte seinen Klassiker, noch vor dem ersten Sonic.

Der Wiedererkennungseffekt ist da, aber es ist schon ein sehr weiter Schritt.

Mit seiner Neuumsetzung geht SEGA einen anderen Weg als Capcom mit seinen DuckTales-Disneys. Dieses war trotz einiger kleinerer Anpassungen weitestgehend eine technische Neuinterpretation. Castle of Illusion möchte mehr sein als nur das und in den ersten Minuten scheint das Spiel einen Sprung in die Richtung eines ganz anderen Klassikers zu wagen: Mario 64. Hier wie auch bei dem Klempner ist ein Schloss der Hub für den Zugang zu den Spielwelten. War jedoch Marios Schloss ein rätselverseuchtes Enigma in sich selbst, bei dem ihr für das letzte Geheimnis hart arbeiten musstet, stellt sich das Castle of Illusion schnell als recht lahme Fassadenaufhübschung heraus. Das System des Freischaltens der einzelnen Level über zu sammelnde Kristalle - ein neues Feature - ist reine Makulatur. Selbst wenn ihr es schafft, genug Kristalle zu sammeln, um theoretisch eine der fünf Welten mit je drei Abschnitten zu überspringen, braucht ihr immer noch den Hauptkristall des Bosses der aktuellen Welt.

Das Schloss reduziert sich also auf die Funktion eines hübscheren Ablageplatzes für Mickeys freischaltbare neue Kostüme, ebenfalls ein neues, aber nicht unbedingt vermisstes und letztlich irrelevantes Feature. Kommen wir also endlich zum eigentlichen Spiel. Wie schon gesagt, war das Original 2D, geradlinig aufgebaut und ohne zu große Schnörkel. Schlichte, ehrliche Jump'n'Run-Eleganz. Dreht die Zeit ein wenig vor, von 1990 auf ein Datum Ende der 90er in die frühe Ära des 3D-Hüpfers. Die Ära, in der sich zuletzt das sehr mittelprächtige Epic Mickey 2 gefangen fand. Die gute Nachricht ist, wenn man diesen Namen schon vorholt, dass sich Castle of Illusion selbst in den dunkelsten seiner neu dazu erdachten Spielszenen nie so weit verliert, nie mit der Kamera zu kämpfen hat und euch sogar halbwegs solide die Kontrolle bewahren lässt. Der Sprungschatten Mickeys könnte dunkler sein, um genauer ein paar Plattformen zu erheischen, aber das ist es auch schon.

Das ist der Abschnitt, in dem ihr wirklich lernt mit der feinfühligen Steuerung umzugehen und dem Steuerkreuz der 360 den Tod zu wünschen.

Das Traurige dabei ist, dass diese Sequenzen, so ordentlich sie auch sind, sich nie auch nur annähernd so gut spielen wie der dem Original weit nähere 2D-Teil. Dieser wurde ebenfalls mit dreidimensionalen Modellen umgesetzt, es gibt aber nur eine Ebene, auf der gehüpft wird. Es lässt sich keine Sekunde leugnen, welcher Teil der war, der eigentlich in das Spiel gehörte und welcher in einem, woher auch immer fehlgeleiteten Versuch, das Spiel "moderner" - so nah dran ist 1998 nun auch nicht - zu gestalten, angetackert wurde. Die 2D-Abschnitte, die glücklicherweise mindestens 80 Prozent des Spiels ausmachen, bieten kaum Grund zur Klage. Das Hüpfen und damit auch das Zielen auf die Köpfe der Feinde könnte etwas weniger hektisch sein, aber sonst zeigt sich ein zwar nicht übertrieben komplexer, jedoch sehr routinierter und klassischer Aufbau. Mit der Ideenflut der letzten 20 Jahre Mario konnte das Spiel noch nie konkurrieren, aber an einem guten Wettlauf - im zweiten Durchgang auch immer optional gegen die Uhr - zum Boss gibt es eigentlich nie was auszusetzen.

Die Bosse wurden mal dezent, mal ganz schön heftig überarbeitet und der finale Kampf gegen die Hexe Mizrabel hat nun wirklich nicht mehr viel mit dem 1990er-Titel gemein. Es lässt sich schwer sagen, ob besser oder schlechter. Die Niete ist auf jeden Fall der Drache im Zucker-Land, da er ein paar ebenso unmotivierte wie unpräzise Hüpfer in die Tiefe erfordert. Mizrabels Kampf dagegen ist zwar lernaufwendig - relativ zumindest, mehr als fünf Anläufe wird kaum jemand brauchen -, ebenfalls 3D-lastig, aber ein gutes Beispiel für einen Endgegner in diesem Subgenre. Der Rest verlässt sich weitestgehend auf Taktik lesen und im richtigen Moment in 2D auf den Kopf hüpfen. Ist ok, tut nicht weh, macht einen ebenso verstaubten Eindruck wie ihre Äquivalente in den Marios oder zuletzt DuckTales.

Leider habe ich keinen Screenshot dieser ersten Einlage, die zeigt, dass 3D-Einlagen nicht immer sein müssen, vor allem, wenn sie euch in den Screen auf euch zu laufen lassen. Ich hasse das!

Nun zum guten Schluss das, was Castle of Illusion berühmt machte. Es war der erste Titel, der die Maus nicht in 8-Bit verhunzte, sondern sich des eigenen Stils annahm und seine eigene Vision dessen mit den damals besten zur Verfügung stehenden Mitteln umsetzte. Es war ein echtes AAA-Spiel seiner Zeit. Wenn ich jetzt sage, dass die 2013er-Version da in keiner Weise mithalten kann, dann klingt das weit abwertender als es letztlich gemeint ist. Das hier ist ein schönes, buntes Comic-Spiel, das den Stil der Figur Mickey und seiner Welt gelungen einfängt. DuckTales dagegen gelang es, den Stil des alten Spiels wie auch den Stil des Ausgangsmaterials weit eleganter einzufangen. Castle of Illusion dagegen fühlt sich nicht nach dem Original an. Die Themen der Level sind sofort wiedererkennbar, die Feinde zuordenbar, die Musik ist durchweg fantastisch und durchaus an vielen Stellen sehr nah an das Original angelehnt. Aber, und das ist vielleicht mein größter Kritikpunkt an dieser Umsetzung, es fühlt sich praktisch nie wie Castle of Illusion an. SEGA ging bei der Neuinterpretation so weit, dass es praktisch ein eigenes Spiel wurde. Ich habe das Gefühl, ein zu Unrecht vergessenes und nun aufgehübschtes Relikt der PS1-Ära zu spielen, aber nicht Castle of Illusion.

Der Weg zum Finale ist die vielleicht beste Passage, vielleicht weil es eine der wenigen anspruchsvollen ist.

Das ist es jedoch, was mich vor einer großen Wertungszwickmühle bewahrt. Ich brauche keine große Nostalgie zu unterdrücken, sondern kann das Castle of Illusion einfach als das bewerten, was es ist. Ein recht kurzes - drei bis vier Stunden -, sehr solides und vor allem neues Jump'n'Run, das sowohl eine gelungene Hommage an 2D und seinen Namens-Vorgänger bietet, wie eben auch an eine andere, spätere Periode der Hüpfer-Historie. Als solches bekommt ihr ein schön gestaltetes, gut spielbares, nie wirklich überraschendes Spiel, das euch doch bei allem immer die Liebe spüren lässt, mit der es geschaffen wurde. Persönlich hätte ich mir etwas gewünscht, das näher am Original gewesen wäre, aber das will ich Castle of Illusion nicht ankreiden. Dafür ist es immer noch viel zu gut und weit besser als die beiden Epic Mickeys zusammen.

7 / 10

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In diesem artikel

Castle of Illusion

PS3, Xbox 360, PC

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Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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