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Das war 2011 - Januar bis Juni

Neues bei Eurogamer und sechs alte Monate

Wieder ein Jahr rum und alles beim Alten. Oder auch nicht. Aufmerksame Beobachter haben es bereits festgestellt, es gab einen signifikanten Wechsel bei der Redaktionsbesetzung. Kristian, der Metzger, weilt nicht mehr unter uns. Nach jahrelangen Intrigen und minutiöser Vorbereitung gelang mir, Martin Woger, die demokratisch legitime Übernahme des Chefredakteurssessels. Kristian geht es gut und er schreibt euch diese Zeilen aus seinem Kerke... ich meine seiner neuen, luxuriösen Heimstatt mit allem erdenklichen Komfort:

Hallo, liebe Eurogamer! Als ich bei Eurogamer Deutschland anfing, war ich, was Online-Berichterstattung anging, noch grün hinter den Ohren. Mein letztes Projekt, die Edge-artige [ple:], war ein Printprodukt, bei der es nicht auf Zeit oder Aktualität ankam. Wir produzierten anfangs einmal im Monat, später alle zwei Monate ein relativ monothematisches Heft. Ein Produkt, bei dem man während der harten Produktionszeit oft ein Dutzend Texte in ebenso vielen Tagen zu Papier brachte. Doch davor oder danach hatte man Zeit für Recherche und Organisation. Gemächlicher als im Onlinebetrieb.

Bei Eurogamer musste ich mich dagegen auf einen neuen Takt einlassen. Die tägliche Verarbeitung von Nachrichten und die hohe Schlagzahl an Veröffentlichungen und Vorschauversionen forderten anfangs ihren Tribut und sorgten für viele durchwachte Nächte. Doch die größte Herausforderung war für mich der Kontakt mit der Community, die direkte Bewertung der eigenen Gedankenkonstruktionen. Besonders bei einer so detailversessenen und kompetenten Fangemeinde. Doch auch wenn es manchmal etwas rauher zuging, war ich begeistert, wie fundiert und oft auch sehr sachlich über Spiele und verwandte Themen diskutiert wurde. Kurz: Womit ich anfangs die meisten Probleme hatte, entpuppte sich später als ein entscheidender Motivationsfaktor.

A Last (?) Farewell.

Ich habe meinen Job geliebt und hätte ihn theoretisch noch viele Jahre weiter machen können. Aber seit einem kurzen Abstecher in die Spieleentwicklung während meiner Zeit bei der [ple:] entwickelte sich in mir der Wunsch, wieder in den Kreativprozess eingebunden zu werden. Ich hatte das Bedürfnis, etwas zu dem Gelingen eines Spiels beizutragen. Als dann meine Lebenspartnerin nach London zog und ich im August einen Job bei Splash Damage angeboten bekam, konnte ich einfach nicht ablehnen.

Deswegen habe ich mich nach langem Hin und Her dazu entschlossen, bei Splash Damage als Communication Manager anzufangen, mit dem Sonderauftrag, als interne Kontrollinstanz zum Gelingen der nächsten Produkte beizutragen. Ich werde in Zukunft also nicht nur gemeinsam mit meinen Kollegen Splash Damage nach außen vertreten, sondern direkt im Studio meine Erfahrung als Tester einbringen. Battlefield 3 und MW3 waren die letzten Spiele, die ich direkt betreute und dazu auch die Tests schrieb. Danach übernahm Martin Woger zusammen mit Tanja Menne meinen Job.

Ich danke euch allen für die schöne Zeit und das erstklassige Feedback. Was die Qualität unserer Leser angeht, gibt es in Deutschland wenig Vergleichbares. Keine Sorge, ihr werdet von mir hören, wenn wir im nächsten Jahr unser nächstes Projekt vorstellen. Bis dahin alles Gute und man sieht sich vielleicht im Splash-Damage-Forum.

Gruß, Kristian

Hiermit wird jetzt auch die offizielle Trauer bis zum 31.12.2011 ausgerufen, ich erwarte Klagerufe und Wehgeschrei 24/7 bis Silvester.

Was mich angeht: Kristian, vielen Dank für alles, ich wünsche dir alles nur erdenklich Beste in deinem neuen Job und wehe, das erste Spiel unter deiner Mitwirkung wird nicht der Kracher. Nicht, dass wir dem am Ende dann nur eine 9 geben müssen.

Wen bekommt ihr Eurogamer-Leser mit mir als neuen Chefredakteur? Einen Quereinsteiger, der sich mit IT und Zahlen besser als mit Journalismus auskannte, als ich hier vor inzwischen einer gefühlten Ewigkeit, real aber gerade mal etwas mehr als vier Jahren anfing. Nun, das hat sich seitdem gründlich geändert, für euch ändert das jetzt aber erst einmal nicht so viel. Außer natürlich, dass es heißt, auf Kristians Texte ganz zu verzichten und auch mich hier in weniger heftiger Frequenz verewigt zu finden. Damit ich jenseits des Organisationsaufwandes einer Redaktion überhaupt noch was getippt bekomme, opfert Tanja Menne - die kennt ihr ja wohl noch, oder? - ein wenig von ihrer wertvollen MMO PRO-Zeit, um im Hintergrund ein wenig das zu organisieren und zu schieben, was organisiert und geschoben werden muss.

Auch beim Redaktionsteam selbst trefft ihr auf alte Bekannte. Alex Bohn konzentriert sich auf seine mehr als nur veritablen Schreibkünste, Björn Balg liefert euch nicht nur Lösungen, sondern auch Artikel zu den kruden Trash-Produkten der Spielewelt, Benjamin Jakobs ist weiterhin die gute Seele der Redaktion und damit per Definition zuständig für alles, was getan werden muss. Auch Thomas Nickel und Frank-Erik Walter sind hier keine Unbekannten, Ersterer der Mann für Retro, Nintendo und Japan, Letzterer zuständig für alles, was sich um den Begriff MMO rankt. Dazu kommen in unregelmäßigen, aber immer gern gesehenen Auftritten Werke von Jens Sobotta und Thomas Sieben. Größere Umbesetzungen stehen damit für 2012 jetzt nicht an, aber eine Erweiterung des Teams ist nicht ausgeschlossen. Mal sehen, was das Jahr so bringt.

In diesem Sinne: Zeit zurückzublicken. 2011. In vielen, kurzen Worten. Und dieses Jahr zweigeteilt. Heute wird Januar bis Juni abgehandelt, zum Ende der Woche und des Jahres der Rest. Im zweiten Teil darf sich dann auch noch jeder aus der Redaktion - wie jedes Jahr - über seine Enttäuschung des Jahres klagen und die positiven Überraschungen 2011 bejubeln.

Januar 2011

Der Januar ist immer langweilig in der Branche. Die Weihnachtsspiele werden noch aus dem November herüber abgearbeitet und keiner hat mehr Geld, um neue Spiele zu spielen oder zu produzieren. EA wollte ein klein wenig mit diesen Wahrheiten brechen und die kalte Jahreszeit - der Schnee lag zu diesem Zeitpunkt etwa sibirisch - um die Kälte des Weltraums bereichern, aber ein kleiner Freistaat widersetze sich der römischen Besatzung, ich meine natürlich dem Megakonzern.

Betrübt darüber, dass die Kühe keine Milch mehr geben und die Bauern in den Zelten wieder rauchen würden, wenn so viel Gewalt wie in Dead Space 2 weltweit gleichzeitig erscheinen würde, legte das scheinbar tief eingeschneite und sehr gelangweilte bayrische Sozialministerium Einspruch gegen die bereits erfolgte USK-Einstufung ein. Ab 18 ist nicht genug, ihr dürft zum Bayrischen Gebirgsjäger-Bund, aber wehe ihr meldet euch zur Bug-Jagd bei der mobilen Infanterie! Einen Monat später endete die kleine bajuwarische Scharade mit einer sehr überraschenden USK-Einstufung: Genau der gleichen 18er-Wertung, die es schon zuvor bekommen sollte.

An dieser Stelle möchte ich mich im Namen von Amazon.co.uk und allen Importeuren beim bayrischen Sozialministerium bedanken. Solche Aktionen sollten öfter gestartet werden, um darbende Kleinhändler und seit neuestem außerhalb der Eurozone residierende Großkonzernvertretungen zu unterstützen. Wo kommen wir dahin, wenn sich einfach jeder Erwachsene seine Spiele bei Media Markt kaufen könnte, wo ist denn da bitte das Abenteuer?

Das eigentlich große Thema war der Anfang vom Ende des "Die PS3 ist unknackbar"-Märchens. Kaum hatte Sony die Linux-Funktionen deaktiviert, machte sich ein gewisser GeoHot - inzwischen als Mitarbeiter bei Facebook mit seinem bürgerlichen Namen George Hotz in der Mitarbeiterkartei gelistet - einen Namen, indem er es durch einen scheinbar recht simplen Exploit wieder aktivierte. Und es nebenbei auch noch ermöglichte, jede andere Art von Fremdsoftware inklusive Raubkopien laufen zu lassen. Der Rest dürfte als das größte PR-Debakel in Sonys Laufbahn als Großkonzern Geschichte machen. Im Laufe der nächsten Wochen und Monate verklagten sie Hotz und ein paar andere Hacker, was die inzwischen ja durchaus bekannte, lose sortierte Bewegung Anonymus und die Hacker von Lulzsec auf den Plan rief. Sonys Onlinedienste wurden einer nach dem anderen gehackt, abstruseste Sicherheitslücken kamen ans Tageslicht, Nutzerdatenbanken mal mit, meist ohne Kreditkartennummern ins Netz und Hotz nicht ins Gefängnis.

Die Lehre, die man als Großkonzern daraus ziehen sollte, ist wohl, dass man, wenn es schon brennt, nicht wild um sich schlägt und gleichzeitig die Nutzer im Dunkeln lässt. Die Informationspolitik Sonys im Laufe der kleinen Krise, die das PSN über Wochen lahmlegte, blieb nämlich, gelinde gesagt, unterirdisch bis nicht vorhanden. Mal spekulativ gefragt, was wäre denn anders gewesen, wenn Sony den Hack einfach erst einmal hingenommen hätte und von technischer Seite aus Schadensbegrenzung betrieben hätte? Nichts. Als der Hack im Netz war, spielte es alles keine Rolle mehr, der Prozess war nicht mehr aufzuhalten und außer schlechter PR nichts mehr zu holen, egal wie viele Hacker hinter Gitter sind. Aber wer konnte schon ahnen, dass ein paar DDoS-Attacken und ein paar Hack-Kiddies den Riesenkonzern derartig in die Enge treiben würden. Die Lehre in Sachen PR und IT-Sicherheit kostete Sony am Ende 170 Millionen Dollar und einen Monat Zeit ohne PSN, in dem der eine oder andere Nutzer sicher mal bei der Konkurrenz reinschnupperte. Zumindest herrscht seit Juni größtenteils Ruhe an der PSN-Front.

Februar 2011

Die magere Winterzeit ist durch, neben Dead Space 2 für Bayern erscheint auch das nicht minder gewalthaltige, aber scheinbar sozialverträgliche Killzone 3. Dazu noch das eigentlich recht nette Test Drive Unlimited 2 als vorerst letzter Nagel auf dem Weg zum Sarg für Eden Games' Untergang und das herrlich anarchisch-sinnbefreite, aber umso unterhaltsame Bulletstorm. Große Kontroversen? Nicht wirklich. Lasst mich nur noch kurz in Deckung springen, bevor ich verkünde, dass die 8 Punkte für Killzone völlig okay sind, weil MW3 das bessere Game ist. Autsch! Hey, nicht mit objektiven Meinungen werfen, die sollen doch neben der einheitlichen Feldtheorie liegen bleiben.

Bulletstorm hatte derweil in den USA mit einer ganz anderen Kontroverse zu kämpfen - oder profitierte von kostenloser PR, je nachdem, wen man fragt - als FOX kaum verdeckt angedeutet fragte, ob Bulletstorm "Das schlimmste Videospiel der Welt sei". Zur Beantwortung holte man sich die Fachexpertise von Dr. Jerry Weichman, der zwar keine Beweise vorlegte, aber wer sagen kann, dass die Zahl der Vergewaltigungen allein schon durch Bulletstorm steigen wird, muss das auch nicht. Da alle Statistiken über die Zahl von Vergewaltigungen, die ich auf die Schnelle finden konnte, nur bis 2010 gehen, kann ich jetzt nicht sagen, ob der Mann Recht oder Unrecht hat, bin aber persönlich der Meinung, dass das Spielen von Bulletstorm zu einer Menge Dinge animieren kann - in erster Linie mehr Bulletstorm spielen, weit gefolgt von Softdrinkgenuss beim Bulletstorm spielen -, aber nicht zu Vergewaltigungen.

Gehen wir die Sache doch mal anders an und schauen, was Dr. Weichman für eine Agenda haben könnte. Er arbeitet am Hoag Memorial Hospital. Unverdächtig. Großes Non-Profit-Krankenhaus, alle möglichen Fachrichtungen, zehntausende von Patienten, keine auffällig schlechte Presse. Dann halt direkt. Weichman hat eine Webseite, auf der man viele Dinge zum Thema Kinderpsychologie erfahren kann, aber nichts über einen Kreuzzug gegen Videospiele. Wieder nichts, auch bei weiteren Studien des Netzes. Bei dem Mann ist irgendwie nicht viel zu holen. Also zurück zur Aussage. Nochmal genau lesen. ""If a younger kid experiences Bulletstorm's explicit language and violence, the damage could be significant," Oho, "younger", was in der Sendung kurz zuvor mit neun Jahren definiert wurde. Hm, stimmt wohl. Ein Kind mit Neun sollte wohl nicht Bulletstorm spielen, aber was kann das Spiel jetzt dafür, dass manche Eltern nicht in der Lage sind, auf Neunjährige aufzupassen? Und haben diese Neunjährigen, von den Eltern vernachlässigten, vor der Konsole geparkten Kids nicht ganz andere Probleme als ein Spiel mit ein paar "Fucks" und "Bitches"? Zum Beispiel den Konsum des einzigen Newssenders, dessen Zuschauer, so eine belegbare Studie, WENIGER über aktuelle Ereignisse wussten, als Leute, die GAR KEINE News guckten? Hm, FOX? Wie ist das Leben in Redneck County so? Okay, Zensur-Psychologie-Debatte 2011, Haken hinter.

Im Februar begann es auch mit einem echten Kapitel deutscher Spielegeschichte endgültig in die spannende Phase zu gehen. JoWooD, mit dabei seit 1995 und nicht nur durch langweilige Business-Sims aufgefallen, sondern vielmehr durch massive Bugs in genau den Spielen, die das Geld bringen sollten. Gothic 3 dürfte das Populärbeispiel sein, aber auch andere Kandidaten fielen bei vielen Erstkäufern durch und immer schien es irgendwie am Publisher hängenzubleiben. Der mäßige Erfolg von Arcania: Gothic 4, zurückzuführen auf die weitestgehend mäßige Qualität des Spiels, besiegelte dann schließlich den Niedergang. 20 Millionen Verbindlichkeiten, akute 5 Millionen Euro mussten sofort im Februar her. Der letzte Termin für Sanierungsmaßnahmen wurde für Anfang April angesetzt. Anfang April verließen die letzten 24 noch verbleibenden JoWooD-Mitarbeiter das schon längst gekenterte Boot. Es kam wohl nicht ganz unerwartet.