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Die eine Sache, die mich an The Last of Us stört

Und viel mehr Dinge, die ihm richtig gut gelingen.

Mehr zu The Last of Us? In unserem Reality Check prüfen wir zusammen mit einem Wissenschaftler die Pilz-Plage des Survival-Dramas auf ihren Plausibilitätsgehalt.

The Last of Us ist ein fürchterlich gruseliges Spiel. Es ist die Kombination aus Ende-aller-Tage-Verlorenheit, überwucherten Städten und der irgendwie plausibel erscheinenden Bedrohung durch die eklige Cordyceps-Pilzplage, die diese Welt so abstoßend und faszinierend zugleich macht. Und dann sind da natürlich noch die Gegner, für die die Bezeichnung "Zombie" schlicht zu schnöde scheint. Die Infizierten in ihren verschiedenen Stadien verlangen einem alles ab, ist ein Clicker - Stadium 3 - erst auf Tuchfühlung mit euch, seid ihr tot.

Es ist eine Welt, durch die man sich im Schleichschritt krebsen, mittels der an die Detektivsicht von Batman erinnernden "Lauschen"-Funktion jeden Winkel genau aushorchen will, bevor man sich wirklich um die Ecke wagt. Und genau das tat ich auch in dem ersten der beiden Level, die Sony der Presse jüngst als Anspielversion zugänglich machte - nur um mir anschließend wie ein Idiot vorzukommen. Die Szene: Ich habe gerade ein Hindernis, einen Zaun, überwunden und lande in einem neuen, unübersichtlichen Areal. Ich drücke die Taste für den Lauschangriff, Joel geht in die Hocke, das Bild ergraut und die Umrisse zweier tödlich gefährlicher Clicker scheinen durch die Wände und verraten: Ellie und Joel sind in Lebensgefahr.

An bestimmten Stellen könnt ihr Ellie auf Dinge in der Umgebung ansprechen.

Haltet euch vor Augen: Es ist ein Geniestreich, wie friedlich die Szene eingangs wirkt, eigentlich ist niemand zu sehen, der Weg frei. Erst als man sich die Zeit nimmt, die fantastische Soundkulisse nach Unregelmäßigkeiten abzuhorchen - auch wenn das Joel euch ein bisschen abnimmt - weiß man, dass man ein Problem hat. Demzufolge krieche ich weiter durch die Umgebung, um die blinden Berserker auch ja nicht auf mich aufmerksam zu machen. Und was macht Ellie? Sie folgt mir mit zwei Schritten Abstand aufrecht und mit großen Augen. Ab und zu summt sie sogar ein Lied, dessen Melodie sie nie so richtig auf die Reihe bekommt, anstatt sich an dem alten Hasen vor sich zu orientieren und verdammt noch mal den Kopf einzuziehen. Blöde Kuh.

Etwas später wiederholt sich eine ähnliche Szene noch einmal, als ich wieder in einen neuen Bereich komme. Diesmal ist der Abschnitt noch größer - eine Hauptstraße mit zwei Hinterhäfen und zwei Geschäften, die man betreten kann - und ich habe wirklich nicht das Bedürfnis, mich in der eindeutig feindseligen Umgebung von The Last of Us wie ein Spaziergänger mit eineinhalb Promille zu bewegen. Ergo schleiche ich. Nur Ellie, zwei, drei Meter hinter mir, hat keine Lust darauf.

Immersionsbremse

Warum ist das so schlimm? Die Szene stellt sich im Nachhinein als unbedenklich heraus, insofern behält das Gör recht, nicht so hasenfüßig vorzugehen. Allerdings wusste ich das zu dem Zeitpunkt noch nicht, und meine Begleiterin quasi als Gefahrensensor einsetzen zu können, raubte der bedrohlichen Welt viel von dem Terror, der andernorts so gekonnt erzeugt wird. Es ist ein altes Leid vieler Spiele mit KI-Gefährten, Elizabeth etwa hat in BioShock Infinite eure Befürchtungen ähnlich stoisch untergraben. Nur verlangte der Irrational-Titel nicht auch nur annähernd so vorsichtiges Vorgehen. Von Naughty Dog anno 2013 hätte ich irgendwie mehr erwartet.

Die Art und Weise wie diese beiden Figuren nicht nur mit der Umgebung, sondern auch miteinander interagieren, wirkt einfach wunderbar natürlich.

Der menschliche Schutzschild ist eine weitere Option im Kampf.

Wenn dann die sprichwörtliche Ladung Exkremente in den Propeller fliegt, die beiden entdeckt werden und es daran geht, in den mittelgroßen Räumen mit reichlich Deckung und Verstecken die Herangehensweise an die Konfrontation zu planen, macht Ellie hingegen alles richtig. Sie schaut verschreckt um sich, macht sich klein und - in einem besonders schönen Zug - kauert sich sogar unter Joel zusammen, wenn der Gegenstand, hinter dem ihr Schutz sucht, nicht breit genug ist, um beide nebeneinander hinter sich zu verbergen. Hier gibt es keine Clipping-Rangeleien zweier Spielfiguren, die sich nicht wirklich am selben Ort befinden und durch die Gegend zucken, um einander Platz zu machen.

Die Art und Weise wie diese beiden Figuren nicht nur mit der Umgebung, sondern auch miteinander interagieren, wirkt einfach wunderbar natürlich. Nicht nur in den grundlegenden Bewegungen, sondern auch in den Gefechten werden Tresen, Fenster und herumstehende Autos mit eingebunden, sei es durch kurze, vorgefertigte Animationen, wenn Joel ein bisschen dabei nachhilft, einen Kopf auf eine Fensterbank krachen zu lassen oder überzeugende Ragdolls, wenn ein ausgeknockter Angreifer leblos am Kotflügel eines Unfallwagens zusammensackt.

In Schönheit sterben

Beflügelt durch diese Lebensnähe und den Rückenwind in Form des ausgezeichneten Szenenbildes, wird hier der Eindruck eines echten Ortes nur noch verstärkt. Und auch im Kampf selbst zeigt sich The Last of Us deutlich vielfältiger als es Uncharted jemals war. Anfang April, als wir den Titel das erste Mal spielen konnten, überraschten bereits die Infizierten mit großer Stärke sowie der wunderbar offene Stealth-Ansatz. Im zweiten Level, der aktuell vorliegenden Version geht es gegen eine Gruppe aus gut einem halben Dutzend Banditen, die es auf euer Hab und Gut angesehen haben. Und hier spielt sich der Titel noch einmal grundlegend anders.

Wie ihr hier in der Ferne seht, ist die tatsächliche Grafik gröber aufgelöst, als der Rest der Bilder.

Auf einmal verschiebt sich der Fokus von vorsichtigem auf ein schlau-offensives Vorgehen, denn diese Feinde sind clever, hören und sehen bestens und haben zum Teil auch Schusswaffen. Beinahe wie in einem Crysis oder Far Cry, in dem man eher aus dem Dschungel zuschlägt, um sich wie ein Raubtier wieder zurückzuziehen, kauere ich hinter Tresen, warte, bis ein Feind vorbei ist, um ihm dann urplötzlich in den Rücken zu springen, verschwinde dann hinter den Ladenregalen und raus aus dem nächsten Fenster, um die Sichtlinie meiner Häscher zu unterbrechen. Und von anderer Stelle erneut anzugreifen. In diesen Szenen schlägt einem der Puls bis zum Hals, denn werdet ihr umzingelt warten nicht erst alle Feinde, bis sie am Zug sind. Natürlich tun sie das schon, beziehungsweise greifen nicht alle zugleich an, aber sie tun es in einem Rhythmus, der absolut echt und überzeugend aussieht.

Ein Typ mit einem Schrotgewehr wird zum Beispiel erst schießen, wenn sein Plünderer-Kumpel und Joel sich nicht mehr würgend in den Armen liegen. An anderer Stelle landete ich gerade eine Folge Kinnhaken, die den Adressaten benommen zurücktaumeln ließ. Noch als ich nachsetzen wollte - es dauerte keine halbe Sekunde - zimmerte mir sein Kollege links davon eine Dachlatte über den Schädel, die den endgültigen Schlusspunkt meines Überlebenskampfes markierte. Es ist fast Sandbox-artig, wie man hier auf einer Fläche von etwa 50 Quadratmetern alles zu seiner Verfügung stehende nutzt, um einen überlegenen Trupp Angreifer auseinanderzunehmen. Doch auch die Gegner sind schlau, wissen, wo sie suchen müssen, und so kommt es oft vor, dass man überraschend flankiert wird.

Schnell schalten vs. Nachdenken

Immer und immer wieder ist also Improvisationsgabe gefragt, während ihr euch entscheidet, ob ihr den vermutlich letzten Schlag eures brüchigen Baseballschlägers einsetzen wollt, euch ein Stück weiter rechts den Ziegelstein holt oder mit einem Schuss riskiert, eure Position etwas zu deutlich preiszugeben. Überhaupt: Die Zielhilfe, die fast jeder Titel mit Schusswaffeneinsatz auf Konsolen hat, ist hier standardmäßig abgestellt. Nur weil ihr eure 22er mit den mickrigen zwei Schuss Munition prinzipiell rechtzeitig gezogen habt, um auf den Typen mit dem Bleirohr anzulegen, der da gerade auf euch zurennt, habt ihr noch lange nicht gewonnen. Wie dynamisch der mal kurze, mal quälend lange, aber intensive Kampf war, führte mir vor allem die Tatsache vor Augen, dass er immer wieder unterschiedlich ablief - und das, obwohl ich immer mit denselben Ressourcen in diese Action-Blase startete. Das ist ein Trick, den Nathan Drake, bei allem Charme, niemals hinbekommen würde. Alle Achtung!

Pfui.

Auch wenn Ellie in den langen, ruhigen Erkundungsphasen ein bisschen zu freigiebig verpetzte, wenn keine Bedrohung zugegen war, kam ich doch sehr zufrieden aus den zwei Durchgängen durch beide Level. Den Trend, weitgehend auf Cutscenes und Skript-Spektakel zu verzichten, bestätigten beide nach unserem Erstkontakt im letzten Monat einmal mehr. Und obwohl ich lange überlegen müsste, was denn nun der Unterschied zwischen den Schwierigkeitsgraden "Normal" und "Schwer" war - der höchste, "Survivor", war noch nicht freigeschaltet - könnte das Spiel auf der Anspruch-Skala nicht weiter von Uncharted entfernt sein.

Gerade die Dynamik überzeugte, der Zwang zur Improvisation, wenn ihr auf einmal Mittel einsetzen müsst, die ihr eigentlich horten wolltet. Und nicht zuletzt ist es die Konsequenz, mit der auch die menschlichen Gegner einen Kampf in Sekundenbruchteilen beenden, wenn ihr nicht aufpasst. Es wird definitiv keines dieser Spiele, bei denen die menschlichen Feinde die ungeliebte Sideshow zur monströsen Haupt-Bedrohung darstellen (Dead Space 3 irgendjemand?) und damit hat Naughty Dog eine meiner schlimmsten Befürchtungen gekonnt zerstreut. Ich würde es gerne gestern spielen und glaubt mir, ihr wollt das auch!

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The Last of Us

PS3

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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