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Dirt Rally - auch auf Konsole ohne Kompromisse

Nasse Achseln, Wut im Bauch - und ein Funkeln in den Augen.

Mein Gott, hat mich dieses Spiel letzten Donnerstag in München fertig gemacht. Bei Deep Silver auf dem Lokaltermin stand die Konsolenversion - hier in der PS4-Ausgabe - zur Probe bereit. Samt Rennsitz und Logitech-G29-Force-Feedback-Lenkrad. Wer das Spiel schon mal gespielt hat oder hier darüber las, beispielsweise in Martins Test zu Dirt Rally, wird schon wissen, dass mit Codemasters knallharter Simulation nicht zu spaßen ist. Doch obwohl Martin es selbst schreibt: So ganz wird man nie nachvollziehen können, wie gut sich dieses Spiel mit der entsprechenden Eingabe-Hardware anfühlt, wenn man es nicht selbst mal probierte.

Genau so ging es mir letzten Donnerstag. Ich kannte und schätzte das Spiel bereit mit dem Controller. Das Lenkrad aber, dieses wild verreißende, unentwegt an meinen Gamer-Armen zerrende Ding aus Leder, Metall und Kunststoff, transformierte das Erlebnis ein gutes Stück weit. Hart war es, nach jedem Rennen fühlte ich mich, als wäre mein Körper mit blauen Flecken übersät. Die Achseln waren sowieso schon nach zwei Etappen feucht, und Junge, Junge, bekam ich beim Spielen eine Wut im Bauch. Aber - ihr wisst schon - auf die gute Art. Die, die einen anpeitscht, sich nicht von einem Spiel brechen zu lassen. Folglich reichte die Kraft immer und immer wieder gerade noch so für noch eine Runde.

Cockpitperspektive für Puristen. Ich bevorzuge die Motorhaubenansicht. Schade um die schönen Wagenmodelle, aber irgendwas ist ja immer.

Ich kann allerdings nicht sagen, dass mir das Spiel anschließend nicht auch am Controller wieder eine Menge Spaß gemacht hätte. Gerade weil das Spielen mit herkömmlichem Eingabegerät deutlich entspannter ist, zumindest soweit man den Begriff im Rahmen eines "Blinzle-und-du-verkackst"-Racers anwenden will. Mit dem Wheel - da ist Dirt Rally ein veritables Workout. Und zu sehen, dass sich an dem Anforderungsprofil dieses Spiels auch im Sprung auf die Konsole nichts, aber auch gar nichts geändert hat, war eine sehr ermutigende Erkenntnis.

Ein paar Tweaks hat man allerdings schon vorgenommen, wie mich Paul Coleman, Lead-Designer von Dirt Rally, im Gespräch wissen ließ. So neigen die KI-Fahrer der ersten beiden Karriere-Events etwas mehr zu Fehlern, weshalb man sich früher etwas weiter oben in der Rangliste festsetzen kann. Auf der anderen Seite hat man die Gewinnausschüttungen etwas erhöht, damit man sich früher neue Fahrzeuge leisten kann. So hat man schneller den Eindruck, Fortschritte zu machen, und fühlt sich vielleicht nicht ganz so unerwünscht vom Spiel. Damit können sicher auch Rallye-Enthusiasten leben. Auch ein Tutorial ist neu, das mehrheitlich, vielleicht sogar ganz, in Videoform daherkommt. Das wird allerdings auch rückwirkend seinen Weg auf den PC finden. Das eigentliche Gameplay wurde unangetastet anspruchsvoll von der Ursprungsfassung übernommen.

Das Spiel mit dem Untergrund beherrscht Dirt Rally wunderbar feinfühlig und vielschichtig.

Von Kompromissen, wie etwa künstlichen Fahrhilfen, die über das auch jetzt schon zuschaltbare ABS, die Traktions- und Stabilitätskontrolle hinausgingen, will Coleman weiterhin nichts wissen. "Solche Hilfen, eine arcadigere Handhabung, davon lernt der Spieler nichts. Er wird niemals besser werden." Daher geht es auch auf Konsole unverdünnt und pur weiter. Und das geht nicht ohne holprige Ausritte ins Grün, Baumrindenknutscher und Etappen, die man auf drei Reifen als Vorletzter zu Ende bringt. Man steigert sich dennoch, wenn die PC-Version ein Anzeichen ist.

Beendet man Rennen zu Beginn seiner Karriere grundsätzlich auf den letzten beiden Plätzen, meistens aber eher dem letzten, macht man nach zwei, drei Abenden langsam Fortschritte. Platz acht, dann sieben sind in Reichweite, während man sich in einzelne Events regelrecht verbeißt. Ein paar Tage später schlingert man um den sechsten Platz herum wie ein Hinterradler auf einer Glatteis-Buckelpiste, und obwohl für viele im Mittelfeld Schluss sein wird - "ich selbst werde selten Erster", sagt Coleman von sich -, fühlt man sich immer wettbewerbsfähig, kampfeslustig geradezu.

Naturbelassen wie das Spiel an sich: die Umgebungen, in denen die Rallyes stattfinden.

Die PS4-Version, die wir anspielen durften, machte technisch gut zwei Monate vor Veröffentlichung einen guten Eindruck. Mehrheitlich sehr stabile 60 FPS in vollen 1080p. Die Vegetation und allgemeine Sauberkeit des Bildes fällt gegenüber dem Rechner, der zu Hause unter dem Schreibtisch steht, ein wenig ab. Aber der hat auch viermal so viel gekostet wie die Konsole. Insofern eine sehr respektable Leistung. Das Menü ist weiterhin eine Augenweide visueller Klarheit - auch hier kein Anzeichen, dass sich die Codies dazu genötigt fühlen, überflüssigen Flash-Faktor einzustreuen, um einer jüngeren oder Casual-Zielgruppe zu gefallen, die für dieses Spiel ohnehin nicht existiert.

Es ist selten, dass mich ein Rennspiel noch so zu packen bekommt wie Dirt Rally. Und das, obwohl ich einfach nur schlecht bin, wenn es um Racer geht. Der Spaß an einem Spiel, das so wenig Sinn für Humor nach außen trägt wie wenige andere, entspringt hier einem ausgemacht ruppigen Über-Stock-und-Stein. Das fängt echte Fahrfreude so exakt ein, wie man es selten erlebte. Du, das Auto und dein Nebenmann - dessen Stimme übrigens die von Paul Coleman selbst ist, weil er auch im echten Leben Rallye-Co-Pilot ist - im Kampf gegen die Naturgewalten. Bald auch auf Konsole - und das mit einer während einer erfolgreichen Early-Access-Phase gewonnenen Selbstsicherheit, die man von Codemasters lange nicht verspürte. Hart aber schwer - und gerade deshalb so schön!

In diesem artikel

Dirt Rally

PS4, Xbox One, PC

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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