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Drakensang: Am Fluss der Zeit

Mit Excel zu mehr Spielspaß

Das Excelsheet, das uns Chefdesigner Bernd Bayreuther zu Beginn unseres Lokalbesuches in Radon Labs neuen, geräumigen Studios am Alexanderplatz zeigt, vermittelt das typische Bild vom pflichtbewussten, beflissenen deutschen Spiele-Entwickler. Mit nur einem Ausdruck dieser Tabelle könnte man vermutlich die Rückwand meines Wohnzimmers lückenlos tapezieren.

Lang und breit hat das Team von Radon Labs das gesamte Feedback zum ersten Drakensang in dieser Aufstellung zusammengetragen: User-Mails, Amazon-Kundenrezensionen und Presseschelte wurden hier minutiös analysiert, gegeneinander aufgewogen und bewertet. Ein Zeichen, dass man bei Radon Labs überaus selbstkritisch und qualitätsbewusst zu Werke geht. Für die verbissensten Gegner des ein wenig als „Fantasy-Biedermeier“ verschrienen DSA-Universums ist das sicher nur ein weiterer Beweis für die in ihren Augen altmodische und espritlose Natur der Pen-&-Paper-Vorlage.

DSA war halt nie für alle da und das wollte es auch nie sein - auch wenn die über 100.000 Exemplare, die im letzten Jahr von Drakensang alleine in Deutschland verkauft wurden, eine andere Sprache sprechen. Was es sein will und wollte, ist eher "Low Fantasy", ein Rollenspiel in einer Welt, deren Herz frappierend an das mitteleuropäische Mittelalter erinnert. Hier sind Zwerge noch Zwerge, Elfen noch Elfen. Eine Welt, in der die Zauberer spitze Hüte mit Sonne-Mond-und-Sterne-Muster tragen. In Aventurien ist Fantasy noch sauber und in Ordnung. Das muss nicht jedermanns Geschmack treffen, ist aber auch ganz sicher nichts Verwerfliches.

Die Qualität der Zwischensequenzen - hier das Intro - ist ausgesprochen hoch.

Die uns von Radon Labs in Anschluss an die Präsentation mitgegebene Vorschau-Fassung war demzufolge nach fast 90 Stunden Dragon Age: Origins ein veritabler Kulturschock. Im Vergleich zu Biowares teils wirklich bitteren Drachen-Weltkrieg geht es in Drakensang: Am Fluss der Zeit bedeutend gemütlicher zu Werke, fast wie in der abendlichen Märchenstunde bei den Großeltern.

Um den Spielern nicht erklären zu müssen, warum sie ihren Charakter aus dem ersten Teil nicht in die zweite Episode transferieren können - immerhin wollte Radon Labs weder Level 16 - 18-Checker auf das zweite Abenteuer loslassen, noch dem Held eine Skill-tilgende Amnesie verpassen -, siedelten sie Am Fluss der Zeit 23 Jahre vor den Geschehnissen von Drakensang an. Damit man trotzdem nicht alle Bezüge zur Welt verliert, achtete man aber darauf, das Prequel ausgiebig mit der ersten Episode zu verzahnen. Und das gelingt ihnen auf sehr geschickte Art und Weise.

Das Spiel sorgt nämlich dafür, dass ihr es regelmäßig mit alten Bekannten zu tun bekommt. Das beginnt schon in der Rahmenhandlung: Zwerg Forgrimm aus dem ersten Teil erzählt Party-Kollegin Kladdis nämlich von einem großen Abenteuer, das sich auf dem namensgebenden Gewässer im Jahre 1009 nach Bosparans Fall ereignete. In dieses greift ihr als neuer Charakter ein, trefft dabei auf jüngere Ausgaben von Forgrimm, Cuano und Ardo und noch einiger anderer Drakensang-Prominenz. Ohne zu viel spoilern zu wollen: Dieses Ineinandergreifen funktioniert, so weit ich bisher spielen konnte, wirklich gut und verleiht dem digitalen Aventurien einiges an Substanz und Charakter.

So weit das Auge reicht: Die Kamera lässt sich nun recht frei umherbewegen

Am Fluss der Zeit wurde in nur 13 Monaten fertig gestellt. Diese Eile war laut Bayreuther aber nicht übermäßigem Publisher-Druck geschuldet, sondern eine ganz bewusste Entscheidung. Wie der Game Director verrät, zog die Community eine früh nachgeschobene neue Geschichte im bekannten Gameplay-Format einer aufwendigen Weiterentwicklung des Spiels vor, die vermutlich einen erneuten dreijährigen Entwicklungszyklus erfordert hätte.

Folglich fühlen sich Spieler des ersten Teils schon nach wenigen Augenblicken ganz wie zuhause. Die Charaktererstellung ist nun etwas variabler ausgefallen, wobei es immer noch nur eine sehr geringe Auswahl in Sachen Gesichter und Frisuren gibt, mit deren Status Quo man sich auch noch uneingeschränkt zufrieden geben muss. Selbst in der Größe und Masse eures Helden unterscheidet das Spiel nur drei Formate. Das Gebotene stellt zwar schon eine bedeutende Steigerung zum ersten Teil dar, bei dem man so gut wie gar nichts zu sagen hatte, was das Erscheinungsbild des Helden anging. Hinter den Personalisierungsmöglichkeiten der internationalen Rollenspielkonkurrenz bleibt aber auch Am Fluss der Zeit weiter deutlich zurück.

Dafür verdient der Expertenmodus der Charaktererstellung nun endlich seinen Namen. Anders als im Vorgänger haben Kenner des DSA-Regelwerks hier wirklich alle Fäden in der Hand und größtmöglichen Einfluss auf die Talente, Eigenschaften und Basiswerte ihres Helden. Wurde aber auch Zeit.

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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