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Dreams - Test: Träume sind, was ihr draus macht!

Für Traumsurfer - und diejenigen, die die Wellen gemacht haben!

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In Dreams gehen Spieler und Schöpfer eine wunderschöne Symbiose ein, die zeigt, Media Molecule gelang weit mehr als nur ein Spiel.

Da ist also Dreams. Endgültig und in echt, beziehungsweise so echt, wie Träume nur wirken können. Wir haben lange gewartet - gefragt, gegrübelt, gezweifelt, was es sein könnte, und es dann doch längst gewusst! Es ist ein neues LittleBigPlanet! Hätten wir das ahnen können? Ich bin nicht sicher, denn woher sollte man wissen, dass Media Molecule das Create-Share-Play-Konzept einfach eins zu eins weiterspinnt, aber sowohl den bekannten Namen als auch das vermutlich ikonischste Maskottchen der letzten Konsolengenerationen einfach abwirft?

Träumt man sich jedoch ein wenig durch Dreams - ob luzid, also in schöpferischer Weise, oder einfach nur auf seinen spielerischen Wolken vor sich hindösend - merkt man, dass es genau richtig war, den Gedanken mutig noch einmal von Neuem zu denken. Nicht einmal aus komplett praktischer Sicht, also was die Benutzerführung und Tools angeht, sondern vor allem aus idealistischer. Denn machen wir uns nichts vor: Sackboy war vor allem auch eines: Ein Anker im Jump-and-Run, der die kreativen Geister vieler - wenn auch nicht aller - seiner Fans effektiv davon abhielt, in völliger Freiheit abzuheben. Wir erleben hier, wie ein Studio eine gedankliche Fessel abstreift, in die es vor über zehn Jahren selbst bereitwillig schlüpfte. Und wie es damit nicht nur sich, sondern auch seine Community von Neuem beflügelt.

NIedliche Hüpfer wie dieser sind natürlich reichlich vorhanden. Viel davon ist sogar richtig gut.

Dreams könnte als Titel nicht treffender gewählt sein. Auf dem großen, kleinen Planeten war schon eine Menge möglich, in Träumen geht dagegen schließlich alles. Nichts ist tabu, wenngleich natürlich viele Schöpfer auch in Dreams leider noch zu oft von Super Mario, Sonic the Hedgehog und Pokémon träumen. Pickt man sich das Richtige raus oder lässt, besser noch, das Spiel für sich wählen, berauscht die Bandbreite an Erlebnissen, die der neue Sandkasten ermöglicht, benebelt hier und da sogar, bringt zum Lachen, zum Weinen und lädt oft genug einfach zum Verweilen ein, nur um sich dann doch als flüchtig zu erweisen - eben wie ein Traum.

Überhaupt: Ich kann mich an kaum ein Videospiel erinnern, das als Gesamtwerk dermaßen dem Gedanken eines Konzeptalbums entsprochen hätte. Denn nicht nur hüllt das Spiel viele seiner Objekte und Materialien in einen fedrigen-wolkigen Look, der wunderbar ungreifbar und kein bisschen nach Videospiel aussieht, wie es nur geht. Es ist auch auf der schöpferischen Ebene ein Werkzeug, seine eigenen Träume - kurzfristig: eine Idee zu realisieren, langfristig: vielleicht mal als Level Designer zu arbeiten - umzusetzen. Und selbst, wer nur konsumieren will, wähnt sich beim entspannten Hinübergleiten von einem Traum eines Users zum nächsten wie in einem wohltuenden, inspirierenden Schlummer. Selten war der Name so Programm wie in Dreams.

Adventures wie Damned haben spielerisch ein paar Problemchen, sind aber cool geschrieben und vertont. Es macht Spaß, alle diese Einfälle auf sich einprasseln zu lassen.

Diese Träume können viele Formen haben. Von lustigen Animations-Fingerübungen über Musikvisualisierungen, bis hin zu virtuellen Kunstwerken und Kurzfilmen. Doch auch länger beschäftigende Action-Adventures, teils sogar mit Sprachausgabe sind schon dabei. Das künstlerische Talent, das bisweilen an den Tag tritt, ist punktuell wirklich erstaunlich, andernorts sind es vereinzelte Ideen, die einem ein kurzes "A-ha!" und ein anerkennendes Nicken abringen. Hier und da wird man ganz bewusst an ein altes Amiga-Spiel wie Uridium erinnert und freut sich kurz, dass man nicht der einzige ist, der es noch kennt. Und natürlich sind auch windige Zeitverschwender dabei, aber selbst die sind oft einfach nur charmant, weil man förmlich spürt, wie sich ihre noch unerfahrenen Schöpfer gerade selbst den Umgang mit den vielen, vielen, vielen, aber an sich erfreulich einfachen Tools beibringen.

Wie man sich so durch die Träume surft, nahtlos und fast ohne jede Ladezeit, das ist so wundervoll unverbindlich und macht dermaßen auf das nächste Erlebnis neugierig, dass ich mir vorstellen könnte, wie das allabendliche Traumsurfen für viele Dreams-User zur Angewohnheit wird. Es ist einfach schön, sich durch diese interaktiven Collagen treiben zu lassen und ein wenig in den Geist ihrer Schöpfer zu blicken. Das mag vielleicht nicht immer strenggenommen "spielen" sein, aber es ist die Zeit nicht weniger wert. Niemand, der auch nur einmal bei einem Glas virtuellem Absinth in Van-Goghs lebendig gewordene Sternennacht hinausgeschaut hat, wird diesen Moment missen wollen.

Art's Dream von Media Molecule selbst ist schön geworden, aber auch nichts, zu dem ihr zurückkehren werdet, seid ihr einmal damit durch. Das ist aber nicht weiter schlimm. Die nächsten Träume warten schon.

Der Story-Modus, den MediaMolecule mitliefert, hört auf den Namen Art's Dream und wer sich davon eine Kampagne wie in LittleBigPlanet versprach, der ist vielleicht ein wenig enttäuscht. Vielmehr handelt es sich um ein Erlebnis in Spielfilmlänge, das ich zwar ganz bezaubernd fand - vor allem als Querschnitt durch die Möglichkeiten dieses unvorstellbar mächtigen Spielegenerators -, aber für sich genommen kein Kaufgrund für Dreams ist. Aber auch das gehört wohl zum Konzept, nicht einen Aspekt, ein Erlebnis in den Vordergrund zu stellen, sondern die Pluralität des Möglichen. Dreams mit "s" am Ende eben und dazu gehört auch, sich nie zu lange auf eine Sache zu versteifen. Es sei denn natürlich, ihr seid eher kreativeren, schöpferischen Naturells.


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Und da hat Dreams einfach einige der besten Tools parat. Mit dem zweiten Kind unterwegs wird meine Karriere als Traumschmied wohl nur von kurzer Dauer sein. Aber selbst ich merke, wie man mit nur wenigen Handgriffen ein paar Plattformen, Steine und Büsche zu einer pittoresken Wiese arrangiert, ihre Einzelteile skaliert dreht und wendet, und einen wuscheligen grünen Ball als 3D-Pinsel benutzt, mit dem man Hügel und Steinformationen in die Landschaft malt. Einzelne Elemente sind im Handumdrehen durch simples Motion-Capture mit dem Controller in Bewegung versetzt, eine Handvoll Klicks später sind ein paar Sphärenklänge jede Animation geknüpft, ohne lange zu überlegen, wie das wohl zu bewerkstelligen wäre.

Vanguard ist leider noch kein Spiel. Aber hoffentlich bald?

Dreams ist, bei all seinen Möglichkeiten, schon bewundernswert einfach. Viel davon ist dem ausgezeichnet reagierenden Cursor zu verdanken, der dank Bewegungskontrolle sehr präzise über den Screen huscht, aber auch die Menüs sind einfach sehr aufgeräumt und übersichtlich. Wie gesagt: Ich werde in diesem Ozean der Träume wohl immer Surfer bleiben und mich darauf verlassen, dass die Schöpfungen anderer hohe Wellen für mich schlagen. Keine Spielweise ist valider als die andere. Sie bedingen einander.

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Und so fällt nach nicht ganz einem Jahr Early-Access-Träumerei und ein paar Abenden mit der Testversion mein Urteil ziemlich eindeutig aus. Dreams ist kostbar: Als Dialog einer Fangemeinde mit ihrem liebsten Medium und den übergreifenden Künsten, die die Sprossen seiner DNS bilden. Als stetig fortlaufende Bestandsaufnahme in Sachen interaktiver Unterhaltung und als Kanal für kreative Ideen, den umtriebige Schöpfer aller Art und Fähigkeit wild plätschernd mit allen möglichen Formen des Ausdrucks füllen. Sich hier kopfüber hineinzustürzen, mal nur für eine Minute, mal entschieden länger - das ist so frisch und konstruktiv beseelend, wie es nur wird.

Ich habe keine Ahnung, wie lange die schöpferische Ausdauer von Dreams schon jetzt bewundernswert einfallsreichem Vorträumer-Kollektiv reichen wird. Den Möglichkeiten sind jedenfalls keine Grenzen gesetzt, dafür hat Media Molecule mit seinen umfassenden und erstaunlich einladenden Tools eigentlich gesorgt. Und wenn nicht? Wenn auch dieser Traum irgendwann vorüber geht? Was macht das schon? Die flüchtigsten Träume sind oftmals die schönsten.

Martin: Ich weiß, dass ich nie etwas in Dreams bauen werde. Dieses Lehrgeld habe ich generell schon damals bezahlt und es waren ziemlich exakt 180 Mark für das 3D Contruction Kit. Aber durch Träume zu surfen... Sorry, egal, wie man es sagt, es klingt etwas pathetisch, aber es ist wahr, nach nichts anderem fühlt sich das hier mitunter an. Durch die Kreationen von Dreams zu gehen ist ein immer wieder erhebendes Erlebnis. Vom mittlerweile berühmten Englischen Frühstück über ein besseres Wipeout hin zu Dingen wie Llama Quest, auf dessen wieder in Dreams kommende Fortsetzung ich mich jetzt schon freue: Ich finde mich immer wieder in Dingen wieder, mit denen ich den einen oder anderen Abend problemlos bestreiten könnte - wenn es die persönliche Zeit denn zuließe. Es gibt von experimentell chaotisch zu blendend schön und alles dazwischen so viele Gedanken zum Medium der mal mehr, mal weniger interaktiven Unterhaltungskunst - nicht nur Spiele will ich damit sagen -, dass einem schwindlig werden könnte. Ich bin fast sicher, dass wir eines nicht so fernen Tages hier Sachen sehen werden, die allein für sich das Gold-Logo verdient hätten. Aber so gibt es das jetzt eben für dieses unwahrscheinliche Paket, dessen Leistungsfähigkeit nicht weniger beeindruckt als das, was ihr als Ergebnis jetzt schon darin findet.


Entwickler/Publisher: Media Molecule/Sony - Erscheint für: PS4 - Preis: ca. 40 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Deutsch - Mikrotransaktionen: nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Dreams

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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