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Drei Stunden lange Finger mit Crookz

Skilltrees Liebesbrief an Der Clou!

Die Älteren unter euch erinnern sich vielleicht noch: In den frühen Neunzigern gab's auf dem Amiga und dem PC ein absolut fantastisches Einbrecherabenteuer namens Der Clou. Im London der 50er Jahre knüpfte man in Adventure-Manier Kontakte, bekam Tipps für lukrative Objekte und stieg dann in einem Taktikmodus vom Kiosk über Altenheime bis hin zu historischen Museen in alle möglichen mehr oder weniger gut geschützten Anlagen ein.

Wie man dabei vorging, welche Werkzeuge, Crew und Fluchtwagen man benutzte und schließlich, wieviel Beute man am Ende mit nach Hause nahm, das lag komplett bei euch. Es war eines meiner absoluten Lieblingsspiele. Spannend, clever geschrieben und spielerisch sehr gehaltvoll. Derartige planungsintensive Gangsterklamotten gibt es mittlerweile leider schon lange nicht mehr, was nicht nur ich, sondern auch Skilltree Studios und Kalypso sehr schade fanden. Eigentlich wäre es mal wieder an der Zeit, spielerisch lange Finger zu machen.

Eins nach dem anderen: 'Beobachten und nacheinander die miteinander verkabelten Sicherheitsanlagen deaktivieren' lautet die Devise.

Dabei muss gesagt sein, dass die Raubzüge in Crookz, das in der Blütezeit einschlägiger Räuberpistolen spielt, den 70ern, nicht nur in Echtzeit gesteuert wird, sondern auch strikt missionsbasiert abläuft. Anders als Matt Stuvysunt 1953 in Neos Original mehr oder weniger frei durch verschiedene Londoner Straßen tingelt und hier mögliche Komplizen scoutet oder nach dem Hehler mit dem besten Preis sucht, wählt ihr hier in einem netten stilistischen Twist auf einem U-Bahn-Plan einfach den besten Bruch und findet euch nach der Wahl eurer Crew und Ausrüstung direkt auf dem Gelände des Zielobjekts wieder.

Im ersten Akt, den wir beim Lokaltermin in Berlin fast komplett durchspielen konnten, verlief unser Kreuzzug zunächst recht linear, um uns nach der Hälfte des Weges die Reihenfolge der Jobs doch zumindest Ansatzweise selbst zu überlassen. In den Missionen selbst - zu Beginn geht es darum, ein mysteriöses Mondgestein zu beschaffen - kommt dann anders als in der Vorlage eher Commandos-Feeling auf. Wo in Der Clou auf einer Blaupause des Gebäudes jede einzelne Aktion für jede Figur vorgeplant und auf einander abgepasst wurden, bevor ihr dann bei der eigentlichen Durchführung des Plans zum (spannenden) Zuschauen verdammt wart, legt ihr hier vor Ort am besten im Pausemodus Wegpunkte und Aktionen für Schlosser, Elektriker oder Schläger fest. Dabei duckt ihr euch zwischen den Sichtkegeln von Wachen hindurch, manipuliert Sicherungskästen, um Kameras auszuschalten, drückt Schalter, die Lichtschranken deaktivieren und legt Sicherheitspersonal für 30 Sekunden - und immer 30 Sekunden - schlafen, wenn es nicht anders geht.

Unterwegs sammelt ihr Geldkassetten und hilfreiche Verbrauchsgegenstände wie Chloroform oder Brecheisen auf, die auch nicht auf die entsprechenden Aufgaben - Ausknocken, Türenöffnen - abonnierte Mitglieder eurer diebischen Mannschaft etwas vielseitiger machen. Warum ein reicher alter Sack in seiner Garage Chloroform aufbewahrt und warum reihenweise Brecheisen im Polizeipräsidium liegen, dessen neumodisches Faxgerät ihr für eure Pläne missbrauchen sollt? Damit die Spieler, die in der Klemme stecken, den Level trotzdem lösen können. Mit Szenariologik ist es leider nicht zu erklären.

Die Herausforderung kommt darüber ins Spiel, die Kumpanen gleichzeitig zu Werke gehen zu lassen, um aufeinander abgestimmt den elegantesten Bruch hinzulegen.

Im Grunde haben wir es hier zumindest im ersten Kapitel noch mit recht einfachen Schlüssel-Schloss-Rätseln zu tun. Haltet den Mauszeiger über eine Kamera und ihr seht, welcher Schaltkasten sie kontrolliert. Eine gepanzerte Tür ist im Weg? Maust darüber, nun ihr seht, wo welcher Knopf zu drücken ist, damit sie aufgeht. Selten stellt sich euch in dieser Frühphase zu jeder Zeit mehr als ein Hindernis in den Weg und ich war stets in der Lage, in jeder Figurenkonstellation zu einem eleganten Lösungsweg zu finden. Die Raffinesse steckte nicht darin, herauszufinden, was zu tun ist, sondern darin, wie man es so anstellt, dass jede eurer bis zu vier Figuren optimal beschäftigt ist.

Wenn man drei Figuren gleichzeitig unterschiedliche Dinge machen lässt - eine Tür aufbrechen, eine Kamera deaktivieren, passgenau den Türöffner betätigen und anschließend alle an einer frisch niedergeschlagenen Wache mit vollen Taschen zum Ausgang spazieren - fühlt man sich tatsächlich wie ein räuberisches Genie. Leider wird auch umgekehrt ein Schuh draus und ich konnte mich durch die meisten Szenarien auch hindurchstümpern. Aber wie gesagt: Es war das erste Kapitel und ich freue mich, die Systeme in der finalen Version einen intensiveren Stresstest zu unterziehen.

Besonders brennend interessiert mich, ob es dem Entwickler Skilltree gelingt, die Rollen der Charaktere im weiteren Verlauf etwas weiter zu diversifizieren. Nur, weil ich auf einmal den Ingenieur brauche, um eine Tür, Kamera oder Lichtschranke meinem Willen zu unterwerfen, ändert das noch lange nichts an meiner Taktik. Tatsächlich signalisiert es mir noch klarer, in welcher Reihenfolge ich das Schalter und Türen-Netzwerk zu entwirren habe. Schon jetzt deutet sich auf den Fertigkeitsbäumen zum Beispiel mit freischaltbarem Sprengstoff aber an, dass die Aktionspalette in interessantem Maße erweitert wird.

Schon jetzt deutet sich mit freischaltbarem Sprengstoff an, dass die Aktionspalette in interessantem Maße erweitert wird.

Der Ton ist locker-flockig. Für die Geschichte, die ihr vor und nach den Missionen aus dem Off erzählt bekommt, engagierte Kalypso einen Dramaturgen.

Nun zu einigen Dingen, die mir als Verehrer von Der Clou! ein wenig die Vorfreude verhageln: Im "Original" - womit ich keineswegs implizieren will, bei Crookzs handele es sich um eine Fälschung, aber hey, im Kontext eines Heist-Spiels muss man das klar sagen - lag so viel verschiedene Beute herum, dass sich der Prozess des Stehlens an sich befriedigender anfühlte. Im besagten Altenheim nach ein paar alten, billigen Gemälden und vergleichbarem Tand plötzlich den randvollen Sparstrumpf eines Greises aus einem Nachtschränkchen in seinen Beutesack wandern zu lassen, fühlte sich wie eine wunderbare Entdeckung und eine schreckliche Missetat zugleich an.

Ständig musste man abwägen, ob der schmale Erlös in dem letzten Metallschrank im Obergeschoss eines Nudisten-Klubhauses das Risiko des Entdecktwerdens wert war. Man suchte und wühlte nach Beute, freute sich, wenn man was fand. In Crookz dagegen gibt es bislang neben dem Hauptziel, um das sich in einer Mission alles dreht, nur optionale, generische Geldkassetten. Schränke zum Knacken, Bilder an der Wand, Schreibtische, deren Schubladen man aufstemmt - derartige Interaktionspunkte finden sich nicht.

Ebenso scheint es eine vergebene Chance, den Spieler nicht selbst entscheiden zu lassen, von wo aus er in ein Objekt einsteigt. Klar, im Erdgeschoss gibt es häufig mehrere Türen, die eine Option darstellen. Aber warum darf ich nicht durchs Fenster (durch die auch die Sichtkegel der Wachen im Übrigen nicht fallen, weil Skilltree das als zu frustrierend erachtete) kommen? Weiterhin ist auch das Verhalten der Wachen ein wenig zu verzeihend. Schlägt man sie nieder, lösen sie niemals Alarm aus, wenn sie wieder aufwachen, sondern kehren recht bald auf ihre angestammte Route zurück. Mit Schränken zum Verstecken oder Schreibtischen unter denen man kauern könnte, oder Fenster, durch die man nach draußen steigt, um sich auf dem Sims der Blicke eines suchenden Wachmannes zu entziehen - das wäre in jedem Fall spannender als das kurze Weglaufen auf die abgewandte Seite eines Regals bis der Verfolger die Lust an seinem Job verliert.

Haarpracht-Einteiler und Lavalampen. Kennt man schon, wird aber so schnell nicht alt.

Das Regelwerk dieser Langfinger-Simulation stellt sich in den Dienst entschieden videospieliger Unterhaltung. Die ist selten wirklich logisch und ich würde lügen, wenn ich behauptete, es hätte mich nach einer gewissen Eingewöhnungsphase noch gestört. Aber jedes Mal wenn ich außerhalb des Spiels darüber nachdachte - auch jetzt noch - fühlte es sich irgendwie nicht ganz richtig an. So oder so: aufhören wollte ich fürs Erste trotzdem nicht, denn die durchaus nett ineinandergreifenden Schlüssel-Schloss-Mechaniken entwickelten einiges an Sogwirkung. Cleopatra, und Co. perfekt aufeinander abgestimmt ihr Ding drehen zu sehen, versetzte mich für eine Weile, wenn mal wieder alles klappte, wie am Schnürchen, in einen angenehmen Zen-Zustand.

Die Fußstapfen, von Der Clou! - die der Klasse-Räuber, der Neos Spiel nun einmal war, freilich nie hinterließ - mögen für Crookz eine Nummer zu groß sein. In der heutigen Spielelandschaft jedoch, als lockeres Puzzlespiel vor B-Movie-artigem Crime-Hintergrund, hat es eine Chance verdient.

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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