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Dungeons & Dragons: Tactics

Langeweile+5

Wenn die CPU die Kontrolle übernimmt, wird auch gerne mal munter der vorher eingestellte Winkel gewechselt. Und das passiert sowohl bei jedem eigenen, als auch bei jedem gegnerischen Zug. Noch besser: Die Kamera schwenkt immer in genau dem Moment weg, indem gerade eine Aktion wie ein Angriff oder Zauber ausgeführt wird, der über eine weite Entfernung geht. Distanzkämpfe mit Angriffsmagie oder Schusswaffen sehen deshalb im Grunde so aus wie eine Tennispartie, die von einem – man verzeihe den Ausdruck - völlig Besoffenen gefilmt wurde.

Will man sich im Spiel bewegen, fällt es zudem schwer, die Orientierung zu behalten: Die steile Vogelperspektive überlässt wie erwähnt alles jenseits von 30 Metern um den Charakter herum der Phantasie des Betrachters. Die Bewegungsrichtung per Digikreuz einzugebenist qualvoll, da die Druckrichtung sich nach der Kameraeinstellung richtet. Also bricht man sich entweder den linken Daumen, oder man dreht sich die Kamera zurecht und hat in der Regel das Problem, dass sich irgendein Objekt, sei es ein Baum oder eine Säule, in den Weg mogelt und so das letzte bisschen Blick aufs Geschehen raubt, weil sie nicht automatisch ausblenden.

Wenn man sich jetzt noch mit den Menüs beschäftigt, verfinstert sich das Antlitz eines jeden Nicht-D&D’ers auf Düsterste: Nahezu jeder zweite Eintrag in den Untermenüs ist bedacht mit grotesken Akronymen: Eine ‚auflösende Berührung’ wird zur ‚Auflsnd Bhrhg“, der Umgang mit einem zwergischen Urgrosch zu „Umg (Zwg Urgr)“, der gnomischen Hakenhammer zu „Umg (Gn Hkham)“. Ich mache keine Witze. Die Trägheitsrüstung heißt im Menü „Träghtsrstng“ und der Schreckensflegel zum „Schrcknsflgl“. Jemand kaufe bitte den Entwicklern ein ‚E’.

Phantasielos: Wir sehen ein Missionsbriefing. Und wir sehen, wie wenig wir dank der Kamera sehen.

Man muss sich also am besten jeden einzelnen Menüpunkt jeder einzelnen Figur durchlesen, um überhaupt zu wissen, was man hier verpasst. Da ich aber keine Ahnung habe, was eine zwergische Streitaxt oder ein gnomischer Gurkenflegel in der Praxis so für Erfolge vorzuweisen hat, bin ich schon in der Charaktererstellung überfordert und lasse lieber die CPU für mich entscheiden.

Die Kampagne bleibt ähnlich trostlos: Ist man genrebedingt schon an wenig gewöhnt, macht man sich nicht sonderlich Mühe, die Figuren mit solchem Schnickschnack wie gesprochenem oder gar einfallsreichem Dialog zu würzen. Einen erzählerischen Rahmen wie einen Vorspann gibt es schon mal gar nicht. Man navigiert auf einer schmucklosen Weltkarte zwischen den Ortschaften und hat dort Zugang zu einzelnen Arten von Händlern - Tempel liefert Zaubererbedarf, Abenteurer- oder Räuberlager bieten profanes Schlagwerkzeug etc. - oder schreitet gleich zum dortigen Auftrag. Zudem ist das Wechseln von Gegenständen zwischen den Charakteren nur hier möglich. Während der Missionen geht dies nur durch Ablegen und Wiederaufheben durch einen anderen Charakter.

Unerwartet rennt dem schüchternen Informatik-Studenten und Star-Trek-Fan Maldir ein Karnevalszug die karge Studentenbude ein.

Was den Titel letztendlich vor dem totalen Absturz rettet, ist der riesige Umfang und die (für Nicht-Kenner nur vermutbare) große Spieltiefe. Unzählige Items, Talente und Attribute können mit viel Mühe vom Spieler gehandhabt werden. Und die mit über 30 Spielstunden angepeilte Solospieler-Kampagne dürfte an Aufgaben nicht zu wenig bieten. Nur stellt sich die Frage, wer das überhaupt will, und die Antwort kann nur lauten: Ganz harte Dungeons & Dragons-Fans. Wie groß diese Zielgruppe hierzulande ist, kann ich nur mutmaßen. Gerade diese Minderheit hätte sich aber sicherlich über den Internet Mehrspieler-Modus gefreut, den Kuju Entertainment irgendwie vergessen hat. So bleibt es – wie damals – immerhin bei drahtlosen Partien am heimischen Wohnzimmertisch.

Zum Abschluss noch ein kleines Wörtchen zum Charakter-Editor, der im Grunde gar keiner ist. Nach all dem Verteilen von Nummern auf Werte hört die Erstellung genau da auf, wo man in Normafall das Aussehen seines Reckens beeinflussen kann. Ich hatte beispielsweise eine dunkelhäutige Frau als Avatar gewählt, konnte aber nur mit einer bleichen Ritterin spielen. Der Editor bietet also nur „auf dem Papier“ schöpferische Freiheit. Auf den Charakter, den man schlussendlich im Spiel zu sehen bekommt, hat man keinen nennenswerten Einfluss. Bei all den generischen Designvorlagen wäre ein wenig mehr Freiheit nicht zu viel verlangt gewesen.

Ich kann mir wirklich vorstellen, dass es ein Publikum für Dungeons & Dragons: Tactics gibt. Wirklich. Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass dieses Publikum sehr groß ist. Auf der Haben-Seite stehen: Eine sehr lange Singleplayer-Kampagne, das originalgetreue Regelwerk und ein funktionstüchtiges Spiel. Was einem jedoch den Spaß verdirbt, wenn man nicht absolut willens ist, sich in die Materie einzuarbeiten, ist die Präsentation: Weder kann hier von einer gescheiten Story die Rede sein, noch von einem Spiel, das sich sowohl schön spielt als auch schön aussieht. Im Gegenteil: Es spielt sich überkompliziert . Und es schneidet sich selber ins Fleisch, indem es dem Spieler bis auf die spärlichen Tutorials keinerlei Hilfen anbietet, was bei dieser Art Spiel schon ein derber Schnitzer ist. Summa Summarum: Man sollte Abstand halten oder sich vor dem Kauf durch so viele D&D-Regelwerke beißen, wie man kriegen kann.

Dungeons & Dragons: Tactics ist im Handel erhältlich.

3 / 10

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Über den Autor

Felix Ließ

Contributor

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