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Earthbound Beginnings - Lohnt es sich?

Altbacken und unzugänglich, aber trotzdem irgendwie charmant.

Ich konnte es kaum glauben, als Earthbound Beginnings während der Nintendo World Championships 2015 für wie Wii U Virtual Console angekündigt wurde. 26 Jahre haben wir im Westen auf die Veröffentlichung gewartet. Dabei war die Übersetzung des japanischen Rollenspiels Mother schon zu NES-Zeiten komplett fertig. Die Entscheidung, den Titel außerhalb Japans dennoch nicht auszuliefern, lag an der zeitnahen Einführung des Super Nintendos. Denn Nintendo glaubte, niemand würde sich für ein zum damaligen Zeitpunkt wenig beliebtes Genre auf einer veralteten Konsole interessieren. Damit hatten sie sicherlich Recht. Dennoch war ich ganz bestimmt nicht der einzige, der den Vorgänger von Earthbound unbedingt erleben wollte.

Mittlerweile konnte ich genau dies tun und bin etwas unschlüssig, was ich von meiner Zeit mit Earthbound Beginnings halten soll. Denn an heutigen Genrestandards gemessen, ist es spielerisch eine Katastrophe. Logische Spielerführung könnt ihr bis auf wenige Hinweise komplett vergessen, die zusammenhangslos wirkende Oberwelt ist dank nutzloser Karte ziemlich unübersichtlich und ohne endloses Grinden zerlegen euch bereits die ersten Gegner in wenigen Zügen.

Aber ja, so sahen japanische Rollenspiele Ende der 80er nun einmal aus und genau die wollte Serienschöpfer Shigesato Itoi kopieren und ihre Konventionen mit seinem eigenen Stil kreuzen. Nur leider klappte das damals besser als heute. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ihr euch lieber vor dem Erreichen der ersten Stadt bis Level 8 hochkämpft. Die Stunde müsst ihr zwingend investieren, da ihr sonst keine zwei Gefechte hintereinander überlebt. Anders geht es nicht. Taktik oder Tiefgang könnt ihr komplett vergessen, zumindest in der ersten Hälfte des schrägen Abenteuers. Danach wird es ein wenig anspruchsvoller, jedoch höchstens im Vergleich zu gleichaltrigen Spielen.

Zu Hause schmeckt es doch immer noch am besten.

Im Prinzip braucht ihr nur wild auf die A-Taste zum stumpfen Attackieren hämmern, zwischendurch mal die Charaktere heilen oder gelegentlich eure Psy-Kräfte als Magieersatz benutzen. Sich nach jeder Attacke eine belanglose Textzeile durchlesen zu müssen, anstatt den Schaden durch eine simple Ziffer repräsentiert zu sehen, hilft dem Tempo ebenso wenig. Den Gnadenstoß verpasst schlussendlich die abschreckende Häufigkeit von Zufallskämpfen. Manchmal vergeht keine Sekunde auf der Oberwelt, bevor euch das Spiel erbarmungslos in die nächste Auseinandersetzung zerrt. Abstruses Leveldesign und ein scheußlicher Microsoft-Paint-Look machen die Reise noch unattraktiver.

Earthbound Beginnings ist anstrengend. Es zerrt an euren Nerven und verlangt absolute Aufmerksamkeit, da man sich sonst schnell einem anderen Titel widmen möchte. Ohne eine Komplettlösung an der Seite sucht ihr zudem vergebens nach einigen der acht Melodien, die ihr für den Abschluss eurer Quest benötigt. Die meisten davon kann man so leicht übersehen, dass ein Durchgang ohne Internetratgeber zwangsweise zu Frustration führt. Intuitiv ist der letzte Begriff, den ich mit Earthbound Beginnings in Verbindung bringe.

Also warum habe ich es dann trotzdem durchgespielt? Ich meine, für den Zweck dieses Artikels hätte auch ein kleiner Einblick gereicht, der mir einige Qualen erspart hätte. Obwohl ich weiterhin der Meinung bin, dass es absolute Zeitverschwendung ist, sich länger als zwei Stunden mit Earthbound Beginnings zu beschäftigen, war ich dennoch so fasziniert von den seltsamen Eigenarten, ich musste einfach erfahren, was der nächste Ort für mich parat hielt.

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Zwar setzt Earthbound die hier aufkeimenden Ideen wesentlich besser um und entwickelt sogar eigene Genre-Konzepte, dennoch war ich vollkommen überrascht, so viele Elemente in ihrer frühen Form zu erleben. Auch Itois Erstlingswerk enthält seinen unvergleichbaren Stil, der die verrückte Welt irgendwie realer als jedes andere Rollenspiel macht. Eure Gegner sind nicht nur Monster, ihr kämpft ebenso gegen wütende Bauern oder aggressive Hippies. Falls euch einer davon verwirren möchte, erzählt er eine Lüge über eure Mutter.

Im Anschluss an erfolgreiche Gefechte erhaltet ihr zwar Erfahrungspunkte, Geld bekommt ihr dagegen erst später, sobald ihr euren Vater per Telefon anruft. Erst dann überweist er das Taschengeld, das ihr anschließend am Bankautomaten abhebt. Nach jedem Gespräch - diese nutzt ihr auch zum Speichern - verabschiedet er sich mit einem liebevollen Satz. Ähnlich integriert Itoi die Mutterrolle. Zu Beginn wählt ihr neben den Namen der Hauptcharaktere eure Lieblingsspeise. In meinem Fall Steak. Bei jedem Heimbesuch konnte also ich mit meiner Mutter reden, die sofort ein hausgemachtes Steak als Abendessen anbot. Auf diese Art regeneriert ihr in Earthbound Beginnings kostenlos eure Kräfte. Viele Rollenspielkonventionen werden so clever mit Alltagselementen vermischt, um eine stärkere Bindung zwischen euch und der Welt herzustellen. Bis heute ist die in Japan nur Mother genannte Reihe einzigartig in dieser Hinsicht und auch der erste Teil ist keine Ausnahme.

Auch im echten Leben keine angenehme Situation.

Nur werden alle guten Ideen von grausigen Spielelementen zurückgehalten. Nicht ohne Grund wirkt Earthbound daher mehr wie ein Remake als ein Sequel, nimmt es sich doch die gleichen Elemente als Basis und verfeinert sie zu einem kompetenten Uhrwerk innovativer Einfälle. Statt Zufallskämpfe erkennt ihr jeden Feind auf der Oberwelt. Sie laufen sogar von euch weg, wenn ihr zu stark seid. Und solltet ihr dennoch einen fliehenden Feind erwischen, gewinnt ihr den Kampf automatisch. Auch die Spielerführung ist wesentlich besser geworden und die grafische Leistung des Super Nintendos zeigt den seltsamen Stil, wie er wahrscheinlich ursprünglich erdacht wurde.

Als historischer Blick auf die Entstehung einer Serie eignet sich Earthbound Beginnings für jeden interessierten Fan. Alle anderen sind damit bedient, sich ein kurzes Gameplay-Video anzusehen. Es ist ein wichtiges Spiel, dessen für zukünftige Titel gelegte Grundsteine allerdings wesentlich bedeutsamer sind als die eigentliche Spielerfahrung. Aber falls ihr wollt, dass Nintendo endlich das grandiose Mother 3 im Westen veröffentlicht, dürfte ein solidarischer Kauf von Earthbound Beginnings garantiert nicht schaden. Nur so eine Idee.

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Björn Balg

Freier Redakteur

Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.
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