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Ein Ausblick auf Wildstar - und viele offene Fragen

Sieht aus wie Star Wars in Steampunk als Disneyfilm, könnte aber ein ziemlich interessantes MMO werden.

Als Journalist erlebt man sie immer wieder: Termine, die genauso viele Fragen aufwerfen, wie sie beantworten. So erging es mir unlängst im englischen Brighton. Hier präsentierten die Carbine Studios und NCSoft die Dominion-Fraktion ihres kommenden MMOs Wildstar. Im Anschluss durfte die Fachpresse im nagelneuen Gebiet 'Deradune' ein paar Monster meucheln, sowie auf dem Kundschafter- oder Krieger-Pfad Aufträge erledigen. Was wir leider nicht gezeigt bekamen, war das Gameplay des Siedler- oder Wissenschaftler-Pfades, das Player-Housing und die PvP-Inhalte. Ein paar vollmundige Ankündigungen - mehr war den Veranstaltern nicht zu entlocken. Zum Bezahlmodell schwiegen die Macher ebenfalls eisern. Die geschlossene Beta soll aber, laut Executive Producer Jeremy Gaffney, "in ein paar Monaten" starten. Ein Release des Science-Fantasy-MMOs in Disney-artiger Steampunk-Optik ist noch für 2013 angepeilt.

Kurz zu den harten Fakten: Es gibt zwei Fraktionen in Wildstar, 'Die Verbannten' (im Englischen 'Exile') und 'Das Dominion'. Die stehen einander unversöhnlich gegenüber, wie die Rebellen und das Imperium aus der klassischen Star-Wars-Trilogie. Schwarz gegen Weiß, Gut gegen Böse, David gegen Goliath, Ketchup oder Mayo - von diesem Kaliber.

Drei Völker je Fraktion zeigte Carbine in Brighton: die verbannten Menschen, die Granok und die Aurin aufseiten der 'Verbannten', die Cassianer, Draken und Mechari für das böse Dominion. Zwei weitere schlummern noch in der Pipeline. Die Völker der Verbannten kennt man bereits aus diversen Trailern und Vorschau-Berichten. Die Menschen erinnern ein wenig an eine schrullige Interpretation von Han Solo, die Granok stapfen als hünenhafte Söldner mit Betonschädel übers Schlachtfeld und die bislang gezeigten Aurin sehen aus wie eine violett bepinselte Kreuzung zwischen Angelina Jolie und einem mutierten Riesen-Kaninchen.

Treffen sich zwei Mechari und ein Mensch ... Ähm. Jetzt fällt mir der Witz nicht mehr ein.

Auf der dunklen Dominion-Seite tummeln sich ebenfalls Menschen ('Cassianer'), nur dass diese so elitär daherstolzieren wie frisch dem Wiener Opernball entsprungen. Die Draken bilden das optische Kontrastprogramm zu den Blümchen tätschelnden Aurin: struppiges Fell, Reißzähne, Krallen und martialische Teufelshörner - würden prima als Zweitbesetzung für eine Neuverfilmung von 'Die Schöne und das Biest' durchgehen. Die Mechari fahren stilistisch auf der Iron-Man-Schiene und sind eine Spezies intelligenter Maschinenwesen und Superspione. Wenn schon moralisch verkommen, hat die böse Seite in meinen Augen zumindest extrem reizvolle Völker zu bieten.

Vier Klassen wurden bis jetzt enthüllt: Krieger (Nahkämpfer und Tanks), Arkanschütze (Distanzkämpfer mit Doppel-Pistolen und Heiler), Esper (Magische Distanzkämpfer und Heiler) sowie, nagelneu und zum ersten Mal in Brighton spielbar: Die Meuchler (Nahkämpfer mit Schurken-typischer Tarnfunktion und Wolverine-Klauen). Zwei weitere Klassen sollen im Verlauf des Jahres angekündigt werden. Interessant ist, dass nicht jedes Volk jede Klasse wählen darf. Granok zum Beispiel sind bislang ausschließlich als Krieger zu gebrauchen, Mechari können Krieger oder Meuchler sein, Aurin taugen zum Arkanschützen, Esper oder Meuchler. Nur die Menschen der beiden Fraktionen dürfen aus dem Vollen schöpfen und alle Klassen wählen.

So. Und jetzt zum frischen Wind

Zugegeben: Klingt ziemlich konventionell, was Wildstar an Fraktionen, Völkern und Klassen bis jetzt zu bieten hat. Richtig interessant wird es erst durch die vier Pfade, die euren Charakteren eine Spezialisierung verleihen: Soldat, Kundschafter, Wissenschaftler oder Siedler. Die Wahl eines Pfades kann später nicht geändert werden und bestimmt, welche Missionstypen ihr auf dem Planeten Nexus findet und welche Möglichkeiten ihr bei der Interaktion mit der Spielwelt habt. Klassisches Beispiel: Eine Gruppe läuft an der Seite eines Berges auf einem schmalen Pfad und gerät in eine Sackgasse. Ein Kundschafter kann nun einen verborgenen Weg enttarnen, den die anderen Spieler dann für kurze Zeit mitbenutzen dürfen. Oder er findet anderswo ein Loch im Boden und entdeckt ein Tunnelsystem, das als Abkürzung in andere Bereiche der Karte dient. Dafür gibt es Erfahrungspunkte und darüber hinaus hat die gesamte Community etwas davon.

Richtig interessant wird es erst durch die vier Pfade, die euren Charakteren eine Spezialisierung verleihen: Soldat, Kundschafter, Wissenschaftler oder Siedler.

Sollte eure zeitlich begrenzte Tarnung auffliegen, könnt ihr als Meuchler auch derbe austeilen.

Das bringt freilich die Gefahr mit sich, dass bei entsprechenden Spielerzahlen in einem Gebiet solche Geheimwege konstant offen gehalten werden, weil alle paar Minuten ein Kundschafter vorbeikommt. Ihr kennt sicher dieses Launch-Tag-Phänomen: eine Traube aus gefühlt hundert Leuten drängelt sich um NPCs, Spawn-Punkte oder Sprung-Passagen, nur weil alle am gleichen Tag angefangen haben, die gleiche Klasse spielen und im selben Tempo voran kommen.

Laut Jeremy Gaffney wollen die Entwickler das vermeiden, indem sie die Leute behutsam in die Spielwelt dröppeln lassen. Die ersten Stufen ist man alleine in einem instanzierten Gebiet unterwegs, danach folgt eine weitere Instanz mit drei bis sechs Spielern, bis man schließlich auf die offene Welt losgelassen wird. Außerdem soll sich das System an die Spielerzahlen anpassen und bei entsprechend hohem Monsterverbrauch genügend Nachschub herankarren. Eine weitere Mechanik funktioniert mittels des Siedler-Pfades.

Ein Siedler in einem Gebiet könne praktisch alle Dinge der ersten Tier-Ebene aufstellen, wie Gaffney erklärt. NPC-Händler, Krankenhäuser oder eine PvP-Arena zum Beispiel. Für Gebäude der höheren Ebene brauche man mehr Siedler in einem Gebiet, um sie am Laufen zu halten. Die Top-Tier-Ebene beinhaltet dann auch Einrichtungen, die das Vorankommen in der Welt beschleunigen, wie Taxi-Stationen. Je mehr Spieler also in so einem Gebiet zusammenkommen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich dank der anwesenden Siedler wieder zerstreuen.

So ein Vieh kommt heraus, wenn die Spieler den Designern beim Brainstorming helfen.

In der Praxis spielt sich Wildstar recht frisch und zackig, allerdings kocht auch dieser Titel nur mit Wasser. Kampfsystem und Steuerung folgen dem aktuellen Trend und geben sich betont dynamisch. Doppelsprung (mit Fallschaden), Ausweichmanöver, schnelles Hämmern auf die Zifferntasten und Kombos sind angesagt (allerdings gibt es einen Global Cooldown). Dank farblicher Markierungen auf dem Boden sieht man sofort, wo die gegnerische (rot) oder die eigene Attacke (blau) landen wird. Die Feinde nutzen sehr abwechslungsreiche Manöver, die einen konstant in Bewegung halten. Kämpfe im Wasser sind möglich, auch wenn die Entwickler hier nicht so weit gehen wollen wie die Kollegen von ArenaNet bei Guild Wars 2.

It's the endgame, stupid?

Was die Quests und den Endgame-Content angeht, wollen die Entwickler die Fehler der Konkurrenz vermeiden. Dynamische Missionen, die während eurer Streifzüge per Funk eintrudeln und sich auf demselben Wege einlösen lassen, sind nur ein Stichwort. Oft kann man mehrere Missionen gleichzeitig annehmen und die Synergien mit seinem Pfad nutzen. Statt also nur einen Haufen Monster zu killen, könnt ihr diese als Wissenschaftler vorher noch scannen und Bonuspunkte für eine andere Quest kassieren. Des weiteren wollen die Entwickler die Story im Monatszyklus vorantreiben, neue Quests nachschaufeln und die Spielwelt modifizieren. Bis zum Level-Cap verspricht Lead Narrative Designer Chad Moore schon jetzt 175 bis 200 Stunden Quest-Content. Im Elder Game soll Wildstar punkten, indem man euch Hardcore-Raids mit wöchentlich wechselnden Bosskämpfen vorsetzt - neue Angriffsmuster inklusive. Gruppen und Gilden, die sich auf dem Server als erste auf die neuen Bedingungen einstellen, erhalten besonders lukrative Belohnungen nach dem erfolgreichen Raid.

Beim Probespiel in Deradune gab es ein paar nette, wenn auch simple Einsätze zu sehen. Zum Beispiel folgte ich der Fährte zweier Raubtiere, indem ich ihrer wabernden Duftspur hinterher marschierte und unterwegs Hinweise per Scanner analysierte. Das wurde allerdings komplett über eingeblendete Textfenster erzählt, sobald ich mit einem Objekt interagierte. Nach dem Motto, "du scannst die Überreste und findest eine frische Blutspur." Bei einer anderen Gelegenheit bewies ich mich als geschickter Jäger, indem ich wilde Tiere aufs Korn nahm, sobald die Vertreterin eines befreundeten Stammes in Sichtweite war.

Zentral in der Pampa stieß ich auf den extrem starken Welt-Miniboss Metal Maw, ein Viech, das die Designer während der PAX auf Zuruf der Spieler zusammengepuzzelt hatten.

Draken sollten mit ihrem Kopfschmuck deutsche Forste zur Jagdsaison meiden.

Zentral in der Pampa stieß ich auf den extrem starken Welt-Miniboss Metal Maw, ein Viech, das die Designer während der PAX auf Zuruf der Spieler zusammengepuzzelt hatten. Erinnert an einen türkisen Hund im Handstand mit Alien-Cyborg-Fresse, einer Laserkanone auf dem Rücken und Raketenwerfern an den Beinen. Was auch immer es sein sollte - es war mir alleine gnadenlos überlegen und rief schattenhafte Schleimwesen zur Hilfe. Prima. Konnte ich gleich die Death-Penalty prüfen. Die war aktuell nicht sonderlich harsch: Nach meinem Ableben durfte ich mich für einen kleinen Obulus In-Game-Währung an Ort und Stelle wiederbeleben oder am nächsten Holo-Grabstein aus dem Reich der Toten zurückkehren.

Ein dicker Richtungspfeil lotste mich auf Wunsch in Richtung der Missionsziele - verlaufen kann man sich in Wildstar zumindest nicht. Ladebildschirme sollen die riesige Spielwelt übrigens auch nicht verschandeln. Mag der Zeichentrick-Look keine Begeisterungsstürme seitens MMO-Veteranen ernten, einen schlechten Eindruck hinterließ die Engine auf dem derzeitigen Stand nicht. Die Texturen sind, passend zum Stil, eher einfacher Natur. Aber zu einem derart frühen Zeitpunkt in der Entwicklung will ich mich in diesem Punkt nicht zu weit aus dem Fenster lehnen - an Grafik, Animationen und Interface wird noch zu viel geschraubt, als dass ich wirklich ein Urteil fällen könnte.

Richtig Butter auf die Stulle dürfte es sowieso erst geben, wenn Carbine mehr Details zu den bislang nur angedeuteten Features serviert. Das Player-Housing-System dient nämlich anscheinend nicht nur der Befriedigung eures Egos - ihr sollt auch so genannte Warplots damit erstellen können. Quasi Schlachtfelder fürs PvP im Eigenbau, die von altbekannten Spielmodi wie Capture-the-Flag bis hin zur ausgewachsenen Bossbegegnung reichen sollen. Bezüglich des Handwerkssystems gab es ebenfalls nur Krümelweise Infos. So sei das Sammeln von Ressourcen mit zufälligen Events verknüpft. Ein Erzhaufen könne sich beim Abbau als die Rückenzier eines riesigen Monsters entpuppen. Solche Überraschungen seien auch sehr nützlich, um das Farming mittels Bots zu unterbinden, wie Gaffney süffisant anmerkte.

Wie gesagt: Viele Features blieben im Dunklen. Und das ist schade, denn Wildstar schaut zwar ordentlich aus und spielt sich flott, hebt sich aber bis jetzt kaum von der aktuellen Genre-Konkurrenz ab. Erst mit den kommenden Ankündigungen und und der geschlossenen Beta wird sich herauskristallisieren, ob das ambitionierte MMO der Carbine Studios frische Impulse liefert oder - wie der Rest der Branche - auf der Stelle tappt und allenfalls die bewährten Bausteine neu arrangiert. Ich bin sehr gespannt auf den Siedler-Pfad, das Housing und die PvP-Inhalte. Hoffentlich lassen sich die Macher mit den Infos nicht zu viel Zeit und beseitigen ein paar der Fragezeichen, die mir das Event beschert hat.

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Wildstar

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Frank Erik Walter

Freier Redakteur

Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.

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