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Entwined - Test

Ein neues Journey? Oder eher Datura?

Schönheit ihrer selbst willen. Man ist schon froh, dass es solche Spiele gibt, aber nicht froh genug, als dass man sie spielen würde.

Mittlerweile kann man es durchaus als Sonys Steckenpferd bezeichnen, kleine Entwickler zu fördern und ihnen einen Platz im Rampenlicht einzuräumen. Der Konzern liebt sie, die einfachen, aber doch irgendwo schrägen Ideen, die vor allem an das Herz der Spieler appellieren. Dabei darf es ruhig ordentlich experimentell zugehen, die Japaner lassen die Indies unter ihren Fittichen machen, wie sie wollen - und das ist gut so.

Flower oder Journey sind gelungene Beispiele, wie außerordentliche Publishing-Kräfte und ungezügelte Kreativität Hand in Hand gehen können. Datura oder Unfinished Swan dagegen sind Projekte - das eine mehr als das andere -, die ihre interessanten Prämissen nicht einmal über ihre verhältnismäßig kurze Spieldauer zu tragen in der Lage waren. Entwined, das Sony direkt nach seiner Enthüllung auf der E3-Pressekonferenz veröffentlichte, fällt leider genau in diese Kategorie eines Spiels, dessen Idee sich interessant anhört, wenn man sie zwischen Tür und Angel in zwei kurzen Sätzen erklärt bekommt. Das fertige Spiel unterdessen macht niemals den Eindruck, mehr als nur ein Prototyp zu sein.

Die Idee: Ein Fisch und ein Vogel - unsterblich ineinander verliebt - durchfliegen zusammen einen runden Tunnel. Irgendwo zwischen der Tron-Designabteilung und dem Origami-Kurs an der Volkshochschule lenkt man jeden von ihnen mit einem der beiden Sticks auf der Außenbahn der Röhre durch entsprechend kolorierte Abfolgen aus Toren. Dadurch füllt sich auf beiden Seiten eine Energieleiste. Ist sie voll, verwandeln sich beide in einen grünen Drachen und erleben noch eine kurze Freiflugsequenz, bevor man den Level beendet. Verpasst ihr auch nur eines der orangen (Fisch) oder blauen (Vogel) Türchen, verliert ihr etwas von der gesammelten Energie, sterben könnt ihr allerdings nicht. Ihr braucht nur länger, um das Ziel zu erreichen.

Ein Bild, repräsentativ für das gesamte Spiel.

Mal ganz abgesehen davon, dass das Spiel abwechselnd nervt - immerhin sind häufig die Abstände der zu durchfliegenden Felder in der frontalen Ansicht schwer abzuschätzen, weshalb man auch mal Mist baut - und dann wiederum fast einschläfernd einfach ist, gibt die Idee einfach nicht genug her, um über die gesamte Dauer auch nur milde das Interesse zu halten. Die neun Level der "Geschichte" halten einen nur eine Stunde auf und schon lange, bevor man überhaupt die Hälfte erreicht, hat man genug gesehen und will eigentlich nur noch abschalten. Die paar verfügbaren Herausforderungs-Level locken nicht.

Es ist Rez für Rosamunde-Pilcher-Fans, Child of Eden für Leute ohne Rhythmusgefühl. Journey ohne Geschmack in der Gestaltung oder technische Finesse. Entwined fehlt Biss und ein gewisser Sinn für Freude im Kleinen. Diese Situationen, in denen sich das Erlebte einfach gut und richtig in den Daumen anfühlt, erlebt man hier nicht. Lethargisch zieht man stattdessen kreisförmige Bahnen auf beiden Sticks, achtet manchmal darauf, dass sich einige Ziele auch bewegen, und schüttelt hier und da den Kopf, weil man schwören könnte, eine Torfolge haargenau getroffen zu haben. Das jeden Level abschließende freie Fliegen ist zu guter Letzt so sinnfrei, wie es sich nicht nach Fliegen anfühlt. Dieser Moment sollte eigentlich die klimaktische Befreiung der beiden Liebenden sein sein, stattdessen hakt man an sichtbaren und unsichtbaren Wänden an und ist irgendwo froh, wenn es dann vorbei ist.

Reduzierte Art-Direction schön und gut, aber hier wird mit nicht unbedingt selbstsicherer Ästhetik die teilweise schwache Technik kaschiert.

Und dann ist da noch die Frage, was all das bedeutet? Zwischen einigen durchaus erhabenen Momenten über unwirklichen Assoziations-Skylines und schillernden Schatten von Erinnerungen fühlt man sich schon angehalten, ein bisschen über die zärtlich angedeuteten Themen nachzudenken. Vor lauter Langeweile und systemischer Gleichgültigkeit lässt man das aber gleich wieder sein.

Trotzdem nimmt man weder Sony noch den Entwicklern von Pixel Opus den hehren Versuch eines so reduzierten Spiels übel. Entwined bekommt es hin, die Spielelandschaft auf PlayStation-Plattformen auch ohne messbaren Eigenwert irgendwie ein bisschen schöner und bunter zu gestalten. Wo wären wir, wenn sich Herausgeber und Entwickler nicht ab und mal in Erinnerung riefen, wie es ist, Risiken einzugehen? Ich bin froh, dass es Spiele wie dieses gibt. Nicht froh genug, dass ich es jemals wieder spielen werde, aber hey: Manchmal nimmt Zuneigung eben seltsame Formen an. Fisch und Vogel in Entwined können ein Lied davon singen.

4 / 10

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