Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Everspace - Test

Im Weltall hört dich niemand fluchen.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Spannendes Weltraum-Roguelike mit Anleihen aus Spielen wie Wing Commander und Tie Fighter. Upgrades gibt's erst nach dem Tod.

Mit Freude denke ich zurück an meinen ersten richtigen Joystick. Es war ein Wingman Extreme von Logitech und es fühlte sich mit diesem Ding unglaublich gut an, Raumschiffe oder Flugzeuge hochzuziehen. Der Wingman hatte einen enormen Widerstand in Form eines Gummi-Fußes und er hat außerdem meine Hand perfekt umschmeichelt, außerdem hatte er nicht diese Saugknöpfe wie andere Joysticks, er war einfach aus Stahl und allein deshalb schwer. Was für ein tolles Gerät ... das ich irgendwann leider einfach irgendwann (bei Tie-Fighter) abgebrochen hab als ich zu sehr hochziehen wollte. Seither haben Weltraum-Flug-Spiele und ich ein schwieriges Verhältnis. Seither. Bis jetzt. Mit Everspace fühle ich mich im Weltall endlich wieder daheim. Und das sogar mit der Maus.

Ein fremdes Raumschiff: toller Anblick.

Everspace bedient sich von Beginn an einer recht simplen Geschichte. Ihr wisst nicht, was passiert ist, ihr sollt zum Ort X kommen und um ebendas zu erreichen gibt's ein Raumschiff. Einen Jäger, der sich durchaus verteidigen kann. Der aber trotzdem nach dem dritten oder vierten Hyperraumsprung abgeschossen wird. Der Tod, er ist ein steter Begleiter bei Everspace. Es ist normal, dass ihr sterbt. Bis es soweit ist könnt ihr aber jeden Menge Kohle einsammeln und die bleibt euch auch nach dem Tod. Um den aktuellen Run zu verlängern gibt es außerdem bestimmte Ressourcen, die ihr wiederum verwenden könnt, um euch selbst etwa neue Raketen zu basteln, die ihr dann wieder auf eure Feinde abfeuern könnt, die euch dann wieder ein Sternsystem weiterbringen. Oder andere nützliche Dinge: Sonden beispielsweise oder Schild-Boosts. Everspace ist ein Weltraum-Roguelike, bei dem es nicht darum geht, das Spiel auf Anhieb durchzuzocken. Viel mehr erlebt ihr bei jedem Flug ein bisschen mehr von einem durchdachten Universum, findet wieder ein paar Dollar mehr, baut euer Schiff aus, kauft euch irgendwann ein ganz neues. Und irgendwann kommt euch das erste Sonnensystem des Spiels nicht mehr vor wie eine Herausforderung.

Gerade für ein Indie-Spiel sieht Everspace dabei unverschämt gut aus. Jeder Asteroid funkelt im Licht der Sonne, zumindest gefühlt gibt es keinen ein zweites Mal. Die Raumstationen, auf denen ihr handeln und auftanken könnt, wirken, als hätte sie tatsächlich jemand dorthin gebaut, stählerne Kolosse, die im Weltall treiben. Die Raumschiffe sind meist herrliche stromlinienförmig aufgebaute Ein-Mann-Vehikel. Ich bin normalerweise kein allzu großer Grafik-Fetischist, aber hier ist es eben doch zu offensichtlich. Und das, obwohl das Spiel alles andere als hardwarehungrig ist. Mein PC hat nun schon einige Jahre auf dem Buckel und trotzdem flutscht selbst mit höchsten Grafik-Einstellungen alles bestens. Keine Sorge also, sollte eure Mühle auch bereits ihre besten Tage hinter sich haben: Everspace ist genügsam und trotzdem wunderschön.

Die Raketen sind unterwegs zum feindlichen Jäger.

Und wenn ich zu Beginn schon über Tie-Fighter gesprochen habe: So komplex ist die Steuerung in Everspace nicht. Ihr müsst keine Energie umverteilen oder Schilde konfigurieren, ihr bewegt euch eher wie in einem Ego-Shooter, nur eben mit einer zusätzlichen Dimension. Für oben und unten gibt es aber reservierte Buttons, was bedeutet, dass ihr an eure Feinde oder an eure Beute einfach heranschweben könnt. Das sieht nicht nur cool aus, es fügt sich in das Steuerungsschema auch hervorragend ein, wenn ihr es einmal verinnerlicht habt. Dabei wechselt das Spiel zwischen Erkundung und Action. Letzteres heißt: Raumschiffe abknallen. Erkunden heißt: Ihr sucht Container, die im Weltall herumfliegen und nehmt deren Inhalte, um euer Schiff zu verbessern.

Und dann geht euch einfach der Treibstoff aus. Den braucht ihr nämlich um von Zone zu Zone zu springen. Also seid ihr darauf angewiesen, immer wieder Rohstoffe aufzunehmen. Das geht beispielsweise, indem ihr Asteroiden beschießt. In den Hyperraum springen dürft ihr auch ohne diesen Treibstoff, geht dabei allerdings das Risiko ein, euer Schiff schwer zu beschädigen. Manchmal fühlt sich das ungerecht an, wenn es in einem System einfach nichts wertvolles gibt, sondern nur Piraten, die euch abknallen wollen. Das Gegenteil geschieht aber auch und dann seid ihr in einem Sonnensystem voller toller Gegenstände und Ressourcen, könnt eure Waffen upgraden Das ist sinnvoll, weil feindliche Kräfte (Okar genannt) hier und da auch einfach ins System springen. Manchmal so viele, dass es am besten ist, den nächsten Sprungpunkt anzufliegen, während euch die Laser und Raketen um die Ohren fliegen. Manchmal aber war ich auch mutig. Und in den seltenen Fällen, in denen ich es dann geschafft habe, die KI aus dem Weltall zu fegen, wurde das immerhin positiv kommentiert. „Ich dachte nicht, dass das klappt" - ja, ich auch nicht. Die Rogue-Mechanik lädt euch gerade dazu ein, mal etwas Außergewöhnliches zu probieren. Und manchmal klappt es.

Hier scannt ihr erstmal die Asteroiden in der Gegend - vielleicht gibt es ja Rohstoffe abzubauen.

Hier und da klappt es eben manchmal auch nicht. Und das macht Everspace keinen Deut schlechter. Denn das Spiel hat alle Qualitäten, die ein gutes Roguelike ausmachen. Ja, es fühlt sich böse an, wenn ihr wieder mal abgeschossen werdet bevor ihr das Ziel erreicht, das ihr euch vorgenommen habt, aber es macht einfach so viel Spaß, wieder von vorn zu beginnen. Zumal ihr dann ein paar Credits habt, die ihr ausgeben, Upgrades, die ihr installieren könnt. Everspace motiviert euch einfach in jedem neuen Durchgang höllisch gut.

Soll euer Schiff eher ein Bomber sein? Könnt ihr haben. Wollt ihr eher einen schnellen Jäger, seid ihr fix genug, um alle Gegner mit der Gatling-Gun aus dem All zu blasen? Geht auch. Euer Raumschiff gestaltet ihr euch so flexibel wie ihr sonst eure Figur in Rollenspielen aufbaut. Wollt ihr wunderschöne Weltraum-Grafik, tolle Raumschiffe? Kriegt ihr. Mögt ihr es, wenn euer Weltraumgeballer auch noch wunderbar instrumental unterlegt wird? Auch das passiert.

Bei Everspace unterscheidet sich wirklich jeder Durchgang vom nächsten. Der Weltraum, diese unendlichen Weiten, werden bei jedem Spielstart neu generiert. Man findet ihr schon im ersten Sonnensystem genug Geld und Mineralien um euch davon den nächsten Run zu finanzieren, manchmal bekommt ihr es nur mit Piraten zu tun. Ebendiese Zufälligkeit kann zum Problem werden: Manchmal wisst ihr schon bei Spielstart, dass euch dieser Durchlauf nicht wirklich weiterbringen wird. Das liegt auch daran, dass der KI-Gegner nicht gerade doof ist. Hat er euch einmal am Hintern, braucht es wirklich komplexe Manöver, ihm noch zu entkommen. Also Nachbrenner an, Fassrolle, Raketen. Habt ihr das in euer Muskel-Gedächtnis übernommen, kommt ihr klar, aber manchmal fühlt sich Everspace bei Feindkontakt eben doch ein wenig an wie ein Zombie-Spiel: Sind es zu viele Gegner, seid ihr chancenlos. Und eine wirklich epische Geschichte erzählt das Spiel auch nicht gerade.

Auch während einer laufenden Mission könnt ihr eure Ausrüstung upgraden.

Aber: Die Geschichte erzählt ihr glücklicherweise selbst, wie es so die Art von guten Roguelikes nun mal ist. Die and repeat, eine Runde noch, das ist in die DNS, Geduld eure Tugend und Ausdauer bringt die Belohnung. Das Universum wird dabei nicht auf den Kopf gestellt, ihr findet da draußen wenig, was ihr nicht schon mal vorher abgeschossen habt. Trotzdem, jeder neue Run fühlt sich an wie ein neues Kapitel in dieser Weltraum-Saga, ihr selbst schreibt es. Jede neue Technologie die ihr erwerbt, jeder Abschuss, jedes Ableben ist ein neuer Teil von Everspace. Und diese Geschichte ist besser als jede, die euch das Spiel erzählen könnte. Feuer frei.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Everspace

PS4, Xbox One, PC, Mac, Nintendo Switch

Verwandte Themen
Über den Autor
Markus Grundmann Avatar

Markus Grundmann

Freier Autor

Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

Kommentare