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Fallout 3: Operation Anchorage

Operation fehlgeschlagen

Stellt Euch einmal folgende Frage: Was macht Fallout 3 aus? Ist es die tolle Optik? Oder eher die offene Welt? Meiner Meinung nach gewinnt es vor allem dank der vielfältigen Lösungsmöglichkeiten und der moralischen Grauzonen sehr stark an spielerischem Reiz. Nun malt Euch aber mal aus, dass genau diese Elemente fehlen würden. In dem Fall wäre Fallout 3 vermutlich nicht viel mehr als ein gewöhnlicher Shooter - und damit exakt das, was das erste Download-Paket Operation: Anchorage darstellt.

Die erste von bislang drei angekündigten Mini-Erweiterungen erreicht die Qualitäten des Hauptprogramms leider nicht annähernd. Dafür ist der Ablauf einfach zu linear, zu eingeschränkt. Selbst kleinste Entscheidungen, zum Beispiel über das Schicksal von Personen, trifft man praktisch überhaupt nicht. Prinzipiell reduziert Bethesda Fallout 3 dadurch ausschließlich auf den Shooter-Part und lässt die Rollenspiel-Einflüsse außen vor.

Unter dem Deckmantel einer knallharten militärischen Trainingssimulation für Soldaten, die sich mit der Befreiung der Stadt Anchorage von den Chinesen beschäftigt, mag das anfänglich einleuchtend klingen, doch bereits nach kurzer Zeit stellt sich ein Gefühl der Ernüchterung ein. Tote Gegner können nicht mehr geplündert werden, sondern lösen sich direkt in ihre Pixel auf und verschwinden aus der Simulation. Ein ähnlich trauriges Bild zeichnet sich für die im Ödland zuhauf herumstehenden Munitionskisten, Safes oder sonstige Behälter ab: Sie sind in Alaska gar nicht erst vorhanden.

Stimpacks sucht man ebenfalls vergeblich, Munition und Gesundheitspunkte tankt man dafür regelmäßig an den dafür vorgesehenen Spendern auf. Speziell letzteres ist zwar eine nette Idee, aber warum sollte ein US-Soldat im Notfall - auch im Trainingsprogramm - nur die Ausrüstung verwenden, die ihm vorgegeben wird? Später ist es zwar möglich, seine Ausstattung aus bestimmten Paketen selbst zu wählen, doch deren Umfang hält sich in Grenzen.

Die Rüstung dürft Ihr behalten.

Eigentlich könnte man alles auch mit einem einzigen Satz zusammenfassen: Es fehlt schlicht und ergreifend das Gefühl von (Entscheidungs-) Freiheit, das in Fallout 3 praktisch omnipräsent war. Und genau das ist mehr als schade, zeigt doch die Simulation „Tranquility Lane“ während der Hauptstory schon, welche vielfältigen und interessanten Vorgehens- und Lösungsmöglichkeiten sich in so einer Situation anbieten könnten.

Da hilft auch die Tatsache nicht, dass man im ersten Abschnitt eine Pistole mit Schalldämpfer sein Eigen nennt und versuchen kann, sich an Gegner leise heranzuschleichen. Pro Gegner bedarf es im Normalfall nämlich mindestens drei Treffer, was wiederum dazu führt, dass andere Soldaten auf einen aufmerksam werden. Und dass der verschneite Norden eine erfrischende und willkommene optische Abwechslung zur trockenen, heißen Einöde rund um Washington D.C. auf den Bildschirm zaubert, sorgt lediglich kurzfristig für Euphorie. In der Theorie ist der Schauplatz durchaus groß ausgefallen, allerdings bekommt man letztendlich nur einen geringen Teil davon hautnah zu Gesicht. Pfade und Abzweigungen, die Euch in diverse andere Richtungen führen könnten, werden von der Simulation einfach durch eine halbwegs unsichtbare Grenze versperrt. Dadurch verbleibt man stets auf dem vorgesehenen Weg und hat nur selten die Möglichkeit, überhaupt einen alternativen Pfad zu verwenden. Was aber auch gar nicht nötig ist, denn Vorteile ergeben sich kaum.

In diesem Zusammenhang hält das Versprechen „kämpft in einer der größten Schlachten des Fallout-Universums“ nicht ganz das, was man vielleicht erwartet. Es gibt zwar ein paar umfangreichere Scharmützel hier und da, aber nichts, was man unter einer echten Schlacht versteht. Und insbesondere wenn man denkt, dass es nun endlich richtig zur Sache geht, ist das Spielchen auch schon wieder vorbei. In etwa so, als würden die Auftraggeber sagen, „Danke, dass du die Drecksarbeit für uns erledigt hast. Wir machen den Chinesen nun ordentlich Feuer unter dem Hintern und haben dabei unseren Spaß. Aber für dich ist jetzt Feierabend.“ Es ist das gleiche Problem wie im Hauptprogramm: Der Abschluss kommt unerwartet, abrupt und ist wahrlich kein Highlight.

Einer meiner neuen Favoriten: Das Gaussgewehr.

Selbst das Einsatzteam, über das man im späteren Verlauf die Kontrolle erhält, verlässt niemals seine vorgegebenen Pfade. Mit dem Anführer sprechen, festes Ziel auswählen, den Trupp vorrücken oder warten lassen. Und schon beginnt die Show. Eine direkte Kontrolle beziehungsweise Positions- und Zielzuweisung der einzelnen Soldaten ist unmöglich.

Wenn man will, lässt man sie daher einfach frontal die gegnerische Stellung stürmen, legt derweil die Füße hoch und kümmert sich anschließend um die restlichen Truppen, sofern noch welche vorhanden sind. Wie ein Kommandant fühlt man sich dabei weniger, da die Jungs und Mädels im Gefecht sowieso machen, was sie wollen. Wer nicht aufpasst, durchlöchert sogar einen der Begleiter, weil dieser sich dazu entscheidet, mal eben durch die eigene Schusslinie zu marschieren. Wenigstens ist ein wenig Variation bei der Auswahl der Begleiter gegeben. Mehrere Truppentypen stehen zur Auswahl, darunter Wachbots, Infanteristen oder Heckenschützen. Jede Einheit verbraucht unterschiedlich viele "Markierungen", wodurch man am Ende einen bunt zusammengewürfelten Haufen bei sich hat und nicht nur drei starke Wachbots mitnimmt.

Über den Daumen gepeilt beschert Operation: Anchorage den Käufern maximal drei Stunden lang ein lineares Shooter-Vergnügen mit vier zusätzlichen Erfolgen, einigen neuen Ausrüstungsgegenständen sowie einer weiteren Fertigkeit. Nicht mehr und nicht weniger. Als Fallout 3-Veteran, was wohl die meisten potentiellen Käufer bis dato sein dürften, halten sich die Herausforderungen obendrein in Grenzen. Es verkommt mit einem hochgelevelten Charakter fast schon zum Kinderspiel.

Im Grunde genommen kann man ja froh sein, dass Bethesda uns keine zweite Pferderüstung vor die Nase setzt. Leider ist Operation: Anchorage nicht gerade ein Musterbeispiel für Download-Content und ignoriert schlichtweg viele der Stärken des Hauptprogramms. Ohne verschiedene Lösungsmöglichkeiten fehlt es dem Paket im Gegensatz zum Hauptprogramm merklich an Wiederspielwert. „Fire and forget“, um das mal militärisch auszudrücken.

Wenn Ihr einfach mal ein wenig den Shooter-Spieler raushängen lassen wollt, habt Ihr mit Operation: Anchorage wahrscheinlich kurzfristig Euren Spaß. Ich persönlich schätze an Fallout 3 aber eher die eingangs beschriebenen Aspekte, weswegen ich das Paket den Spielern, die ebenso denken, nur bedingt ans Herz legen kann. Die beiden kommenden Erweiterungen klingen da zumindest auf dem Papier schon wesentlich viel versprechender. Es kann also nur besser werden.

Operation: Anchorage ist ab sofort zum Preis von 800 Microsoft Punkten für die Xbox 360 und den PC erhältlich.

5 / 10

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