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Fallout 4: Next-Gen oder nicht? - Digital Foundry

Was bei der Premiere der Creation Engine auf der neuen Hardware funktioniert und was nicht.

Im Vorfeld der Veröffentlichung wurde viel über die Grafik von Fallout 4 gesprochen. Die am meisten geäußerte Kritik bestand wohl darin, dass es nicht in jedem Punkt wie ein „Next-Gen“-Titel aussieht, sondern wie ein Teil einer Reihe von Spielen, die ihre Wurzeln in der Last-Gen-Entwicklung haben. Was die schiere Größe und Gestaltung der Welt betrifft, ist Bethesda ohne Frage ganz in seinem Element - und in visueller Hinsicht gibt es einige Sprünge nach vorne. Aber vor der Veröffentlichung stellte sich die Frage, ob das hier technisch gesehen ein echter Nachfolger zu Fallout 3 ist? Und hat sich die Creation Engine bis zu einem Punkt weiterentwickelt, der nur auf Current-Gen-Hardware realisierbar ist?

Nachdem wir das Spiel in der letzten Woche auf PS4, Xbox One und PC auseinandergenommen haben, können wir getrost sagen, dass es aufgrund der erneuten Verwendung der Creation Engine aus Skyrim eine Menge Parallelen zu diesem Spiel gibt. Das verzweigte Dialogsystem, das unglaubliche Ausmaß der Welt, der Wechsel der Tageszeit, die Nutzung physikbasierter Items und Ragdolls und sogar das Controller-Setup wirken sofort vertraut. Aber die Engine wurde im Allgemeinen um einige neue Ebenen erweitert, wodurch ein Gefühl von Weiterentwicklung entsteht - auch wenn unter der Oberfläche noch das Grundgerüst früherer Arbeit werkelt.

Um unsere Erinnerungen ein wenig aufzufrischen, kehrten wir außerdem zu Fallout 3 auf dem PC zurück und wählten das Maximum bei allen Einstellungen, um zu sehen, an welchen Standards sich Bethesda mit Fallout 4 orientieren muss. Eine Generation weiter zeigen sich aus verschiedenen Gründen krasse Unterschiede, sowohl im Hinblick auf die Art Direction als auch hinsichtlich der Technologie. Das größte Verkaufsargument von Fallout 4 ist das neue, physikbasierte Beleuchtungssystem - sowie eine Reihe zusätzlicher Effekte, die Fallout 4 eine Stufe über Bethesdas vorherigem Titel stehen lassen. Auf PS4 und Xbox One werden außerdem 30 FPS anvisiert, dahingehend orientiert man sich an den Last-Gen-Titeln.

Nachdem wir die 30-FPS-Natur des Spiels akzeptiert hatten, widmeten wir uns Punkt für Punkt den größten Errungenschaften und Defiziten von Fallout 4 als Current-Gen-Titel. Zwei Jahre nach dem Start dieser Generation sind die Standards bei Open-World-Spielen auf PS4 und Xbox One bereits unglaublich hoch, besonders in Anbetracht von Titeln wie The Witcher 3 und Batman: Arkham Knight. Hier also unsere Einschätzung dessen, was bei Bethesdas erstem Current-Gen-Projekt funktioniert - und was nicht.

Cover image for YouTube videoFallout 4: Is It Next-Gen Or Not?
In dieser Video-Analyse zeigen wir, was Fallout 4 zu bieten hat und ob das ausreicht. Nutzt den Vollbild-Button und die Full-HD-Auflösung für das beste Erlebnis.

Was funktioniert...

  • Physikbasierte Materialien: Das hier ist ohne Frage der größte Umbruch für die Creation Engine. Deferred Lighting kommt zum Einsatz und holt das Meiste aus den physikbasierten Materialien im ganzen Ödland heraus. Im Gegensatz zum Ansatz von Fallout 3 reagieren Oberflächen nun auf Basis von realen Eigenschaften auf Licht. Ob das nun diffuser Lichteinfall auf Kleidungsstücken ist oder das Schimmern auf den gewellten Dächern von Diamond City, es ist die auffallendste Veränderung in Fallout 4. Da in jeder Szene mehr Lichtquellen möglich sind, profitiert auch die Innenbeleuchtung enorm, während sich das PBR-System (physikbasiertes Rendering) im Freien geschickt an den Tag-Nacht-Zyklus des Spiels anpasst.
  • Bildqualität: Irgendwie hat es Bethesda geschafft, einen nativen 1920x1080-Framebuffer sowohl auf PS4 als auch auf Xbox One zu erreichen, ohne dass man irgendwo auf eine dynamische Auflösung setzt. Sobald wir Vault 111 verlassen und das Ödland betreten, ist die Bildqualität ein offensichtlicher Pluspunkt, besonders wenn man die nativen 720p der Last-Gen-Titel von Bethesda berücksichtigt. Eine neue temporale Anti-Aliasing-Methode wird verwendet und kümmert sich um optische Störfaktoren und Flimmern bei Bewegungen - es ist eine interessante Alternative zum Multi-Sampling Anti-Aliasing (MSAA), das in den PC- und Xbox-360-Versionen genutzt wurde, und leistet bei meist lästigen Sub-Pixel-Elementen wie Bäumen oder Blattwerk eine beeindruckende Arbeit.
  • Draw Distance: Selbst auf den Konsolen mit ihren etwas zurückgefahrenen Object-Fade-Einstellungen ist die Welt von Fallout 4 ein echter Hingucker (schaut nur nicht zu genau hin, näheres dazu lest ihr weiter unten). Die Umgebungen in den Bethesda-Spielen versprühen stets diese Vielfalt an Details und die Kombination der Creation Engine mit SpeedTree sorgt für einen reibungslosen Asset-Stream, während wir uns auf dem Weg zum nächsten Questmarker befinden. Selbst auf den Konsolen funktioniert die Fade-in-Logik gradueller und subtiler als in Fallout 3, lediglich Schatten tauchen spürbar vor dem Spieler im Bild auf.
  • HDR und Tone-Mapping: Nach dem düsteren, apokalyptischen Setting von Fallout 3 widmet sich Fallout 4 einer sehr viel helleren, lebhafteren Welt. Welche Wirkung dieser Wechsel erzielt, hängt auch vom eigenen Geschmack ab, aber Bethesdas Post-Effekte unterstützen dieses lebhaftere Design der Welt gut. Pastel-Shader kommen bei Häusern zum Einsatz, filmisches Tone-Mapping sorgt für eine dynamische Anpassung der Farbbalance, ob bei Tag oder Nacht. Dabei wird auch High-Dynamic Range eingesetzt, um die Auswirkungen durch Lichtquellen auf der Kamera zu simulieren.
  • Volumetrische Beleuchtung: Fallout 4 nutzt Nvidia-Technologie, um volumetrische Beleuchtung zu produzieren, wodurch das Licht überzeugender in der Umgebung gestreut wird. Einfluss darauf haben auch die neuen Rauch- und Nebel-Effekte in der Ferne, ebenso werden dadurch lange Lichtschächte erzeugt, die wir rund um Objekte sehen, die die Sonne verdecken. Verglichen mit Fallout 3 ist es ein beeindruckender Effekt, der jeder Szene zusätzliche Tiefe verleiht - ein Highlight ist der Film-Noir-ähnliche Rauch, der sich unter den Deckenstrahlern im Presseamt von Diamond City sammelt.
  • Wettereffekte: Zusätzlich holt die physikbasierte Beleuchtung auch das Meiste aus den Wettereffekten in Fallout 4 raus, etwa Regen. Materialeigenschaften ändern sich bei Niederschlag und Oberflächen zeigen einen frisches, nasses Schimmern, sobald es in größeren Stadtgebieten zu regnen beginnt. Ein sintflutartiger Wolkenbruch kann schnell den Look der Spielwelt verändern, ganz im Gegensatz zu den sich nicht verändernden Oberflächen in Fallout 3.
  • Animationen: Für uns war das schon immer ein sehr spezieller Kritikpunkt, aber die Third-Person-Perspektive in Fallout 3 und Skyrim fühlte sich immer wie ein angeheftetes Extra an. Die Charakterbewegungen sahen nicht wirklich gut aus und erweckten den Eindruck, dass der Protagonist bei Bewegungen nach links oder rechts eher über den Boden rutscht. Glücklicherweise macht Fallout 4 das besser und der Körper des Hauptcharakters reagiert angemessen auf die Spielumgebung. Bei jeder Bewegung landet jeder Schritt genau dort, wo er sollte. Es hat auch lange genug gedauert.

Darüber hinaus wird in bestimmten Szenen Motion-Capture eingesetzt, besonders im Zusammenhang mit den Quests der Hauptstory. Es sorgt für mehr Drama, aber wie ihr unten seht, verlässt man damit nicht immer das Uncanny Valley. In den besten Momenten wirkt das Spiel viel ausgefeilter als Fallout 3, allerdings kratzt man damit höchstens an der branchenführenden Capture-Technik, die in Spielen wie Uncharted verwendet wird.

… und was nicht

  • Geometrie: Man kann durchaus sagen, dass Fallout 4 etwas zu wünschen übrig lässt, wenn man sich die Welt etwas genauer anschaut. Obwohl auf die Distanz alles eindrucksvoll wirkt, ist die Geometrie des Szenenbildes aus der Nähe betrachtet oft recht simpel gehalten und zeigt recht kantige Stellen an Charakteren und Wänden. Dadurch, dass es sich um ein sehr großes Spiel handelt, ist das zu einem gewissen Grad zu verschmerzen, aber einige Bereiche sehen noch etwas primitiver aus, als wir es von einem so aufwendigen Titel für PS4 und Xbox One erwartet hätten. Unterm Strich hält Fallout 4 näherer Betrachtung einfach nicht immer Stand - ein Zeichen, dass sein Weltendesign ursprünglich vielleicht auf weniger leistungsstarke Hardware ausgelegt war.
  • Bildrate: Die zeigt sich besonders enttäuschend. Wie in unserer Performance-Analyse zu Fallout 4 dargelegt, geraten PS4 und Xbox One in ihrem Streben nach 30 FPS regelmäßig ins Stolpern. Noch mit Patch 1.01 sehen wir das Spiel auch zwischen Städten schon mal auf 20 FPS abtauchen. Dazu kommen ausgedehnte Einbrüche der Bildrate in belebten Gebieten oder effektgefüllten Kämpfen. Kurz gesagt, das Spiel fühlt sich an, als wäre es nicht perfekt auf die modernen Konsolen abgestimmt. Wenn eine fließende Bildrate ganz oben auf eurer Prioritätenliste steht, seid ihr mit der PC-Version besser beraten - aber selbst die hat ihre Probleme.
  • Animationen: Die Figuren sind insgesamt deutlich detaillierter, mit verbesserten Skin-Shadern auf den Hauptfiguren. In Bewegung sehen sie allerdings alles andere als schmeichelhaft aus. Die Qualität der Bewegungen schwankt von Szene zu Szene, aber eine frühe Dialogsequenz mit dem Verkäufer an der Tür demonstriert teilweise bescheidene Lippenbewegungen. Die Resultate wirken steif und unecht, aber wir sind froh, dass einige der späteren Charaktere deutlich mehr Liebe erfuhren.
  • Volumetrische Beleuchtung: Wir lieben diesen Effekt in Fallout 4, auf PS4 und Xbox One ist er aber in seiner Qualität deutlich zurückgeschraubt, wenn man ihn mit der höchsten Einstellung auf dem PC vergleicht. In diesem Fall ist das etwas in der Größenordnung einer 480x720-Auflösung, wo sich die Kanten der Geometrie mit den Lichtschächten überschneiden. Es ist ein Bruchteil des kompletten 1080p-Bildes und erzeugt seltsame, nach Dithering aussehende Artefakte, die sich ein bisschen mit den übrigen, ansonsten recht scharf dargestellten Bildschirmelementen beißen. Das ist allerdings keine große Katastrophe und man muss es schon im richtigen Winkel stehen, um es zu bemerken.
  • Motion Blur: Nachdem es in Bethesdas Technik-Zusammenfassung als Feature angepriesen wurde, ist Motion Blur nun auf einmal doch nur selten in Fallout 4 zu sehen. Weder bildschirm- noch objektbasiertes Blurring treten auf, wenn man die Kamera bewegt oder eine Nahkampfattacke ausführt. Dennoch ist die Option eindeutig im Einstellungsmenü der PC-Version wählbar. Dem am nächsten kam noch ein Shader-Effekt, der eintritt, wenn in der Nähe des Spielers eine Granate oder Mine explodiert. Die Implementierung von Motion Blur in Fallout 4 ist bestenfalls als sparsam zu bezeichnen und wir hatten gehofft, mehr von diesem Effekt zu sehen.
  • Ambient Occlusion: Auf den Konsolen kommt ein älteres, weniger präzises Screen-Space Ambient Occlusion (SSAO) zum Einsatz. Auch auf den PC ist das die beste und einzige Option und füllt die Ecken mit dezenten Schattierungen. Im Vergleich zu etwa Skyrim müssen wir gestehen, diesen Effekt lieber zu haben, als auf ihn verzichten zu müssen - aber dieser Ansatz zeigt dennoch sein Alter und Schatten erzeugen ein störendes Flackern um Charaktere herum. Neuere, subtilere Versionen dieses Effekts, wie das horizontbasierte HBAO, helfen dabei, das zu vermeiden und erzeugen dennoch Tiefe. Hier haben wir jedoch keine andere Wahl.
  • Tiefenschärfe: Angeblich ist auch ein Bokeh-Tiefenschärfefilter im Einsatz, der während der filmischer in Szene gesetzten Dialoge eintritt. Er ist allerdings nicht allzu ausgereift, denn wir sahen bereits schärfere und präzisere Implementierungen dieses Effekts in anderen Titeln. Insbesondere vermissen wir die Verzerrung an Lichtpunkten, das die Bokeh-Form des Effekts ausmacht. In seiner aktuellen Form verschwimmt einfach nur der Hintergrund, wie in der Gauss-Ausführung des Effekts.
Cover image for YouTube videoFallout 4 PS4 vs Xbox One Frame-Rate Test
Unsere Performance-Analyse von Fallout 4, die PS4 und Xbox One an diversen Stellen an dem Versuch fester 30 FPS scheitern sieht.

Alles in Allem fühlt sich Fallout 4 in technischer Hinsicht zwar wie ein Schritt nach vorne an, jedoch nicht wie der große Sprung, den wir uns erhofft hatten. Die physikbasierte Beleuchtung, ihr Zusammenspiel mit Wetterbedingungen und eine Reihe neuer Effekte heben den Titel von Fallout 3 ab. Andere Aspekte der Präsentation lassen jedoch zu wünschen übrig und das Gesamterscheinungsbild der Welt wirkt ein wenig flach. Außerdem sehen wir immer noch lange Ladezeiten bei Schnellreisen in Ballungsgebieten. Auf PS4 und Xbox One halt man sich zudem noch an die angepeilten 30 FPS der Vorgänger, die regelmäßig schwanken, wie wir bereits in unserer Performance-Analyse feststellten.

Diese Punkte sind durchaus enttäuschend und wir finden, Bethesdas Tools hätten für das erste PS4- und Xbox-One-Projekt eine umfassendere Auffrischung vertragen können. Das Team verriet kürzlich, dass die Entwicklung des Spiels mit der Umsetzung von Skyrim auf Microsofts neue Konsole begann. Und die Hinterlassenschaften sind in Fallout 4 klar zu erkennen. Aber die Verantwortlichen fühlen sich in dieser Technologie auch sichtlich zuhause - und realisierten so einen gewaltigen apokalyptischen Spielplatz, mit dem wenige andere Entwickler in seiner schieren Größe gleichziehen können.

Das Endprodukt ist in jedem Fall eine ungewöhnliche Mischung als alt und neu. Es folgt zweifelsohne einer vertrauten Schablone, aber das neue Beleuchtungsmodell, das auf ihr ruht, verpasst ihr einen häufig wunderschönen, zeitgemäßen Anstrich. Einige der neueren Effekte sehen schon jetzt etwas altbacken aus, aber es bietet mit seinen Erkundungsmöglichkeiten und der Freiheit der Dialogoptionen eine Flexibilität, die in den meisten anderen Spielen nicht gegeben ist. Technisch gesehen ist es kein Knock-out, beeindruckt aber auf seine eigene Weise. Hoffentlich markiert dies nur den ersten Schritt von vielen, während Bethesda weiter für PS4 und Xbox One entwickelt.

Wenn ihr mal stecken bleibt: unsere Fallout 4 Komplettlösung hilft euch aus der verstrahlten Patsche.

In diesem artikel

Fallout 4

PS4, Xbox One, PC

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Thomas Morgan

Senior Staff Writer, Digital Foundry

32-bit era nostalgic and gadget enthusiast Tom has been writing for Eurogamer and Digital Foundry since 2011. His favourite games include Gitaroo Man, F-Zero GX and StarCraft 2.

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