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Famicom Detective Club - Test: Hätte mein großer Krimitraum sein können...

Es gibt nur eine Wahrheit... für die braucht man aber Geduld!

Herrlich schrullige Japan-Detektiv-Nostalgie, aber mit monotonem Durchklick-Gameplay, das leicht ins Unlogische abrutscht.

Ich bin ein Detektiv-Nerd, ein Kriminalistik-Suchti, eine Mordfall-Fetischistin und dann kommt da ein Spiel um die Ecke, das dafür wie gemacht scheint: Famicom Detective Club, die Nintendo-Neuauflage von zwei japanischen Visual-Novels aus den Jahren 1988 und 1989. Die beiden Krimispiele mit den Titeln "The Missing Heir" und "The Girl Who Stands Behind" kamen jetzt erstmals in neuem Gewand auch in Europa an - mit englischen Untertiteln für die Nintendo Switch.

Diese beiden Fälle habe ich natürlich mutig unter die Lupe genommen, doch leider muss ich etwas ernüchtert zugeben: Die Indizien sprachen eher für "mittelmäßig". Sehr schade, denn Famicom Detective Club ist ein Spiel, das ich wirklich gerne toll gefunden hätte.

Retro-Story im HD-Look

Im Vergleich zur damaligen Spielversion für den Famicom hat sich einiges getan und damit meine ich nicht die englischen Untertitel. Während es sich 1988 natürlich noch um ein einfach gehaltenes Pixelspiel handelte, erstrahlen die beiden Kriminalfälle jetzt in einer detailverliebten, leuchtenden Anime-Grafik.

Was die Story der beiden Fälle betrifft... tja, die geben einem eher das Gefühl, noch in Animeserien aus den 90ern festzustecken: Abergläubische Dorfbewohner, zickige Verdächtige, Jugenddetektive, eine geheimnisvolle Frau, alte Familienflüche und noch viele andere schrullige Erzählbausteine, die Detektive Conan vor Neid hätten erblassen lassen - an der Story wurde seit damals offenbar nicht geschraubt und das merkt man.

Ein wenig niedlich-nostalgisch kommt das alles aber dennoch daher. Zum Ausgleich gibt es außerdem lebendige Figurendesigns mit glitzernden Manga-Augen und detailverliebte Hintergründe in satten Anime-Farben. Auch ein paar nette visuelle Effekte und eine stimmungsvolle japanische Vertonung trösten am Anfang über die abstruse Handlung hinweg - Auch aus Klischees kann man schließlich etwas Aufregendes zimmern, oder? - Timing und Spannungsaufbau sind aber leider nicht die Stärken der beiden Retro-Kriminalfälle und das bekommt man im Laufe des Spiels immer stärker zu spüren.

Die leuchtenden Animefiguren sind eine Freude für die Augen

Eine schrecklich nette Familie

Im älteren Teil The Missing Heir dreht sich alles um die Familie Ayashiro und einen verdächtigen Todesfall der Matriarchin Kiku. Ausgangslage ist allerdings ein fataler Sturz von einer Klippe: unsere Hauptfigur, ein namensfreien Jugenddetektiv, hat zu Beginn das Gedächtnis verloren und muss es Schritt für Schritt wiederherstellen. Dabei stößt man mit Detektivkollegin Ayumi auf zahlreiche Geheimnisse der Familie und einen unheimlichen Fluch.

Die Gedächtnislücken des Detektivschussels sorgen aber leider nicht für Extraspannung. Dass sich vieles ohnehin erst am Ende aufklären wird, scheint von vornherein klar. Vielleicht war die Amnesie aber auch nur ein frecher Kunstgriff, um keine komplizierte Hintergrundstory einführen zu müssen, wer weiß.

Am Spannungsbogen ist dieser Fall jedenfalls mehr als knapp vorbeigeschrammt. Während man am Anfang nämlich noch neugierig ist, häufen sich zur Mitte des Spiels regelrecht die Augenroll-Momente. Dann wünscht man sich einfach nur sehnlichst, der Hauptfigur würden endlich die Schuppen von den Augen rieseln oder man dürfte endlich aufdecken, was man als Hobby-Sherlock ohnehin bereits ahnt - einige der "großen Twists" sind nämlich weniger überraschend, als das Spiel das vielleicht gerne hätte.

Wenn man diese langwierigen Stellen trotzdem durchhält, wird man noch mit Kitschkeulen, Deus-Ex-Momenten und Schurkenmonologen belohnt - mal sehr ernst, mal plötzlich unangemessen albern. Vielleicht eher ein nostalgischer Leckerbissen für Trash-Fans? Wenn man den Plot nicht zu ernst nimmt, kann man sich durchaus über einige Wendungen freuen.

Den namenlosen Protagonisten darf man frei benennen - hier eben Detektiv Tingeltangel

Ein Fluch geht um - er lässt die Zeit langsamer laufen!

In The Girl Who Stands Behind erleben wir erneut einen Fall mit unserer Teenie-Hauptfigur, diesmal erleben wir allerdings die Prequel-Geschichte des Jugenddetektivs. Der zweite Fall spielt diesmal an einer japanischen Oberschule und im Zentrum steht wieder: Eine gruselige Legende, allerdings um ein blutiges Geistermädchen, das auf den Gängen spuken soll.

Zumindest die Ausgangslage könnte eigentlich ganz spannend sein und erinnert an eine Mischung aus alten Teenie-Horrorfilmen und der Nostalgie des RTL-2-Jugendprogramms - wenn einen der erste Fall nicht schon etwas mürbe geklopft habt. Denn auch hier geben sich unnötige Wiederholungen und krampfhaft zurückgehaltene Informationen zum ungeschickten Spannungsaufbau die Klinke in die Hand. Dem zweiten Fall klebt dennoch nicht so viel Blut unschuldig ermordeter Geduldsfäden an den Händen als dem Vorgänger.

Den Figuren muss man oft vieles aus der Nase ziehen... so auch dieser Lehrerin im zweiten Fall

Leider können beiden Storys entweder weniger überraschen oder sind so an den Haaren herbeigezogen, dass man deshalb nicht auf die Lösung kommen kann - Trick 17 mit Selbstüberlistung so zu sagen! Stellenweise ist der verrückte Plot aber auch schon wieder liebenswert oder charmant und gerade Fall zwei kann einen mit leichtem Grusel mitreißen. Mit einzelnen Figuren wie der süßen Detektiv-Assistentin Ayumi oder dem freundlichen Butler der Ayashiros freundet man sich mit der Zeit außerdem richtig an - die Spannungskurve rettet das aber leider nicht.

Die mangelnde Action muss die Hintergrundgeschichte aber auch nicht alleine verantworten, sie hatte einen Komplizen.

Das Gameplay müsst ihr mit der Lupe suchen!

Am fehlenden Timing ist das Gameplay nämlich auch nicht gerade unschuldig. Bei Famicom Detective Club handelt es sich um eine Visual Novel, also großteils eine Geschichte in bewegten Bildern. Dabei erzählt das Spiel eine lineare Handlung: Ihr habt immer nur gewisse Orte, Fragen und Gesprächspartner zur Auswahl.

Dank dem widersprüchlichen Plot, fasst man sich nun leider immer wieder leidenschaftlich an den Kopf, weil die Hauptfigur so vieles nicht tun will oder kann, was einem völlig logisch vorkommt. Bestimmte Verdächtige werden einfach grundlos links liegen gelassen, manche Orte untersucht man dafür bestimmt 100 Mal ohne Ergebnis - das kann ziemlich unbefriedigend sein.

Im Spiel kommt ihr über Aktionen wie Call, Talk, Look oder Travel in einem unkomplizierten Menü voran. Diese Optionen stoßen allerdings immer wieder an ihre Grenzen. Das Umschauen mit dem Joycon zieht sich zum Beispiel leicht und man findet so selten Hinweise, dass die Funktion meist überflüssig ist. Aber auch die Dialog-Option hat ihre Tücken - meist artet das Befragen einfach in gedankenloses Durchklicken aus.

Unser junges Ermittlerteam... dass sie erst 17 sind, stört meist keinen

Wenn es hart kommt, muss man manche Fragen im Menü fünfmal stellen, um beim sechsten Mal endlich weiterzukommen oder wild irgendwelche Dinge in der Umgebung auswählen, damit es vorangeht - ohne dann wirklich zu wissen, wie man den Fortschritt ausgelöst hat.

Parallel macht der Detektiv-Protagonist fleißig Aufzeichnungen in sein Notizbuch, die man sich allerdings nicht merken muss. Man muss im Spiel keine Entscheidungen treffen oder selbst ermitteln. Nur ganz selten geht es darum, Fragen zu beantworten, indem man ein Lösungswort eintippt, das ist dann aber meist einfach und wirkt eher fehl am Platze - warum plötzlich nach vielen Stunden Text Interaktionsmöglichkeiten einbauen?

Generell ist das Gameplay übersichtlich und unkompliziert, zieht sich aber bisweilen ziemlich, denn dafür, dass man nicht allzu viel selbst tun kann, muss man schon ziemlich viel wiederholt durchklicken.

Famicom Detective Club Test - Fazit

Schicke Grafik, niedliche Animationen, ein Setting zwischen Nostalgie, Japanfernweh und etwas Kitsch - das hätte lustig werden können. Umso ernüchternder war es für mich, dass Famicom Detective Club trotzdem nicht ganz aufgeht und in einer Klickorgie ausartet, ohne dabei echte Spannung zu erzeugen. Eigentlich passt eine umfassende Erzählung, gespickt mit einem einfachen Spielprinzip ja ganz gut zusammen, diese Visual Novel muss aber ohne große Offenbarungen in der Geschichte auskommen. Dieser Detektivclub ist daher mehr gemächlicher Lesenachmittag, der Geduld erfordert als atemberaubendes Thriller-Erlebnis. Was für mich am Ende der Mörderjagd zurückblieb, war leichte Enttäuschung in sehr schönem Gewand, denn das hätte wirklich ein Retro-Krimi-Traum werden können. Man kann es als das nehmen, was es ist: Die heute mäßig begeisternde Neuauflage eines aus der Zeit gefallenen Experiments, das in den späten 80ern etwas Besonderes war. Das ist etwas. Nicht viel, aber etwas.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Über den Autor
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Judith Carl

News-Redakteurin

Judith Carl ist Volontärin für News und Social Media bei Eurogamer.de. Judith hat Medienwissenschaften studiert. Sie streamt begeistert am liebsten Rollenspiele und Adventure Games auf Twitch. Ihre weiteren Leidenschaften sind LARP, Pen and Paper, und Trash-Filme.
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